Gastronomie
Essen gehen - für Ungeimpfte und Nichtgenesene nicht mehr möglich.
© adobeStock

Corona-Pandemie

Genesenenstatus: So sieht es in den Bundesländern aus

Der Bund hat den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate herabgesetzt, was zu heftiger Kritik führte. Nicht alle Bundesländer haben den Wechsel dazu vollzogen. Das führt zu einer skurrilen Situation für die Bürger. Und auch im deutschen Bundestag gelten immer noch die alten Regelungen. Sie sollen nun überall angepasst werden. Ein Gutachten im Bundestag meldet allerdings juristische Bedenken an. Sie finden es im Text als PDF verlinkt. Ein Gericht erklärte die neue Regelung jetzt als verfassungswidrig.
Aktualisiert am 4. Februar 2022

Als das Robert-Koch-Institut bekannt gab, dass der Genesenenstatus in der Corona-Pandemie plötzlich von bislang sechs auf drei Monate verkürzt wird, war der Aufschrei groß. Denn Deutschland schert damit aus. In der EU gelten Menschen bis zu einem halben Jahr als genesen, nachdem sie eine Corona-Infektion durchgemacht haben. Auch die Bundesländer wurden von der Entscheidung überrascht. Sie hat vor allem auch Konsequenzen auf die Bürger und Arbeitgeber - und trifft besonders den Handel und die Gastronomie. KOMMUNAL hat eine Umfrage unter den Bundesländern gestartet, wieweit die Vorgabe des Bundes bereits umgesetzt ist. In Berlin gilt immer noch der alte Status.  Das führt zu einer skurrilen Situation. Sie führt dazu, dass keiner mehr durchblickt.

Genesenenstatus in Berlin wird angepasst

Eine Sprecherin der Berliner Senatsgesundheitsverwaltung schilderte die Situation auf Anfrage von KOMMUNAL so:  "Als genesen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes des Bundes gilt man nur noch, wenn eine Infektion mit dem Coronavirus nicht länger als drei Monate zurückliegt. Dieser Genesenen-Status gilt derzeit – auch in Berlin – in jenen Bereichen, die durch das Infektionsschutzgesetz des Bundes geregelt werden – etwa bei der 3G-Bedingung am Arbeitsplatz und im Personennahverkehr sowie bei den Bestimmungen zur Einreise. In den Bereichen, die von der Vierten Berliner SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung geregelt werden – etwa die 2G- und 2G Plus-Regelungen im Kultur-, Einzelhandels- und Gastronomiebereich – gelten dagegen noch die sechs Monate." Wie sollen die Bürger da noch durchblicken?

Die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote hat den verordneten Wechsel von sechs auf drei Monate im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses massiv kritisiert. Dennoch muss jetzt auch Berlin nachziehen: "Voraussichtlich am kommenden Dienstag, 1. Februar,  wird das Land für die Bereiche Kultur, Einzelhandel und Gastronomie in der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eine Anpassung von sechs auf drei Monate vornehmen", kündigte die Sprecherin an. Aktualisierung: Inzwischen hat der Berliner Senat dies beschlossen.  Voraussichtlich ab 5. Februar, wenn die angepasste Corona-Infektionschutzmaßnahmen-Verordnung in Kraft tritt, ist auch in der Hauptstadt der Genesennachweis nicht mehr sechs Monate, sondern nur noch drei Monate nach dem positive PCR-Ergebnis gültig.

