Matthias Dombert über externe Beauftragte in Kommunalparlamenten

Interview mit Jurist Matthias Dombert

Externe Beauftragte - Gemeinderäte sollten verbal abrüsten

Wenn die Kommunalaufsicht die Sitzungen des Gemeinderates führen muss – ein Gespräch mit dem Juristen Matthias Dombert über sinkende Gestaltungsspielräume und die Verrechtlichung der Kommunalpolitik.

KOMMUNAL: Herr Dombert, Sie leiten in einer Brandenburger Gemeinde im Moment die Sitzungen des Gemeinderates. Warum? 

Matthias Dombert: Die Kommunalaufsicht hat Anlass gehabt, an der Amtsausübung des ehrenamtlichen Bürgermeisters Zweifel zu haben, weil Rechtmäßigkeitsanforderungen nicht gewahrt worden sind. Die eigentlichen Gründe unterliegen dem Gebot der Verschwiegenheit. Aber wenn man weiß, dass so etwas erst nach ganz erheblichen Rechtsverstößen geschieht, kann man sich vorstellen, dass es dafür mehrere Anlässe gab. 

Passiert so etwas denn häufiger? 

Es fällt auf, dass sich die Kommunalpolitik verändert hat. Sie ist komplizierter geworden. Die Verrechtlichung ist vorangeschritten. Ein Gemeindevertreter muss sich vom Baurecht bis zum Sozialrecht mit sehr komplexen Sachverhalten auseinandersetzen. In dem Maße, wie der Staat sich verrechtlicht, und seine Kommunen in den Dienst nimmt, wird aber der Gestaltungsspielraum geringer. Das schafft Frust und sorgt dafür, dass die Verantwortung zunehmend bei den Hauptamtlichen gesucht wird. Und: Das Streben nach Vereinfachung ist auch auf einen Ruf nach vereinfachten Lösungen zurückzuführen. Dass ein Gemeindevertreter haftungsrechtlich ein ehrenamtlicher Beamter ist, heißt: Er hat sich nach Recht und Gesetz zu verhalten. In dem Maße, in dem er dagegen verstößt, kommt es eben zur Beauftragung externer Beauftragten.  

 

Was sind denn die häufigsten Probleme, weswegen externe Beauftragte eingesetzt werden? 

Es gibt eine Gruppe von Fällen, da haben sich Gemeindevertretung und hauptamtliche Verwaltung so zerstritten, dass ein fremder Dritter als Streitschlichter auftreten muss, um für rechtmäßige Zustände zu sorgen. Es gibt auch Konstellationen, da versucht der Hauptverwaltungsbeamte Kommunalpolitik allein mit dem Gesetzbuch unter dem Arm zu machen. Es braucht dazu aber auch Dialog. Ich selbst bin jetzt zum zweiten Mal in meinem Anwaltsleben Beauftragter. Und ein Partner aus meiner Kanzlei verwaltet derzeit ein ganzes Amt...  

Nehmen solche Fälle zu? 

Ich kann das nicht repräsentativ darstellen. Aber wir kennen auch über Brandenburg hinaus Fälle, wo die Kommunalaufsicht Amtshaftungsansprüche auch gegen ehrenamtliche Gemeindevertreter prüfen ließ. Und wenn Sie dann noch sehen, dass Bürgermeister und Kommunalpolitiker immer öfter gegen Beleidigungen und Bedrohungen im Netz wehren müssen, dann stelle ich das schon in einen Zusammenhang mit meinen Beobachtungen... 

Und Sie kommen daraus zu welchem Schluss? 

Wir müssen uns noch einmal auf die Kommunalpolitik rückbesinnen. Es geht hier nicht um dogmatisierte, gesellschaftspolitische Gestaltung, sondern um die Lösung praktischer Probleme vor Ort und das gesellschaftliche Miteinander. Wir müssen dringend verbal abrüsten und uns im Klaren darüber sein, dass eine Gemeindevertretung kein Parlament ist. Wenn in der Lokalpresse von „Kommunalparlament“ und „Abgeordneten“ und „Mehrheitsfraktion“ die Rede ist, dann sind das Begriffe, die da fehlplatziert sind. Parlamente und Abgeordnete haben wir nur in Bundestag und Landtag. Gemeindevertretungen sind kein Parlament, sondern ein Organ der Selbstverwaltungskörperschaft. 

Wie müsste es denn aussehen, damit es funktioniert? 

Wenn die Kommunen nicht richtig ausgestattet werden, nehmen sie das Geld aus dem Topf für die Selbstverwaltung. Es gibt Kommunen, die den Geburtstagsstrauß streichen müssen, oder die die Straßenbeleuchtung ausschalten. Der Selbstverwaltungscharakter wird immer geringer. In manchen Kommunen sind 97 Prozent des Haushalts für staatliche Aufgaben vorgesehen. Da ist nichts mit Mitbestimmung, nichts mit „Freiem Mandat“. Die Gestaltungsspielräume der Gemeinderäte werden immer geringer. Das ist die Ursache für die Unzufriedenheit und die Probleme, die wir vielerorts haben. 

Was sind die Symptome dafür, dass irgendwo Probleme drohen? Woran merkt man, dass ein Bevollmächtigter nötig wird? 

Es ist vor allem das Ausmaß der Beanstandungen durch die Kommunalaufsicht. Um ein fiktives, und natürlich völlig aus der Luft gegriffenes Beispiel zu nennen: Ein Bürgermeister darf nicht am 23. Dezember oder am Freitag Abend um 22:30 Uhr zu einer Sitzung einladen. Es gibt immer Anzeichen. Irgendwann sagt dann die Kommunalaufsicht, es ist genug, und beginnt, eine Frist zu setzen. Wieder ein völlig fiktives Beispiel: Wenn der Winterdienst geregelt werden muss, alle Verträge fertig sind, aber die Gemeindevertretung im Winter nicht vorankommt – dann braucht man eben irgendwann einen Externen. 

Wie ist es denn mit der Qualifikation der Gemeindevertreter und Bürgermeister? 

Der Bundesgerichtshof ist da ganz strikt: Jeder der am Tisch einer Gemeindevertretung sitzt, hat die dafür nötigen Kenntnisse mitzubringen. Es ist nicht möglich, die Folgen von Unwissenheit auf die Bürger abzuwälzen. Und da leiden wir natürlich unter dem Problem, dass wir keine Leute mehr finden. Aber da wo ich hinkomme – auch als Anwalt, der viele Gemeinden berät – sehe ich oft, dass ganz viel Publikum im Saal sitzt. Das erfüllt mich durchaus mit Freude – es wäre nur schön, wenn das auch eine Entsprechung in der Bereitschaft fände, sich auch selbst politisch einzubringen.