Kati Wenzel
Kati Wenzel, Bürgermeisterin von Jonsdorf: "Schon die Kleinen sollen mitreden."
© Philipp HerfortPhotography

Bürgermeisteramt

Jonsdorf will familienfreundlich sein

Kati Wenzel, Bürgermeisterin von Jonsdorf im Zittauer Gebirge, lässt schon die Kleinen in der Gemeinde mitreden. Auch die Vereine sollen für den Nachwuchs attraktiv sein. Unsere Bürgermeisterin des Monats!

Pfeifend und schnaufend fährt die alte Dampfeisenbahn in den Bahnhof Jonsdorf ein. Der Kurort im Zittauer Gebirge, direkt an der tschechischen Grenze, ist seit über 100 Jahren durch die Schmalspurbahn mit der Welt verbunden. Heute freilich sind es vor allem Wanderer und Tagestouristen, die die historischen Züge nutzen. Und auf ihrem Weg vom Bahnhof Jonsdorf in die Berge kommen sie nicht nur an einem mustergültig ausgebauten Fremdenverkehrsbüro mit Zimmervermittlung und WLAN vorbei. Sie sehen auch das Gemeindeamt, wo die ehrenamtliche Bürgermeisterin Kati Wenzel ihren Dienstsitz hat.

Familienfreundlich und Kurort

„Wir sind der familienfreundlichste Luftkurort überhaupt“, stellt die Bürgermeisterin ihre Gemeinde vor. Der 1.500 Einwohner-Ort zählt jährlich 85.000 Übernachtungen von Feriengästen: Der Ort lebt vom Tourismus. Die Kurtaxe macht einen großen Teil des Gemeindebudgets aus. „Damit finanzieren wir die Pflege unserer Parks, die Spielplätze, die Instandhaltung“, sagt Wenzel. Doch Jonsdorf kämpft auch mit dem Klimawandel. „Wir stehen vor der Herausforderung, dass wir nicht mehr zu einhundert Prozent schneesichere Winter haben“, sagt Wenzel. „Wir müssen deswegen Alternativen zum Wintersport finden.“

Die so genannte Jonsdorf-Runde für den Langlauf ist nicht mehr gesichert, auch die Skiwanderwege im Zittauer Gebirge sind nicht mehr durchgehend passierbar. „Wir haben zum Glück eine Eishalle und ein Schmetterlingshaus im Ort“, sagt Wenzel. „Und wir hoffen, auch die Waldbühne in Jonsdorf zukünftig als Winterattraktion gestalten zu können, so dass es auch für Touristen schneefreie Attraktionen gibt.“ Mittlerweile gibt es in Jonsdorf auch eine Ladestation für eBikes. „Und es ist auch bemerkbar, dass ein anderes Klientel mit dem Fahrrad nach Johnsdof kommt“, fällt Kati Wenzel auf. „Bisher waren es nur die besonders sportlichen, die es auf diesem Weg bis zu uns geschafft haben.“

Ausgebildete Bankkauffrau als Bürgermeisterin

In der Kommunalpolitik ist die ausgebildete Bankkauffrau erst seit 2019 aktiv. „Wir sind als junge Familie nach Jonsdorf gezogen, weil die Infrastruktur hier so gut ist: Bäcker, Fleischer, Arztpraxis, Kinderkrippe und Kindergarten, Grundschule, Kaufhalle, alles ist da“, sagt Wenzel. „Und weil wir uns hier engagieren wollten, wollte ich Gemeinderätin werden.“ Doch dann kam der Bürgermeister auf sie zu. „Kati, wenn Du Gemeinderätin werden willst, willst Du nicht auch Bürgermeisterin werden – und dann habe ich gesagt: Warum denn nicht?“ Selbst sah sie ihre Chancen auf das Amt nicht als unbedingt groß an: Sie war ortsfremd, eine junge Frau – und wurde dann doch die erste Bürgermeisterin in der  Ortsgeschichte. des kleinen Kurortes. „Am Tag nach der Wahl habe ich meine Familie ins Auto gepackt, und wir sind an die Ostsee gefahren“, erinnert sich Wenzel. „Das Telefon hat unentwegt geklingelt, aber ich wollte es erst einmal sacken lassen – und habe mich gut gefühlt.“

