Arzt und Drohne
Eine Drohne bringt eine Blutprobe schnell und ressourcenschonend ins Labor - im Passauer Land wurde diese Zukunftsvision bei einem Testflug tatsächlich Realität.
© FORWISS Universität Passau

Zukunftsforschung

Drohnen bringen Blutproben ins Labor

Beim Projekt KIMono im Passauer Land wurde untersucht, wie medizinische Transport- und Kommunikationswege im ländlichen Raum durch den Einsatz von Drohnen und KI verbessert werden können.

Manchmal muss es schnell gehen, zum Beispiel beim Verdacht auf eine schwerwiegende Erkrankung. Die Bestimmung signifikanter Blutwerte ist in solchen Fällen oft von großer Bedeutung und je schneller die Blutprobe ins Labor gelangt, desto besser. Doch gerade in ländlichen Gebieten sind die Wege weit zwischen Arztpraxen und Labor und die Transportfahrten entsprechend aufwendig. Eine Hilfe könnten Drohnen sein, die automatisiert und eingebettet in ein KI-optimiertes Logistiksystem Transporte von Blutproben übernehmen. Im Passauer Land wurde nun getestet, inwieweit der Einsatz von Drohnen die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen verbessern könnte. Die Erkenntnisse sind vielversprechend, der Weg von der Theorie zur Praxis aber noch weit.

Drohnen als Transport-Mittel

„Wir wollten zeigen, was mit Drohnen möglich ist“, sagt Tomas Sauer, Professor und Leiter des Projekts „KIMoNo“ und des Instituts FORWISS an der Universität Passau. Wie sind die aktuellen Transportwege und -zeiten? Wie können diese optimiert werden? Wann macht der Einsatz von Drohnen angesichts einer Kosten-Nutzen-Abwägung wirklich Sinn? Und wann sind die normalen Wege ausreichend? Das waren die Leitfragen, mit denen sich die Wissenschaftler und Experten rund um Sauer rund zwei Jahre lang beschäftigt haben.

Zeitaufwendiger Transport mit dem Auto

Im Moment ist der Weg der Blutproben zum Labor vergleichsweise zeitaufwendig: In den meisten Praxen werden die entnommenen Blutproben nur einmal am Tag abgeholt, in Notfällen werden teure und aufwendige Sonderfahrten angefragt, die aber nur dann möglich sind, wenn noch ein Fahrer verfügbar ist. Die Blutproben werden dann mit dem Auto ins MVZ Labor Passau gebracht, das medizinische Proben aus der gesamten Region Niederbayern und teilweise darüber hinaus untersucht.  Die Analytik dort ist laut Sauer bereits „hochgradig digitalisiert ist und maximal effizient“ – im Gegensatz zu der Transportlogistik im Vorfeld.

Sauer Professor
Prof Dr. Tomas Sauer, Leiter des Projekts „KIMoNo“ und des Instituts FORWISS an der Universität Passau

Zeit- und Flexibilitätsgewinn

Der Vorteil beim Einsatz von Drohnen statt Autos liegt auf der Hand: Viele der Strecken können mit deutlich niedrigerem Energieaufwand und in kürzerer Zeit zurücklegt werden. „Die Drohne kann einen Zeitgewinn und einen Flexibilitätsgewinn bringen. Drohnen stehen nicht im Stau und auch der Co2-Abdruck ist deutlich niedriger als bei Fahrten mit dem Auto“, sagt Sauer. Außerdem wurde im Rahmen des Projekts auch untersucht, wie die Kommunikation zwischen Drohne und Labor bestmöglich ablaufen und wie eine digitalisierte Kommunikation zwischen Praxis und Labor funktionieren könnte. „Durch die Kombination aus KI-basierter Simulation und Optimierung können wir die bestmöglichen Transportwege für die Proben ermitteln und den Mehrwert durch den Drohneneinsatz bestimmen“, so der Projektleiter.

Schnellere Diagnostik möglich

Für den Einsatz von Drohnen im medizinischen Alltag sind unterschiedlichste Szenarien denkbar, etwa der Fall, wenn Eltern mit einem Kind mit Symptomen in die Kinderarztpraxis auf dem Dorf fern der nächstgrößeren Stadt kommen. Besteht der Verdacht auf eine schwerwiegendere Erkrankung, schickt der Arzt das Kind ins Klinikum und nimmt zuvor Blut ab. Diese Blutprobe könnte nun sofort per Drohne ins Labor geschickt und dort ausgewertet werden. „Dann würden die Ergebnisse womöglich schon vorliegen, noch bevor das Kind in der Klinik ankommt und könnte sofort mit der Behandlung begonnen werden“, so Sauer.

