Franz-Eberhofer-Kreisel und Bürgermeister Gassner
Bürgermeister Franz Gassner am Franz-Eberhofer-Kreisel in Frontenhausen alias Niederkaltenkirchen.
© Gudrun Mallwitz

Filmwirtschaft

Die Kommune als Filmkulisse

Deutschlands Städte und kleinste Gemeinden sind immer wieder Schauplatz spannender Geschichten. Wie die Filmindustrie Geld in die Regionen bringt und Film-Touristen sich auf Spurensuche machen. MIt Tipps für Kommunen!

Die Eberhofer-Krimis sind in Bayern absoluter Kult – die Filmserie nach den Romanen von Rita Falk lockt dort inzwischen etwa so viele Zuschauer in die Kinos wie James Bond. Die unterhaltsamen Geschichten um Franz Eberhofer, einen aus München in die tiefste bayerische Provinz versetzten Polizisten, spielen in Niederkaltenkirchen. In Wirklichkeit heißt das Film-Kaff Frontenhausen und der „echte“ Bürgermeister ist ganz und gar nicht unsympathisch, so wie der Bürgermeister im Film. Frontenhausen ist auch viel schöner als Niederkaltenkirchen. „Wenn das Filmteam kommt, wird unser Ort jedes Mal abgeschminkt“, sagt Franz Gassner. „Dann muss selbst der Blumenschmuck weg.“ Und trotzdem kommen sie in Scharen – die Filmtouristen auf den Spuren vom Eberhofer Franz, seiner Freundin Susi und den anderen markanten Charakteren."

Kommunen dienen als Film-Schauplatz

Deutschlands Städte und Gemeinden sind immer wieder Schauplatz spannender Geschichten: Ob internationale Koproduktion, großes Filmkino oder beliebte TV-Serie – die Kommunen bilden die Kulisse. Doch was bringt der beträchtliche Aufwand im Ort der Kommune tatsächlich? Wieweit profitiert eine Region davon, dass sie in Film vorkommt? Und: Wie funktioniert das mit den Drehgenehmigungen?

Filmförderung - Regionen müssen profitieren

Dass Regionen als Filmkulisse vom Erfolg der Filme profitieren sollen, schreibt die Filmförderung in Deutschland sogar vor. Je stärker ein Film gefördert wird, desto höher muss der sogenannte Regionaleff ekt ausfallen. Dreharbeiten und Film bringen Geld in die Region – etwa für die Location, für Dienstleister, wie Hotels, Restaurants, Handwerk, Handel. Aber auch Anwohner können profitieren, wenn sie als Komparsen mitmachen können. So hat das staatliche Filmförderungsunternehmen Medienboard Berlin-Brandenburg im vergangenen Jahr 33,6 Millionen Euro in die Filmförderung gesteckt, in der Region wurden laut Medienboard mehr als 184 Millionen Euro ausgegeben.

Filme und Serien als Stadtmarketing

Die Geschäftsführerin des Medienboards Berlin-Brandenburg, Kirsten Niehuus, rät den Kommunen: „Filme und Serien sind sehr gute Tools für Tourismus und Standortmarketing.“ Nicht erst seit „Babylon Berlin“ steigt die Nachfrage nach Filmlocation-Touren in der Hauptstadt. „Bibi und Tina“ wecken bei ihrem Millionenpublikum Sehnsucht nach dem sommerlichen Brandenburg. Und wer hätte gedacht, dass Lady Di in „Spencer“im Potsdamer Schloss Marquardt residiert? Der Film war auf den Filmfestspielen von Venedig vor internationalem Publikum zu sehen. „Für die Dreharbeiten reisen bis zu 100 Crewmitglieder an, die bisweilen mehrere Wochen am Stück übernachten, dort essen und mitsamt Equipment transportiert werden müssen“, so Niehuus. „Neben Tourismus und Stadtmarketing profi tieren damit auch lokale Gastro, Hotellerie und Logistik von Dreharbeiten“, betont sie.

