Wohin geht die Energieversorgung der Zukunft?
Putins Krieg in der Ukraine macht deutlich: Unsere Energieversorgung muss variabler und erneuerbar werden
© 123rf.com/profile_leowolfert

Ukraine-Krieg

Energieversorgung: So abhängig sind Kommunen von Putins Gas

Gas, Öl und Kohle aus Putins Reich - ein Auslaufmodell. Eine kleine KOMMUNAL-Umfrage in deutschen Kommunen zeigt: Für einige Kommunen ist der Ausstieg mittelfristig vielleicht kompensierbar - für andere nicht. In einer Großstadt wie Dortmund wird es ganz schwierig. In Heidelberg ist man schon ganz gut aufgestellt, in Wesel steht die Neuausrichtung noch bevor. In Neuburg an der Donau hängt die Versorgung auch davon ab, ob der Industrie der Gashahn zugedreht wird.

In Dortmund droht den Stadtwerken der mittelfristig angestrebte Verzicht auf Gaslieferungen aus Russland auf die Füße zu fallen: Etwa 80 Prozent der Haushalte in der Ruhrmetropole sind an Gasleitungen angeschlossen. Damit gehört die Stadt zu den Spitzenreitern in der Gasnutzung in Nordrhein-Westfalen. Gründe dafür gab es reichlich - in der Vergangenheit. Jana-Larissa Marx, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW21) erläutert: "Jahrzehntelang wurde der Einsatz von Gas mit den Argumenten gepusht, dass Gas nachhaltiger und kostengünstiger sei als Öl.

Dortmund: 80 Prozent an Gasleitungen angeschlossen

Nun vom Gas wegzukommen, wird sich in einer Großstadt wie Dortmund mit seinen vielen Mietshäusern nur schwer realisieren lassen. Der einzelne Mieter hat ja überhaupt keinen Einfluss auf die Art seiner Energieversorgung. Für eine Umstellung auf Gas-Alternativen müssten in Dortmund erst einmal sehr viele Vermieter viel investieren." Direkte Lieferbeziehungen mit russischen Unternehmen unterhalten die Stadtwerke zwar nicht, aber derzeit stammen 55 Prozent der städtischen Energieversorgung aus Russland, 30 Prozent aus Norwegen, 13 Prozent aus den Niederlanden und der Rest aus anderen europäischen Ländern. "Damit liegen wir", sagt Jana-Larissa Marx, " mehr oder weniger im Durchschnitt der Bundesrepublik." 

Energieversorgung der Zukunft: Fernwärme, Erneuerbare, Wasserstoff

Ohne Gas ist eine Versorgung der Stadt mit ihren fast 600.000 Einwohnern - trotz Blockheizkraftwerken, Pelletanlagen, Wärmepumpen, Ab- und Fernwärmenutzung - mittelfristig auf jeden Fall nicht zu bewerkstelligen. Dortmund versucht, durch den kontinuierlichen Ausbau von Handelspartnern die Risiken breiter zu streuen und die Gasversorgung weiter zu diversifizieren. Außerdem soll das Fernwärmenetz weiter ausgebaut werden. Jana-Larissa Marx bilanziert: "Mittel- bis langfristig müssen wir auf jeden Fall unabhängiger von fossilen Rohstoffen werden. Deshalb bedarf es eines massiven Ausbaus der Erneuerbarer Energien und des Netzes sowie ein schnelles Hochfahren der Wasserstoffproduktion."

Wesel: Energieversorgung ganz neu denken 

Ähnlich wie Dortmund ergeht es Wesel. In der Stadt am Niederrhein hängen 75 Prozent der Haushalte am Auslaufmodell Gas. Der Ausbau von Fern- und Nahwärme war in Wesel lange kein Thema. In Neubaugebieten soll die Versorgung vermehrt  über Nahwärme oder Wärmepumpen erfolgen. Rainer Hegmann, Chef der Weseler Stadtwerke erläutert: "Derzeit überlegen wir, wie wir ein regeneratives Nahwärmenetz für Wesel aufgebaut bekommen. Die  eigentliche Herausforderung liegt darin, den Gebäudebestand umzurüsten. Optimale Lösungen für alle Bereiche wird es da nicht geben können." Die Nutzung von Abwärme aus der Industrie - wie das etwa in Neuburg an der Donau geschieht - ist für Wesel keine Option. Es fehlt einfach an heimischer Industrie. Stattdessen wird in Wesel über die Ausweitung der Photovoltaik und über die vermehrte Nutzung von Windkraft nachgedacht. Eine zusätzliche Möglichkeit, sich in der Zukunft breiter aufzustellen, sieht Rainer Hegmann - Wesel liegt an Rhein und Lippe - auch im Ausbau der Energiegewinnung durch Wasserkraft. Aber das ist in der 60.000-Einwohner-Stadt noch Zukunftsmusik.  

