Die Energieversorgung der Zukunft: diverser und nachhaltiger
Woher soll sie kommen - die Energie der Zukunft?
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Klimaschutz

Energieversorgung ohne Russland?

Russlands Krieg in der Ukraine befeuert die Bemühungen von Politik und Energiewirtschaft, unsere Energieversorgung schnellstmöglich unabhängiger und nachhaltiger zu gestalten. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Die Energiepreise steigen und die Angst vor Versorgungsengpässen wächst. Experten halten einen Importstopp von Öl, Gas und Kohle aus Russland allerdings für machbar.

Die Ausgangslage ist klar: Die Bundesrepublik bezieht derzeit 50 Prozent ihres Erdgases aus Russland. Etwa ebenso hoch ist der Anteil russischer Steinkohle in der deutschen Stromerzeugung. Die Rohölimporte aus Putins Reich machen knapp 40 Prozent der Gesamtimporte von etwas mehr als 90 Millionen Tonnen aus.

Versorgungssicherheit: vorsichtig optimistisch

Dass in Deutschland "Lichter ausgehen" könnten, muss aktuell nicht befürchtet werden. Dieser Meinung ist jedenfalls René Schleucher von den Stadtwerken in Düsseldorf: "Wir sind vorsichtig optimistisch, dass wir – Stand jetzt, und einen normalen Temperaturverlauf vorausgesetzt – die Wärmeversorgung unabhängig von Lieferungen aus Russland aufrechterhalten können. Welche Auswirkungen der Krieg in der Ukraine in dieser besonderen Situation längerfristig hat, lässt sich aber nicht seriös vorhersagen."

Mehr Sorgen macht man sich in München. Die bayerische Hauptstadt bezieht Gas vor allem aus Russland. Aktuell sind die Speicher zu 30 Prozent gefüllt. „In diesem Winter würden wir vermutlich mit einem blauen Auge davonkommen, weil uns das milde Wetter in die Karten spielt“, sagte Matthias Jenn, Geschäftsführer von Bayernets, der Süddeutschen Zeitung und fügte an: „Was uns Sorgen macht, ist der nächste Winter.“ Denn die deutschen Speicher würden sich bis zum Ende dieses Winters leeren. Man müsste sie also im Sommer wieder füllen. „Das geht nur mit russischem Gas. Wenn Russland, aus  welchen Gründen auch immer, kein Gas liefern sollte, wird es unmöglich sein, die Speicher vollständig zu füllen, und wir müssen in Europa davon ausgehen, dass es zu  Versorgungsengpässen kommen wird, selbst wenn der Winter nicht außergewöhnlich  streng sein sollte.“

Importstopp: Aus Expertensicht verkraftbar

Derzeit ist ein Importstopp für die Bundesregierung allerdings kein Thema. Olaf Scholz hat sich festgelegt. Derzeit, so der Bundeskanzler, sei die Gas-Versorgung Europas ohne Russland nicht zu sichern. Weniger eindeutig sieht das der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Zusätzliche Lieferungen mittels des europäischen Gas-Austauschnetzes sowie durch Großtanker aus den USA, Katar und Australien könnten die zu erwartenden Engpässe ausgleichen, konstatiert der Bundesverband. Allerdings müssten dabei die weltweit steigende Nachfrage sowie die Verfügbarkeit von Terminals und Transportmöglichkeiten berücksichtigt werden. Die Steinkohle-Lager ihn Deutschland könnten etwa bis Mai 2022 reichen, nicht eingerechnet sind dabei die bereits vereinbarten Lieferungen aus Russland, die einzelne Unternehmen noch erwarten. Lieferungen aus Ländern wie Australien, Indonesien, USA, Kolumbien, Südafrika und Kanada könnten die zu erwartenden Lücken schließen. Allerdings rechnet der Bundesverband damit, dass eine vollständige Umstellung der Lieferketten in diesem Bereich mehrere Monate dauern könnte.  

Russland zahlt den höheren Preis

Hendrik Mahlkow, Handelsforscher am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, sieht anhand von Simulationsrechnungen die gravierenderen Folgen eines Embargos eher auf der russischen Seite. "Unsere Berechnungen sind exemplarischer Natur, aber sie zeigen klar, dass die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen von Handelsembargos Russland sehr viel härter treffen würden als die westlichen Verbündeten." So werde die russische Wirtschaftsleistungen bei einem Importstopp voraussichtlich um fast drei Prozent einbrechen. Die Folgen für Deutschland? Deutlich weniger dramatisch. 

Alternativen? Dringend gesucht

Anders als andere europäische Länder hat es die Bundesrepublik bislang versäumt, Terminals für Flüssiggas-Importe zu bauen. Das soll jetzt zügig nachgeholt werden. Bereits eine Woche nach Beginn des Krieges am 24. Februar wurde ein sogenanntes "Memorandum of Understanding" bezüglich eines Terminals am Standort Brunsbüttel unterzeichnet. Daran beteiligt: im Auftrag der Bundesregierung die Kreditanstalt für Wiederaufbau, das niederländische Staatsunternehmen Gasunie sowie der deutsche Energieversorger RWE. Allerdings könnten die in Deutschland zumeist langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren dafür sorgen, dass dieses Terminal erst in einigen Jahren zur Versorgungssicherheit beitragen kann.

Task-Force: Abhängigkeit beenden

Grundsätzlich rechnen Experten damit, dass der Krieg Russlands in der Ukraine und die damit einhergehenden Bemühungen, Deutschland von Russlands Öl-, Gas- und Kohlelieferungen unabhängig zu machen, den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wasserstoffwirtschaft ebenso befördern könnte wie der Aufbau einer breiteren Beschaffungsstruktur. "Unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeitet eine Taskforce des Habeck-Ministerium daran, die fatale Abhängigkeit vom russischen Regime schnell zu beenden, die sogenannte Ad-hoc-Projektgruppe Gasreduktion. Einen zehnseitigen Bericht hat die Arbeitsgruppe intern bereits abgegeben. Doch die Veröffentlichung des Papiers wurde vom Bundeskanzleramt gestoppt, Der Tageszeitung Welt liegt es vor. Werden die Vorschläge umgesetzt, wären die Folgen gigantisch", berichtet die "Welt" am 07. März 2022. Man darf gespannt sein.