Flüchtlingsfamilie bei der Ankunft in Deutschland
Flüchtlinge aus Ukraine tun sich schwer, in Deutschland eine Wohnung zu finden.
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Unterbringung

Das hat der Flüchtlingsgipfel gebracht!

Beim jüngsten Flüchtlingsgipfel in Berlin haben die kommunalen Vertreter klargemacht, dass die Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Geflüchteten längst ihre Belastungsgrenze erreicht haben. Sie rechnen damit, dass die Lage sich auch wegen der Situation in den Erdbebengebieten noch verschärfen wird. Die Visa-Erleichterungen für die Erdbebenopfer aus der Türkei und Syrien werden dazu führen, dass zusätzlich Menschen zu ihren Verwandten nach Deutschland kommen werden. Was die Bundesinnenministerin den Kommunen an Unterstützung angeboten hat, was ausblieb!

Es war der zweite Flüchtlingsgipfel seit Oktober vorigen Jahres - und er endete  ohne weitere finanziellen Zusagen. Doch Innenministerin Nancy Faeser bekam in der Konferenz mit kommunalen Vertretern aus Städten, Gemeinden und Landkreisen erneut zu hören, wie sehr die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland unter Druck stehen. Bundeskanzler Olaf Scholz war bei dem rund zweieinhalbstündigen Gespräch nicht dabei, obwohl die Kommunen das gefordert hatten. Die Bundesministerin gab eine geplante Neuerung für die Kommunen und die Länder bekannt!

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland

Die Lage entspannt sich nicht, im Gegenteil: Im vergangenen Jahr waren rund 1,3 Million Schutzsuchende nach Deutschland gekommen, mehr als zum Zeitpunkt der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 und 2016. Der Krieg in der Ukraine dauert an, auch werden nun zusätzlich Menschen aus der Erdbebenregion in der Türkei und Syrien Zuflucht bei uns suchen. Auch die sonstigen Asylanträge steigen. "Allein die Erstanträge im Januar 2023 sind 8 Prozent höher als im Vormonat und  75 Prozent höher als im Vorjahr",  so die Darstellung beim Flüchtlingsgipfel in Berlin.  Die Kommunen machten klar, dass sie nicht nur massive Unterbringungsprobleme sehen, sondern auch die Gefahr, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber der Migration abnimmt.

Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels:

  • Eine Neuerung, die für mehr Transparenz und Planung sorgen kann, betrifft Kommunen und Länder: Die Innenministerin kündigte an, dass der Bund den Kommunen und Ländern in einem aktuellen Lagebild (Dashboard) künftig Informationen über das aktuelle Zuwanderungsgeschehen tagesaktuell zur Verfügung stellen werde. 
  • Bei der Unterbringung haben Bund und Länder signalisiert, zusätzliche Liegenschaften zur Verfügung zu stellen und nicht verbrauchte Mittel der Städtebauförderung - aktuell rund 800 Millionen Euro-  für die Unterbringung bereit zu stellen. Der Staatsekretär im Bundesinnenministerium für Wohnen und Stadtentwicklung, Ralf Bösinger sagte, über die Städtebauförderung von Bund und Ländern können die Kommunen auch kurzfristig leerstehende Gebäude und Wohnungen für Geflüchtete herrichten, Schulen, Stadtteilzentren, Bibliotheken oder öffentliche Plätze sanieren und ausbauen sowie ein Quartiersmanagement einrichten und stärken, das als Ansprechpartner vor Ort die Bedürfnisse aller Menschen unterstützen kann. "Darüber hinaus unterstützen wir die Kommunen mit weiteren Stadtentwicklungsprogrammen und fördern mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds beispielsweise Projekte zur Integration in Arbeit in den Städtebaufördergebieten. Allein in der Städtebauförderung stehen jedes Jahr 790 Millionen Euro zur Verfügung."
  • Über zusätzliche Finanzmittel der Kommunen (und der Länder) soll auf der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Scholz vor Ostern beraten werden.
  • Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen soll gestärkt werden. Dazu sollen Arbeitsgruppen gebildet werden.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund schlug einen Masterplan Migrationspolitik vor und alle kommunalen Vertreter forderten von Bund und Ländern langfristige Strategien.

Der geforderte Masterplan sieht folgende Schritte vor:

  • Es werden deutlich mehr Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder geschaffen und der Bund schafft in seinen Liegenschaften Unterbringungsmöglichkeiten. Diese zusätzlichen Plätze müssen langfristig vorgehalten werden, auch für einen möglichen Katastrophenfall. 
  • Die Integration muss stärker vorangetrieben werden. Notwendig sind mehr Sprachkurse und eine Stärkung von Kitas und Schulen.
  • Eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung. Klare Finanzzusagen von Bund und Ländern, für das Jahr 2024 seien erforderlich, da die Planungen und deren Umsetzung in den Städten und Gemeinden jetzt laufen.
  • Umsetzung einer besseren und gerechteren Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. 
  • Die Verabredung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die EU-Außengrenzen stärker zu sichern, sollte zeitnah umgesetzt werden. Dazu gehört auch politischer Druck, wenn Drittstaaten ihre Bürgerinnen und Bürger, die kein Bleiberecht in der EU haben, nicht zurücknehmen wollen.

 Innenministerin Faeser: Wer Visum erhält

Innenministerin Nancy Faeser betonte, Menschen aus dem Erdbebengebiet  bekämen nur dann ein Visum, wenn deren Angehörige in Deutschland ärztliche Betreuung, Wohnung und Versorgung verbindlich gewährleisten, so die Ministerin. Ein Visum komme nur für Verwandte 1. oder 2. Ordnung in Betracht. Die Ministerin verwies auch darauf, dass die illegale Migration nach Deutschland begrenzt werden müsse. So habe man die Grenzkontrollen zu Österreich wieder in Kraft gesetzt, um so genannte Durchleitungen zu begrenzen. Mit der Schweiz habe man gemeinsame Schleierfahndungen auf den Weg gebracht und kontrolliere in den Zügen und an der Grenze.

Landsberg drängt auf klare finanzielle Zusage

Der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte KOMMUNAL nach dem Gipfel: "Die gemeinsame Erkenntnis aller Beteiligten: Die Lage bleibt schwierig, eine Entspannung ist nicht in Sicht. Die Kommunen erwarten sich bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler vor Ostern eine klare Zusage weiterer finanzieller Unterstützung und die Umsetzung des von uns vorgeschlagenen Masterplans."

Bei der Pressekonferenz nach dem Treffen kam es zu einem emotionalen Ausbruch, als Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, den Saal verließ und "Heuchelei!" rief. Denn die Ergebnisse des Gipfels blieben hinter den Erwartungen der Kommune zurück und sollten nicht  schöngeredet werden. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Reinhard Sager,  zeigte sich ebenfalls enttäuscht: "Dem Ansinnen nach einer erneuten vollständigen Übernahme der Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge hat der Bund eine klare Absage erteilt. Das stößt die Landkreise vor den Kopf. Dabei geht es um 2 Milliarden Euro pro Jahr."