Kritik an Verkürzung des Genesenstatus

Die Entscheidung, den Genesenenstatus zu verkürzen, hatte alle überrumpelt. Der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, etwa kritisiert: "Die Änderungen von Robert-Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Instituts sind ja nicht vom Himmel gefallen. Der Bund hätte die breite Öffentlichkeit vorab besser informieren müssen, damit sich die Bürgerinnen und Bürger rechtzeitig über die bevorstehenden Änderungen hätten vorbereiten können." Stattdessen seien einfach die Inhalte von Internetseiten von RKI und PEI geändert worden, was dann unverzüglich teilweise zu erheblichen Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger führte - einige quasi von einer Minute zur nächsten nicht mehr als genesen oder geboostert galten. "Das ist einfach schlecht gelaufen. Da wünsche ich mir in Zukunft mehr Fingerspitzengefühl.“ Eine Sprecherin des Sozialministeriums in Schleswig-Holstein sagte zu KOMMUNAL: "Vor einer solchen Entscheidung hätte es einen vertiefteren fachlichen Austausch geben sollen. Insofern wird der Vorgang als unglücklich bewertet." 

Mecklenburg-Vorpommern und Hessen kritisieren Verfahren

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Mecklenburg-Vorpommern sagt auf Anfrage von KOMMUNAL: "Aus epidemiologischen Gründen mit Blick auf Omikron halten wir die RKI-Entscheidung für richtig. Wir hätten uns aber eine bessere Kommunikation und ein paar Tage Übergangszeit gewünscht."

Der hessische Gesundheitsminister Clemens Hoch fordert: "Der Bund steht in der Pflicht und der besonderen politischen Verantwortung, Änderungen sauber und klar zu kommunizieren. Es geht darum, wissenschaftliche Erkenntnisse auch politisch einordnen, um das Vertrauen der Menschen in ein geordnetes System der Verlässlichkeit abzusichern."  Das RKI müsse beim neuen Verfahren viel stärker serviceorientiert aufstellen und bürgerfreundlicher werden. "Dies ist bisher zum Beispiel beim Internetauftritt, aber auch bei der Aktualisierung zum Immunisierungsstatus in den digitalen Apps nicht unbedingt unmittelbar erkennbar", so Hoch.

Genesenenstatus in den Bundesländern

Die meisten Bundesländer haben in ihren Corona-Verordnungen auf die "Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung" des Bundes  hingewiesen.

In dieser Bundes-Verordnung wird nun wiederum dynamisch auf das RKI und das PEI verwiesen:

Geimpfte Personen (§2 Nummer 2 und 3): www.pei.de/impfstoffe/covid-19

Genesene Person (§2 Nummer 4 und 5): www.rki.de/covid-19-genesenennachweis

Wann gilt jemand als genesen?

Nach den angepassten Vorgaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bekommen nur noch Personen ein Genesenenzertifikat, wenn das Datum der Abnahme des positiven Tests mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegt. Die Infektion muss durch einen PCR-Test nachgewiesen werden. Nach Ablauf der 90 Tage gilt die Person nicht mehr als „genesen“. Um als Genesener vollständig geimpft zu sein und Anspruch auf ein Genesenen-Impfzertifikat zu haben – auch wenn die Erkrankung länger als 90 Tage her ist –, reicht eine Impfung aus.

Gutachten: Verfassungsrechtliche Bedenken

Inzwischen wird die Verkürzung des Genesenenstatus auch juristisch angefochten - und es wächst der Druck, die Entscheidung zurückzunehmen. Brisant: Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt zu dem Schluss, dass die Regelung verfassungsrechtlich bedenklich sei.  Kritisiert wird darin vor allem, dass die Regierung dem Robert-Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut die Verantwortung überlassen hat.  Die Entscheidung war am 14. Januar auf der Website des RKI veröffentlicht worden. Die Länder waren zuvor nicht darüber informiert worden.  Hier finden Sie das Gutachten als PDF.

Gericht: Genesenenstatus verfassungwidrig

Inzwischen hat das Verwaltungsgericht Osnabrück die Regelungen zum Genesenenstatus für verfassungswidrig erachtet. Der Landkreis wurde dazu verpflichtet, einem Kläger den Nachweis für sechs Monate auszustellen. Die Entscheidung habe aber nur Auswirkungen auf den konkreten Fall. Zur Gerichtsentscheidung.