Bagger auf künftigem Bauland
Bauland ist rar - und der Ansturm wird immer größer.
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Bauen

Wie wird das Einheimischenmodell rechtssicher?

Der Kampf um verfügbares Bauland wird härter. Was Kommunen beachten müssen, wenn sie die ansässigen Bürger bei der Vergabe zum Zuge kommen lassen wollen, beschreibt Rechtsanwalt Maximilian Dombert im Gastbeitrag

Es ist wohl auch eine Reaktion auf Corona und Homeoffice, nicht zuletzt aber der Wohnungsknappheit in großen Städten geschuldet: Immer mehr Menschen zieht es aufs Land und in kleinere, ländliche Gemeinden. Der Traum vom Haus im Grünen wird für alle immer mehr zur Herausforderung. Die ortsansässige Bevölkerung muss um das verfügbare Bauland mit den Neueinwohnern in spe konkurrieren. Nicht nur, dass dadurch die Nachfrage steigt, oftmals dürften viele auswärtige Interessenten auch finanzkräftiger sein und den Preiskampf damit noch anheizen. Kann die ortsansässige Bevölkerung in diesem Wettbewerb nicht mithalten, bleibt gerade der jungen Generation regelmäßig nichts weiter übrig, als die Heimatgemeinde auf der Suche nach Bauland zu verlassen.

Kommunen entwickeln Einheimischenmodell

Vor diesem – in seiner Grundkonstellation gar nicht neuen – Hintergrund haben einige Kommunen schon vor Jahrzehnten Modelle entwickelt, um die ortsansässige Bevölkerung in diesem Wettbewerb zu unterstützen. Bekanntheit hat in diesem Zusammenhang etwa das „Weilheimer Modell“ erlangt, dem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 11. Februar 1993 (Az. 4 C 18/91) schon vor fast 30 Jahren seinen Segen gegeben hat. Dabei unterbreitet der bisherige Grundstückseigentümer der Gemeinde vor Baulandausweisung ein Kaufangebot zu einem bestimmten Kaufpreis. Die Gemeinde wiederum erklärt, das Angebot nicht anzunehmen – also das Grundstück nicht selbst zu erwerben –, wenn der Grundstückseigentümer es stattdessen innerhalb einer bestimmten Frist an einen genau definierten Personenkreis von Einheimischen und nicht zu einem höheren Kaufpreis veräußert.

Doch auf diese mittelbare Preisvergünstigung allein lassen sich die „Einheimischenmodelle“ der Kommunen längst nicht mehr reduzieren. Oft werden mit dem Stichwort auch Vergabepraktiken beschrieben, bei denen die Gemeinde ihre eigenen Grundstücke nur an einen nach bestimmten Merkmalen ausgewählten Bewerberkreis veräußert. Regelmäßig geht es dabei darum, der ortsansässigen Bevölkerung einen Vorteil zu verschaffen, um ihr Chance und Anreiz zum Verbleib im angestammten Dorf zu geben. Dazu beschließt die Gemeinde in ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften die Kriterien, an denen sie ihre Vergabeentscheidung ausrichten will. Die Durchführung eines derartigen Vergabeverfahrens ist für sich genommen zulässig und von der Rechtsprechung gebilligt worden.

Kriterien für Vergabeentscheidung von Bauland

Sie hat aber zur Folge, dass sich die Gemeinde in einem solchen Fall bei künftigen Entscheidungen selbst bindet.  In der Konsequenz bedeutet das, dass ein Bewerber sich schon dann auf einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung berufen kann, wenn die Gemeinde von der Anwendungspraxis ihrer eigenen Richtlinie abweicht. Besondere Bedeutung kommt daher der Voraussetzung zu, dass die Kriterien solcher Vergabeentscheidungen im Voraus bekannt, hinreichend konkret, objektiv und nichtdiskriminierend sind. Sie müssen außerdem von einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses getragen sein und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Geht es mit den Vergabemodellen in der Regel darum, ortsansässige Bewerber bei der Vergabe von Baugrundstücken zu bevorzugen, ist die darin liegende Ungleichbehandlung unschwer zu erkennen. Sie kann aber nach verfassungsrechtlichen Maßgaben gerechtfertigt werden, wenn hierfür sachliche Gründe vorliegen, die in Bezug auf das Differenzierungsziel und das Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Das kann – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts vom 19.07.2016 (Az. 2 BvR 470/08) – bei der Bevorzugung von Ortsansässigen etwa der Fall sein, wenn eine Gemeinde das Ziel verfolgt, „knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren oder Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen“. Die Ungleichbehandlung kann ebenfalls zulässig sein, wenn  die kulturellen und sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft dadurch gefördert und der kommunale Zusammenhalt dadurch gestärkt werden sollen, dass Einheimischen besondere Vorteilen gewährt werden.

