Einsam: Frau alleine trinkt Tee
Nachbarschaftstische wollen Geselligkeit statt Einsamkeit fördern und bringen alleinstehende Senioren beim gemeinsamen Essen zusammen.
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Gegen die Einsamkeit

Nachahmenswertes Projekt „Essen wia dahoam“

Im Landkreis Passau wurden Nachbarschaftstische initiiert, bei denen Hobbyköche Senioren zum Essen zu sich nach Hause einladen. Bei den Nachbarschaftstischen handelt es sich um ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen, die alleine leben“, erläutert Daniela Schalinski, die im Landratsamt Passau die Fachstelle Senioren betreut.

„Beim Essen kommen die Menschen zusammen“, heißt ein bekanntes Sprichwort, „Gemeinsam schmeckt’s am besten“ ein anderes. Und in der Tat steht beim Essen in Gemeinschaft weit mehr als die Nahrungsaufnahme im Vordergrund. Stattdessen geht es um Austausch, um Geselligkeit und Gemeinschaft – also das Gegenteil von Einsamkeit und Isolation. Die Idee der sogenannten Nachbarschaftstische setzt genau hier an und möchte insbesondere Senioren eine Möglichkeit bieten, nahe ihrer Wohnung gemeinsam mit anderen beim Essen Gemeinschaft zu erleben. „Essen wia dahoam“ lautet der Titel dieser Initiative im Landkreis Passau und die erste praktische Umsetzung ist nach einer mühsamen Aufbauphase erfolgversprechend.

„Essen wia dahoam“ ist Initiative der Fachstelle Senioren

„Bei den Nachbarschaftstischen handelt es sich um ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen, die alleine leben“, sagt Daniela Schalinski, die im Landratsamt Passau die Fachstelle Senioren betreut. Das Prinzip der Nachbarschaftstische ist schnell erklärt: Ein Gastgeber, der gerne kocht, lädt eine Gruppe von 4 bis 8 Leuten zu sich nach Hause ein und serviert ein vollwertiges Mittag- oder Abendessen. Die Gäste zahlen hierfür einen kleinen Unkostenbeitrag, etwaige weitere Kosten werden vom Landkreis übernommen. Bei den Gästen handelt es sich um Menschen aus der Nachbarschaft oder dem Ort des Gastgebers, die sich zuvor oft nicht kennen, fortan aber als feste Gruppe ein oder auch zweimal im Monat zum Essen zusammenkommen. „Die Nachbarschaftstische sollen zu einer Konstante werden im Leben der Menschen“, so die Mitarbeiterin im Landratsamt über das Ziel.

Aufwändige Aufbauphase

Im Landkreis Passau hat man im Sommer 2023 mit dem Aufbau solcher Nachbarschaftstische begonnen. „Zu Beginn habe ich gute Netzwerkpartner gesucht und eine Arbeitsgruppe mit den Seniorenbeauftragten der verschiedenen Kommunen gegründet“, erzählt Schalinski. Fachlich begleitet wurde sie dabei für insgesamt ein Jahr von der Initiative "IN FORM - Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung", die das Ziel verfolgt, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Als Titel für die Nachbarschaftstische wurde passend zum Dialekt der Region der Name „Essen wia dahoam“ gewählt, mit dem in Folge auch intensiv Werbung gemacht wurde. In zwei gut besuchten Informationsveranstaltungen in Hauzenberg und Pocking wurde das Projekt schließlich öffentlich präsentiert.

Werbebild Tische
So kann es aussehen, wenn Menschen im privaten Umfeld zum Essen zusammenkommen

Workshop für potenzielle Gastgeber

Für all jene, die Interesse daran gezeigt haben, sich als Gastgeber ehrenamtlich zu engagieren, wurde schließlich ein eigener Workshop angeboten zur Vorbereitung auf die praktische Durchführung der Nachbarschaftstische. Darin ging es um Fragen der Haftung und Hygiene ebenso wie um gute Gesprächsführung und die Bedeutung von Ritualen. Außerdem standen Informationen rund um gesunde Ernährung und vollwertige Mahlzeiten im Fokus, zudem gab es Hilfestellungen und Rezepttipps für den Umgang mit Unverträglichkeiten und Allergien. Klar gestellt wurde bei diesem Workshop auch: „Es geht bei den Nachbarschaftstischen definitiv nicht um einen Koch-Wettbewerb und besonders ausgefallene und anspruchsvolle Gerichte“, so Schalinksi. Vielmehr solle die „Geselligkeit bei einem vollwertigen Essen“ genossen werden.

