Sebastian Hentschel ist Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Leegebruch und hat uns bei unserem Praktikumstag zur Seite gestanden.
Sebastian Hentschel ist Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Leegebruch und hat uns bei unserem Praktikumstag zur Seite gestanden.
© Sebastian Hentschel

Mit Kinderträumen für die Feuerwehr werben

21. Oktober 2019
Die Freiwillige Feuerwehr im brandenburgischen Leegebruch hat seit Jahren viele Aktive. Was macht sie richtig? Und welche Rolle spielt die Kommune dabei? Unsere Redakteurinnen, Njemah Drammeh und Rebecca Piron, wollten das herausfinden und haben die kleine Gemeinde besucht.

In der Feuerwache Leegebruch stehen uns 40 Feuerwehrleute in Schutzanzügen, Helmen und Stiefeln gegenüber. Donnerstags von 19 bis 21 Uhr finden sich alle Aktiven zu einem Übungsdienst zusammen. Für eine Freiwillige Feuerwehr ein sehr erfreuliches Bild: Es schauen uns viele junge Gesichter entgegen und auch einige Frauen sind unter den Feuerwehrleuten. Neben uns hat sich Wehrführer Sebastian postiert, der die Donnerstagsübung mit einer kurzen Ansprache beginnt: „So, heute geht es an die Gerätepflege“, sagt er. „Wie ihr wisst, ist es wichtig, dass sich dabei jeder noch einmal mit dem Gerät vertraut macht, das er länger nicht mehr im Einsatz benutzt hat.“ Denn das ist bei Freiwilligen Feuerwehren häufig ein Problem. In diesem Jahr wurde die Freiwillige Feuerwehr Leegebruch zu 34 Einsätzen gerufen. Natürlich rücken nicht jedes Mal alle aktiven Mitglieder aus. Also kann es leicht vorkommen, dass ein Mitglied bestimmte Einsatzgeräte monatelang nicht benutzt hat. Mit der Gerätepflege und –kunde, die bei den Übungsdiensten betrieben wird, stellt die Feuerwehr deshalb sicher, dass die Feuerwehrleute bei Einsätzen trotzdem jederzeit bestens vorbereitet sind.

Die Gerätepflege ist nicht die spannendste Aufgabe der Freiwilligen Feuerwehr, aber sie ist essentiell wichtig, damit die Feuerwehrleute jederzeit vertraut mit ihrem Gerät sind.
Die Gerätepflege ist nicht die spannendste Aufgabe der Freiwilligen Feuerwehr, aber sie ist essentiell wichtig, damit die Feuerwehrleute jederzeit vertraut mit ihrem Gerät sind.

Holger, Maik und Kai haben einen Sonderauftrag für den Abend. „Wir müssen die Brandsicherheit bei einem Privatweg überprüfen“, erklärt uns Holger. „Die Anwohner haben vor, den Weg mit Schranken zu begrenzen.“ Mit den Dreien fahren wir zur Begehung raus. Die betref­fende Straße ist nicht befestigt, weil „sich der Bauherr abgesetzt hat“, wie uns Maik erzählt. Die Anwohner sind für die Verkehrssicherheit zuständig, möchten aber nicht noch einmal für die Erschließung zahlen. Daher nun die Schranken-Lösung. „Der Hydrant auf dem Weg ist mit einem Betonring umfasst und mit Unkraut zugewachsen“, bemängelt Holger. „Damit wir mit unseren Einsatzfahrzeugen ordentlich in die Straße einfahren können, müssen die Schranken mindestens vier Meter breit sein.“ Wenn die Anwohner sich darum kümmern, steht ihren Plänen aus Brandschutzgründen nichts mehr im Weg. „Die Begehung ist sehr wichtig für uns“, sagt Holger. „Jetzt wissen die Anwohner vorher, worauf sie achten müssen und wir müssen uns nicht nachträglich mit ihnen anlegen. Da hilft unser guter Draht zur Kommune.“

Zur Feuerwehr zu gehören ist oft schon ein Kindheitstraum

Auf dem Rückweg kommen die Drei ins Erzählen. Kai, der sich seit zwölf Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr in Leegebruch engagiert, ist über seinen Großvater eingestiegen. „Er hat mich häufig mit zur Feuerwache genommen“, erzählt Kai. „Und wenn er zu Einsätzen rausfahren musste, bin ich komplett durchgedreht. In meinem Kopf habe ich mir die krassesten Actionszenen vorgestellt.“ Deshalb ist Kai schon früh in die Jugendfeuerwehr eingetreten. Heute bestehen die meisten Einsätze aus Hilfeleistungen. So muss mal eine Ölspur beseitigt, ein Baumstamm von der Straße entfernt, ein Hubschrauberlandeplatz in der Nacht ausgeleuchtet oder im Notfall Türen aufgebrochen werden. Und nach 12 Jahren ist Kai immer noch mit Spaß dabei. Wir kommen wieder in der Feuerwache an und werden von Wehrleiter Sebastian empfangen. Genau wie Kai ist er über seine Familie zur Freiwilligen Feuerwehr gekommen. Sein Vater und sein Onkel waren schon in der DDR aktiv und haben ihn motiviert, in die Jugendfeuerwehr einzutreten. Von dort aus war der Weg zum Wehrführer nicht mehr weit. „Die Feuerwehr hat den Ruf, viel zu saufen“, lacht Sebastian. „Aber ganz ehrlich, das Beisammensitzen bei einem Bierchen gehört auch dazu. Denn es hilft, über schwierige Einsätze zu sprechen und das Vertrauen zu stärken. Im Einsatz kann auch das eigene Leben von der Mitarbeit anderer Kameraden abhängen. Um die Stimmung zu verbessern, machen wir viele Team-Building-Maßnahmen, haben Festivitäten wie etwa das Stiftungsfest oder fahren zur Partnerfeuerwehr.“ Und das merkt man auch im Übungsdienst. Alle arbeiten selbstverständlich zusammen, scherzen miteinander und haben Spaß. Sogar einige ältere Mitglieder, die nicht mehr aktiv sind, sind da und versorgen alle mit Grillgut und Getränken.