Heidelberg: Ein breiter Energiemix

Ganz anders die Situation in Heidelberg: Hier setzen die Stadtwerke schon seit vielen Jahren auf Fernwärme. Rund 50 Prozent der Haushalte in der Stadt am Neckar sind bereits mit dieser Wärmeenergie versorgt - 30 Prozent werden in der Kommune sogar selbst erzeugt. Schon jetzt stammen etwa 26 Prozent aus erneuerbaren Energien beziehungsweise 50 Prozent aus CO2-neutralen Energien. Nur 9 Prozent der Fernwärme wird mit Gas produziert - aus bundesdeutschen Anlagen und nur drei Prozent des benötigten Gases wird auf dem Großhandelsmarkt beschafft. Ellen Frings, Leiterin Unternehmenskommunikation bei den Heidelberger Stadtwerken erklärt: "Ab 01. Juli 2022 planen wir, ein Produkt mit 50 Prozent und 100 Prozent Biogas anzubieten. Eine ausreichende Verfügbarkeit in Bioqualität vorausgesetzt, würde das Biogas in der Regel aus Anlagen in Deutschland sowie Mittel- und Westeuropa stammen. Diese Lösung passt nicht nur zu unseren Klimaschutzzielen, sondern auch zu unseren Bestrebungen, eine größere Unabhängigkeit von russischem Erdgas zu erreichen."

Parallel setzen die Heilberger Stadtwerke auf den Ausbau der Fernwärme. Ein Holz-Heizkraftwerk sowie mehrere Biomethan-Anlagen sind bereits in Betrieb. Drei Luft-Wasserwärmepumpen für innovative Kraft-Wärmekopplungsanlagen sind im Bau und auf der Agenda für die Zukunft stehen eine Flusswärmepumpe, die Nutzung von Abwasserwärme und oberflächennahe Geothermie. 

Wie sieht die Energieversorgung der Zukunft aus?

Supergau: Wenn Industrien stillgelegt werden

Im schon weitgehend unabhängig aufgestellten Neuburg an der Donau (Kommunal berichtete) ist die Kommune aktuell  von den Vorgängen in der Ukraine lediglich dadurch betroffen, dass die Kosten für noch nicht fix gekaufte Mengen sich um den Faktor fünf bis zehn erhöht haben. Die extremen Mehrkosten hofft die Kommune zumindest in Teilen durch die deutlich erhöhten Strompreise wieder wett machen zu können, die die Stadt mit ihren Blockheizkraftwerken erzeugen. Indirekt wäre die Stadt von einem Gas-Stopp aus Russland dennoch betroffen, denn die genutzte Abwärme kommt von der umliegenden Industrie.

Neuburg an der Donau hängt an Unternehmen

Ernst Reng, Bereichsleiter Technik der Neuburger Stadtwerke, unterstreicht: "Sollten diese Unternehmen von einer Abschaltung betroffen sein, hätten wir natürlich auch keine Wärmequelle mehr. Ob und zu welchen Preisen wir das dann mit unseren Gas-Spitzenkesseln kompensieren können, wird sich zeigen." Um in Neuburg an der Donau die die Abhängigkeit vom Gas zumindest zu reduzieren, halten die Stadtwerke normalerweise mehrere Öl-Kesselanlagen in Bereitschaft. Bei den aktuell sehr hohen Gaspreisen laufen diese bereits mit. Zudem soll bis zum Herbst ein Hackschnitzelkessel in Betrieb genommen werden.

"Ziel ist es, dass wir im schlimmsten Fall zumindest eine Wärme-Grundversorgung bereitstellen können", erklärt Ernst Reng und fügt an: "Hoffen wir einfach, dass wir das nicht ausprobieren müssen." Herausfordernde Zeiten für kommunale Stadtwerke - die aber auch ihr Gutes haben. Davon ist Rainer Hegmann von den Weseler Stadtwerken jedenfalls überzeugt: "Spätestens der Krieg in der Ukraine hat dafür gesorgt, dass der notwendige Paradigmenwechsel jetzt überall zur Kenntnis genommen wird und Veränderungsprozesse in der Energieversorgung eingeleitet werden."

Der deutsche Notfallplan GAS:

  • Frühwarnstufe
  • Alarmstufe
  • Notfallstufe 

Fotocredits: 123rf.com/profile_stylephotographs