Freie Zeiteinteilung und viel Bestätigung

Aus Sicht von Schalinski handelt es sich bei der Rolle als Gastgeber bei den Nachbarschaftstischen um ein „wunderschönes Ehrenamt“, das viel Freude und Bestätigung mit sich bringt. „Wenn man gerne kocht und mit Menschen zusammen ist, ist das eine schöne Möglichkeit, sich einzubringen für die Gesellschaft“, so die Fachstellen-Mitarbeiterin, zudem könne man sich die Zeit vollkommen frei einteilen und bestimme selbst darüber, wie häufig die Tische durchgeführt werden. Finden die Nachbarschaftstische entsprechend Anklang, seien sie darüber hinaus auch eine Entlastung für die Angehörigen der Gäste und würden nicht zuletzt auch das Leben in der Gemeinde bereichern.

Schwierige Suche nach Gastgebern und Gästen

Was attraktiv klingt, hat sich im Landkreis Passau allerdings als harte Arbeit herausgestellt, sowohl was die Suche nach geeigneten Gastgebern als auch was jene nach Gästen anbelangt. Die größte Hürde dabei ist für beide Seiten die Tatsache, dass die Tische idealerweise im persönlichen Wohnumfeld des Gastgebers stattfinden sollen. „Es ist ein großer Schritt für beide Seiten, in das private Zuhause von jemanden zu gehen bzw. erst einmal fremde Leute dorthin einzuladen“, sagt Schalinski. Die meisten anfangs interessierten Gastgeber würden diesen privaten Einblick scheuen, hinzu kommen Zweifel und Sorgen, ob sich die Gäste denn verstehen werden und welche Gesprächsthemen passend sein könnten. Gleichzeitig sei es auch in Kommunen, wo Gastgeber bereitstehen, ausgesprochen schwierig, Gäste zu finden, die sich trauen, bei jemand anderem in dessen Zuhause zum Essen zu kommen. „Für die Gastsuche braucht es definitiv die Unterstützung seitens der jeweiligen Kommune“, sagt Schalinski, und es sei sehr wichtig, dass das Projekt offiziell vom Landkreis organisiert werde und dadurch offensichtlich seriös sei.

Flyer Gastgebersuche
Suche nach Gastgebern für das Projekt "Essen wia dahoam"

Freude am Austausch

Im Mai 2024 fand im Landkreis Passau schließlich der erste Nachbarschaftstisch statt, zwei feste Tische gibt es mittlerweile, weitere werden gerade aufgebaut. „Ein Projekt wie die Nachbarschaftstische braucht Zeit und man muss dranbleiben“, ist Schalinski überzeugt. Dabei sei eine solche Initiative definitiv kein Selbstläufer und sei es umso notwendiger, dass die Tische vom Landkreis begleitet werden und immer wieder intensiv beworben. „Das Wichtigste ist, dass der Gastgeber selbst gut vernetzt ist und in der Kommune bekannt“, sagt sie. Dann würden sich auch Gäste finden und könnten die Nachbarschaftstische Realität werden. Dass sich die aufwändige Vorarbeit lohnt und das Konzept aufgehen kann, erlebt sie bei jenen Nachbarschaftstischen, die schon jetzt mit großem Erfolg funktionieren. „Dort, wo es läuft, geht das Konzept voll auf und passiert genau das, was wir erhofft haben“, so  Schalinski. „Die Leute, die als Gruppe zusammenkommen, haben eine solche Freude am Austausch, verstehen sich gut, genießen das gemeinsame Essen und freuen sich schon auf das nächste Mal.“

Fotocredits: Tobias Müller Fachstelle Senioren Landkreis Passau