Bürgermeister von Frontenhausen alias Niederkaltenkirchen

 „Ich hatte mich vorher nie mit Filmtourismus beschäftigt“, räumt Frontenhausens Bürgermeister Gassner ein. „Und kann nur sagen: Für unsere 4.800-Einwohner-Marktgemeinde sind die Eberhofer-Krimis ein Hauptgewinn.“ 2013 kam Dampfnudelblues, der erste Eberhofer in die Kinos, in diesem August Guglhupfgeschwader. Er landete auf Platz 1 der deutschen Kinocharts. Wie in den sieben Folgen davor spielt ein Kreisverkehr, 500 Meter vom Ortszentrum entfernt, seine bewährte Rolle. Die Protagonisten drehen hier bevorzugt nachts ihre Runden, auch die Film-Polizisten sind dabei nicht immer nüchtern. Beim KOMMUNAL-Besuch zeigt uns Bürgermeister Gassner das am meisten besuchte Ausflugsziel in der Region um Dingolfi ng. Er klingt richtig stolz, als er sagt: „Das ist der berühmteste Kreisel der deutschen Filmgeschichte.“

Ein Trampelpfad führt direkt auf den Kreisverkehr. Inzwischen hat die Gemeinde sogar einen eigenen Schotterweg angelegt und einen Parkplatz neu geschaff en. Denn die Fans kommen zuweilen in Scharen. In der Mitte des Kreisverkehrs, auf der begrünten Insel, steht der Eberhofer Franz mit seinem Freund und Privatdetektiv, dem Birkenberger Rudi. Die Metallinstallation ist vier Meter hoch und 1,50 Meter breit und damit unübersehbar. Den „FranzEberhofer-Kreisel“ hat die Gemeinde im August 2018 eröffnet. Den Besuchern macht es nicht nur Spaß, sich den berühmt-berüchtigten Kreisel anzusehen, viele drehen ihre Runden - manche halten das Auto dabei mitten in der Kurve einfach an. „Gott sei Dank“, so sagt der Bürgermeister. „ist bisher noch nichts passiert.“

Eberhofer-Fans zu Besuch in Marktgemeinde

Was machen die Eberhofer-Fans sonst noch in Frontenhausen? „Sie gehen zur Metzgerei Simmerl und kaufen sich dort ein Leberkäs-Semmerl, wie es der Franz immer tut“, erzählt der Bürgermeister. In Wirklichkeit heißt die Metzgerei Stadler, sie wirbt mit der „Original Eberhofer-Leberkässemmel“. Mitarbeiterin Lidia Lehmann erzählt: „Es kommen sehr viele Eberhofer-Fans von überall zu uns“. Für die Fans hat die Kommune eigens einen Flyer drucken lassen: „Filmkulisse Frontenhausen, das echte  Niederkaltenkirchen“. Auf einer Karte sind die wichtigsten Drehorte eingezeichnet. Dazu gehört auch der Friedhof, auf dem die Oma von der Susi beerdigt wurde. Nur beim Swingerclub Flötztime ist ein Fragezeichen gesetzt. Den hat Frontenhausen in Wirklichkeit nicht zu bieten. Die Besucher lassen ihr Geld auch im von der Gemeinde erworbenen und sanierten Gasthof zur Post und im örtlichen Café. „Für uns ist das Ganze vor allem ein riesiger Imagegewinn“, sagt Bürgermeister Gassner. Frontenhausen wurde 2017 als bayerischer Drehort des Jahres in Silber ausgezeichnet. Anderen Kommunen rät er: „Ich kann Ihnen nur empfehlen, dass Sie offen sind für Anfragen, sie können das Filmteam mit einfachen Mitteln unterstützen, wenn die Feuerwehr, wenn der Bauhof mithilft ...“

Metzgerei Simmerl/Stadler Mitarbeiterin
Mitarbeiterin in der Metzgerei Simmerl, in Wirklichkeit heißt das Geschäft Stadller.

Lüneburg: TV-Serie Rote Rosen lockt Touristen an

Nach dem Film haben – wenn es gut läuft - die Filmtouristen ihren Auftritt. In Lüneburg zum Beispiel, Drehort der TV-Serie „Rote Rosen“. Die Stadt bietet seit Jahren erfolgreich Spaziergänge an die Drehorte an. Mehrere tausend Folgen wurden seit November 2006 ausgestrahlt. Täglich wird eine neue Folge gedreht. „Wir liegen aktuell bei durchschnittlich 1,2 Millionen Zuschauer im linearen Fernsehen“, sagt eine Sprecherin von Studio Hamburg. „Zusätzlich kommen noch die Klicks aus der Mediathek dazu, also noch gut 200.000 Zuschauer. Und wie läuft die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung? „Da haben wir großes Glück. Wir arbeiten sehr gut und eng mit der Hansestadt zusammen“, sagt sie auf Anfrage von KOMMUNAL. Lüneburg profitiert enorm von der Serie. „Die Zahlen im Tourismus haben sich seit Sendebeginn um 40 Prozent gesteigert. Wir dürfen auch recht spontan mal Änderungen bei der Stadt anmelden. Das wäre ohne eine so enge Zusammenarbeit gar nicht möglich.“