Unzulässig ist es freilich, bei der Vergabe von Vorteilen gegen Vorgaben des Europarechts zu verstoßen."

Denn die sich aus den Europäischen Verträgen ergebenden Pflichten gelten unmittelbar und umfassend auch für Städte und Gemeinden. Zu diesen Pflichten gehört es, allen Bürgern der Europäischen Union die sogenannten Grundfreiheiten zu gewähren. Angehörige anderer EU-Staaten dürfen gegenüber den eigenen Staatsangehörigen nicht benachteiligt werden. Insoweit hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, aufzuhalten und Wohnsitz zu nehmen. Dazu gehört auch das Recht, Liegenschaften zu erwerben. Vor diesem Hintergrund wird schon auf den ersten Blick deutlich, warum sich die Bevorzugung der ortsansässigen Bevölkerung bei der Vergabe kommunaler Grundstücke auch europarechtlich als Herausforderung erweist.

Ortsfremde nicht an Baulanderwerb hindern

Der Europäische Gerichtshof hat schon 2013 festgestellt (Az. C-197/11 und C-203/11), dass Einheimischenmodelle nahezu alle Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes berühren: die Niederlassungsfreiheit, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Dienstleistungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr. Nur der grenzüberschreitende Warenverkehr ist bei Immobiliengeschäften naturgemäß nicht betroffen. Dennoch: An der grundsätzlichen Zulässigkeit von Einheimischenmodellen ändert das nichts. Denn auch insoweit können Eingriffe in den Binnenmarkt durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden. Wichtig ist dabei nur, dass es Ortfremden nicht unmöglich gemacht wird, sich auf die kommunalen Grundstücke zu bewerben. Die Europäische Kommission, Deutschland und insbesondere der Freistaat Bayern haben sich in diesem Zusammenhang im Jahr 2017 auf Leitlinien geeinigt, bei deren Einhaltung die Kommission in Aussicht stellt, keine Einwände gegen Einheimischenmodelle zu erheben.

Die rechtlichen Konsequenzen

Entscheidend ist insoweit, dass der Ortsansässigkeit der Bewerber erst innerhalb des Vergabeverfahrens Bedeutung zukommt und sie – vereinfacht formuliert – höchstens zu 50 Prozent in die Vergabeentscheidung einfließt. Daneben müssen vor allem soziale Kriterien – wie etwa Vermögens- und Einkommensgrenzen oder Zahl der Kinder und pflegebedürftige Angehörige – zur Anwendung kommen. Ehrenamtliches Engagement kann ebenfalls gewertet werden, gehört aber – entgegen landläufiger Meinung – zum Kriterium des Ortsbezuges und nicht zu den sozialen Vergabekriterien. Ist die Entscheidung über die Grundstücksvergabe gefallen, dürfen in dem abzuschließenden Kaufvertrag bestimmte Nutzungsbindungen vereinbart werden. Beispielsweise kann der Erwerber verpflichtet werden, seinen Erstwohnsitz auf dem Grundstück zu nehmen.

Halten sich Städte und Gemeinden an die vorstehend skizzierten Maßgaben, haben sie mit den Einheimischenmodellen ein effektives kommunalpolitisches Steuerungsinstrument zur Hand, das sich rechtssicher zum Wohle der Gemeindeeinwohner einsetzen lässt. Klar sollte aber auch sein: Ein Instrument zur Steuerung unerwünschten Zuzuges ist das Einheimischenmodell nicht.