Eine Woche nach Geburt des Kindes im Büro

Doch als sie nach Jonsdorf zurückkam, wurde sie von allen Seiten unterstützt. „Mein Vorgänger hat mich schon vor meinem Amtsantritt zu allen Sitzungen mitgenommen und vorgestellt – dadurch war ich dann schon etwas in der Materie drin“, sagt Wenzel. Wichtig ist der Jonsdorferin, dass sich im Ort ein Wir-Gefühl bildet. „Ich habe immer darum gebeten, dass alle ihre Meinungen einbringen“, sagt Wenzel. „Jeder soll ein Mitspracherecht haben, es soll demokratisch gehandhabt werden – das so umzusetzen, dass es für alle zufriedenstellend ist,

ist eine große Herausforderung.“ Und dann kam Willi. Wenige Monate nach ihrem Amtsantritt merkte Kati Wenzel, dass sie erneut schwanger war. „Das wurde im Ort zuerst ganz ganz kritisch gesehen“, sagte Wenzel. „Ich gebe zu, es war kein Wunschkind, das muss man einfach dazu sagen.“ Aber dann lief es doch besser als erwartet: In der Schwangerschaft war Kati Wenzel fünf Tage pro Woche im Büro. „Ich hatte im Hinterkopf: Ich muss denen zeigen, dass ich das kann“, sagt Wenzel. So ging es bis zur Geburt des Kindes: „Donnerstag war Gemeinderatssitzung und Montag kam Willi – und eine Woche später saß ich mit Willi wieder im Büro.“

Das hat der Bürgermeisterin in Jonsdorf Respekt eingebracht. „Wenn bei der Geburt etwas schiefgegangen wäre, wäre mein Stellvertreter sofort eingesprungen“, sagt Wenzel. „Aber es ist alles gut gegangen, ich war wieder da – und wenn nicht die Bürgermeisterin den familienfreundlichen Ort vorlebt, wer dann?“ Viele Dinge im Ort, die mit Familien zu tun haben, erlebt Kati Wenzel selbst: Sie kennt den Zustand der Spielplätze und weiß, wie die Situation in der Kinderkrippe und in der Kita ist. „Den baulichen Zustand in der Kita habe ich das erste Mal bewusst erlebt, als ich selbst ein Kind dort abgegeben habe“, sagt Wenzel. „Da merkt man dann, dass zum Beispiel der Waschraum in der Kinderkrippe nicht dort platziert ist, wo er sinnvollerweise sein sollte.“

Jonsdorf
Jonsdorf will Kindern und Familien viel bieten.

Kindergemeinderat geplant

Ein Projekt, das Wenzel gern noch mit der örtlichen Grundschule umsetzen möchte, ist ein Kindergemeinderat. Denn auch die Jüngsten sollen mit ihren Wünschen und Anliegen in Jonsdorf gehört werden. „In der Kita wird es schon umgesetzt: Da werden die Kinder zum Beispiel bei Entscheidungen über die Wand- oder Raumgestaltung einbezogen“, sagt Wenzel. „Und wir bemühen uns darum, dass in den Jonsdorfer Vereinen, etwa in der Volksspielkunst  „Thalia", eine Kinder und Jugendgruppe gibt.“

Vereine für Nachwuchs attraktiv

Denn die traditionellen Vereine des Ortes sollen eine Chance haben, Nachwuchs zu gewinnen – und die Kinder und Jugendlichen stärker am Gemeindeleben teilhaben. Zum Beispiel auch beim Jonsdorfer Lebendigen Adventskalender, wo die Kinder und Jugendlichen mit Musik und Theaterstücken mitwirken. Und auch wenn das Gemeindeamt vor Weihnachten oder Ostern festlich dekoriert wird, sind es vor allem Bastelarbeiten der Kinder und Jugendlichen der Gemeinde, die dort zum Einsatz kommen. „ Das ist dann so ein Miteinander, wo ich sage: Das ist familienfreundlich. Das ist ein WIR“, sagt Wenzel. „Wenn alte und junge Menschen in der Kommune etwas gemeinsam miteinander machen.“

Keine Probleme gibt es in der Jonsdorfer Kommunalpolitik mit der AfD oder dem Rechtsextremismus, sagt die Bürgermeisterin. „Ich versuche, eine Bürgermeisterin für alle Bürger zu sein“, sagt Wenzel. „Es darf jeder seine Meinung haben, aber ich wünsche mir ein friedliches und konstruktives Miteinander.“

Für sie haben alle demokratischen Positionen eine Daseinsberechtigung. „Es sollte verbal bleiben, es sollte nicht unter die Gürtellinie gehen – und meine Grenze ist erreicht, wenn es handgreiflich wird.“ Und das macht für Kati Wenzel auch eine gute Bürgermeisterin aus: „Jeden Einwohner mitnehmen bei jedem Vorhaben, sich Zeit zu nehmen, ihn anzuhören – Sorgen anhören, Wünsche anhören und auch Kritik“, sagt die Bürgermeisterin. Es gehe aber auch darum, Menschen aktivieren zu können. „Und vor allem muss man die Gemeinschaft im Ort auch selber vorleben.