Krimi aus Passau bringt kostenlosen Werbeeffekt

Das Potential für Städte und Destinationen, die in TV-Filmen, Serien oder Kinofilmen platziert werden, ist riesig. Der Gesamtmarkt für Filmtourismus beträgt laut Experten derzeit weltweit 80 Millionen Touristen pro Jahr. Dies entspricht sechs Prozent des jährlichen globalen Reisevolumens im Freizeittourismus. Eine Studie des Instituts Centouris der Universität Passau hat sich mit dem Krimi aus Passau beschäftigt. Die Stadt war Kulisse für eine neue ARD-Krimireihe. Bisher sind fünf Folgen abgedreht. Bürger befragt, die mindestens einen der beiden Krimis aus Passau gesehen haben, wurde online befragt. Fast jeder zweite Befragte gab ein hohes Interesse an, die Stadt besuchen zu wollen. „Bei der überwiegenden Mehrheit entstehen FilmErinnerungen mit direktem Passau-Bezug, was einem sehr wertvollen und gleichzeitig kostenlosen Werbeeffekt für die Stadt Passau gleichkommt“, so die Experten. „Wir schätzen das Werbeäquivalent der ersten TV-Ausstrahlung des Krimis auf über neun Millionen Euro. Diesen Betrag hätte die Stadt Passau für einen kommerziellen Beitrag an gleicher Stelle bezahlen müssen“, stellt die Projektleiterin Brigitte Franz fest.

Krimi aus Passau
Ferdinand Zankl (Michael Ostrowski) und Mia Bader (Nadja Sabersky) vor der Bäckerei im Krimi aus Passau.                    ARD/Degeto/BR/Hager Moss Film GmbH/Hendrik Heiden

Drehgenehmigungen über die Stadt Passau

Wie läuft das mit der Drehgenehmigung? „Dreharbeiten auf öff entlichen Flächen in der Stadt Passau sowie in städtischen Gebäuden sind bei uns grundsätzlich beim Büro des Oberbürgermeisters anzumelden“, erläutert Passaus Tourismusdirektorin Pia Olligschläger. „Ansprechpartner für Drehgenehmigungen, Ausnahmegenehmigungen oder Straßensperren ist das Ordnungsamt der Stadt.“ Bei Film- und Fotoaufnahmen mit geringem Aufwand auf öff entlichen Flächen sei in der Regel keine Drehgenehmigung erforderlich. Aufwendigere Dreharbeiten müssen immer durch das Ordnungsamt genehmigt werden. Wichtig ist, bei jedem Filmdreh die Bevölkerung mit einzubeziehen. "Die Bürger fanden es toll, dass bei uns gedreht wird und zeigen auch viel Verständnis, wenn eine Straße dafür vorübergehend gesperrt werden muss“, sagt Olligschläger. Manchmal beeinflussen die Bürger sogar den Film. Die Bäckerei, die in den Krimis vorkommt, ist nach einer der Gästeführerinnen benannt, die dem Filmteam bei Recherchearbeiten zur Seite stand: Anneliese Hertel.

Mehrere Anbieter bieten inzwischen spezielle Gästeführungen zum Krimi aus Passau an.“

Pia Olligschläger, Tourismusdirektorin von Passau

Immer wieder fragen Besucher dabei seit der Krimi-Reihe nach der Donau-Nixe. Doch die Skulptur am Fluss gibt es in der Dreifl üssestadt gar nicht. Auch Frontenhausens Bürgermeister Franz Gassner kann bestätigen, dass die Realität oft für Überraschung sorgt. Was ihn besonders freut: „Unsere Gäste versichern uns immer wieder, dass Frontenhausen viel schöner ist als Niederkaltenkirchen im Film.“ Der Film-Ort muss also nicht einmal schön sein, um Touristen anzulocken.