Helfen können wir den Feuerwehrleuten kaum, aber mit der richtigen Ausrüstung können wir mit dem Leiterwagen fahren und uns alles aus der Nähe ansehen.
Helfen können wir den Feuerwehrleuten kaum, aber mit der richtigen Ausrüstung können wir mit dem Leiterwagen fahren und uns alles aus der Nähe ansehen.

Momentan erreicht die Feuerwehr mit 37 Mitgliedern nicht ganz die vorgeschriebene Anzahl von 42. Dennoch kamen in den letzten Jahren neue Gesichter hinzu. „Wir hatten Glück im Unglück. Viele Einwohner hatten jahrelang nicht auf dem Schirm, was wir leisten. Das hat sich mit dem Hochwasser im Jahr 2017 schlagartig geändert.“ Das Wasser stand so hoch, dass Häuser vollliefen und die Kanalisation zusammenbrach. „Wir haben Tag und Nacht teils ohne Pause gearbeitet, das hat vielen imponiert, weshalb sie ebenfalls helfen wollten und der Feuerwehr beigetreten sind“, erzählt Sebastian. Was der Feuerwehr auch zu Gute kommt: Die Gemeinde zieht junge Menschen an, weil sie nicht nur Eigentumshäuser sondern auch Mietwohnungen anbietet. Und je mehr – gerade junge – Einwohner eine Gemeinde hat, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Feuerwehr mehr Mitglieder bekommt.

Der Frauenanteil in der Feuerwehr Leegebruch steigt

Hinzu kommt, dass die Feuerwehr großen Wert auf die Nachwuchsgewinnung legt. Denn die Erfahrung zeigt, wer im jugendlichen Alter dabei ist, bleibt es auch im Erwachsenenalter. Regelmäßig gehen die Feuerwehrleute in Schulen, Krippen und Kindergärten und machen dort Werbung für den Dienst. In den Schulen bringen sie den Kindern außerdem die Grundlagen des Brandschutzes bei. Erklären, wie schnell eine Wohnung brennen kann oder Gefahrensituationen entstehen. Mindestens ein Mal im Monat können die Kleinen auch zur Wache kommen und die Kleidung, die Fahrzeuge und die Geräte bestaunen. „Wir setzen dabei auf Kinderträume und lassen die Kleinen bei uns Helden spielen“, sagt Sebastian, während er uns die imposanten Fahrzeuge zeigt. Die Schutzkleidung hängt feinsäuberlich sortiert in den Spinden und ist mit Namensschildchen versehen. Sebastian bleibt stehen: „Bei uns lernen die Kinder etwas fürs Leben. Nämlich für andere da zu sein, wenn es andere nicht können oder zu helfen, wenn andere weggucken.“ Mittlerweile gibt es auch vier Frauen in der Freiwilligen Feuerwehr. Doch: Wie hat die Freiwillige Feuerwehr sie für den Einsatz begeistern können? Tatsächlich, so erzählt uns Sebastian, hat es nur eine einzige Frau gebraucht, um schnell die nächsten zu gewinnen. „Wenn erst einmal eine Frau in der Feuerwehr ist, trauen sich andere auch eher. Weil sie eine Bezugsperson haben.“

Ausbildungsplätze vom Land sind Mangelware

Trotz der aktuell guten Situation bereitet ihm die Zukunft Sorgen. Denn in den nächsten drei bis fünf Jahren gehen zwei Führungskräfte in Rente. Und obwohl er schon Anwärter für die Positionen gefunden hat, können diese nicht ausgebildet werden. Die Lehrgänge werden vom Land vergeben und sind leider rar. „Der Ausbildungsstandort in Eisenhüttenstadt ist problematisch. Denn seien wir mal ganz ehrlich: Wer möchte schon an den östlichsten Rand von Brandenburg ziehen? Die Wenigsten! Und deshalb gibt es einen gravierenden Lehrermangel.“ Die Ausbildungsplätze zu ergattern, die die Feuerwehr gerade dringend benötigt, ist dadurch nicht immer leicht. Das macht die Zukunft von Leegebruch ungewiss.

Während die Zusammenarbeit mit dem Land nicht optimal läuft, sieht Sebastian auf Gemeindeebene keine Probleme. Für ihn gibt es zwei Grundsätze für eine gute Zusammenarbeit: Das sind zum einen Wertschätzung und Anerkennung und zum anderen, dass Gelder für die Ausbildung zur Verfügung gestellt werden. „Wir sind froh, dass wir nicht mehr jeden Tag um die Anerkennung kämpfen müssen, sondern dass der Bürgermeister und die Einwohner sehen, was für einen wertvollen Beitrag wir als Feuerwehr für die Gemeinschaft leisten.“