Umfangreiche Analyse

In einem ersten Schritt wurden im Rahmen des Projekts die teilweise sensiblen medizinischen Daten anonymisiert und pseudonymisiert, um in Folge die aktuellen Abläufe zwischen Praxen und Labor zu analysieren. Darauf aufbauend wurde ein KI-System trainiert, das zu vorgegebenen Postleitzahlen, Terminen und Probenarten die Zeit bis zum Laborergebnis prognostiziert. Für die Routen selbst wurden an der Universität Passau mehrere Optimierungsmöglichkeiten entwickelt, wobei auch untersucht wurde, wie sich die Einbindung von Drohnen in das Transportsystem auswirken würde und die digitale Kommunikation aussehen könnte. Der Höhepunkt und vorerst letzte Teil des Projekts war schließlich der Testflug einer Drohne mit einer Blutprobe von einer Kinderarzt-Praxis in Ortenburg zum Passauer Labor.

Testflug Drohne
Das Projektteam nach dem erfolgreichen Testflug: v.l. Nadine Huke (Bundesministerium für Digitales und Verkehr), Stefan Kunze (TH Deggendorf), Pierre Ulfig (Quantum Systems), Bundestagsabgeordneter Johannes Schätzl, Präsident Prof. Dr. Ulrich Bartosch, Prof. Dr. Tomas Sauer, Vizepräsident Prof. Dr. Harald Kosch (alle Universität Passau), Dr. Clemens Engelschalk (MVZ Labor Passau) und Prof. Dr. Alena Otto (Universität Passau)

Teil des Projekts KIMono

Das aktuelle Projekt ist der zweite Teil des Projekts „KI-basierte Mobilitätsoptimierung in nonurbanen Regionen“ – kurze KIMono, das bereits seit 2020 Mobilitätsfragen im weiteren Sinne nachgeht, wobei sich die Wissenschaftler an den speziellen Gegebenheiten der Region Niederbayern orientieren. Die besonderen Merkmale dieser Region: teils städtisch, teils sehr ländlich strukturiert, verfügt sie über keine flächendeckenden Transportsysteme und ist es hier eine besondere Herausforderung, auch teilweise nur sehr schwer und mit manchen Verkehrsmitteln eingeschränkt erreichbare Orte zu versorgen. Während im ersten Teil des Projekts unter anderem Fragen des digital vernetzten Verkehrs im Fokus standen, wurde nun der Bereich der medizinischen Versorgung in den Blick genommen.

Projektteam

Neben der Universität Passau und dem dortigen Institut FORWISS, dem Lehrstuhl Verteilte Informationssysteme und dem Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Management Science/Operations and Supply Chain Management waren die Technische Hochschule Deggendorf mit dem Institut für Angewandte Informatik, das MVZ Labor Passau GmbH, die Kinderklinik Dritter Orden Passau gGmbH und die Quantum-Systems GmbH am Projekt beteiligt. Finanziert wurde das Projekt mit 2,4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

Drohnen-Einsatz kann Abläufe beschleunigen

Die ersten Ergebnisse des Projekts sind eindeutig, wie Sauer sagt: „Wir konnten nachweisen, dass man die Abläufe durch den Einsatz von Drohnen deutlich beschleunigen kann“ und gerade im Notfall könnte es sich lohnen, Drohnen ins Transportsystem zu integrieren. Eine weitere denkbare Einsatzmöglichkeit sei, dass Drohnen in besonders entlegenen Gebieten die Blutproben von verschiedenen Praxen abholen und zu einer Sammelstelle bringen, von der aus dann schließlich ein Fahrer die Proben ins Labor bringt.

Hürden für Luftfahrzeuge sind hoch

Bis die unbemannten Luftfahrzeuge aber tatsächlich regelmäßig unterwegs sein werden, ist es nach Einschätzung von Sauer noch ein weiter Weg. „Die technischen Möglichkeiten sind bereits gegeben, doch die regulatorischen Rahmenbedingungen sind aktuell noch eine große Hürde“, so der Professor. Eineinhalb Jahre hätte es gedauert, bis der 20-minütige Testflug von Ortenburg nach Passau schließlich genehmigt werden konnte, derart komplex sei die Rechtslage aktuell. „Ein Drohnenflug ist immer noch der absolute Ausnahmefall und wo und wann eine Drohne fliegen darf, ist noch nicht ausreichend geklärt“, so Sauer. Zudem seien die Kosten der benötigten Drohnen im ländlichen Raum mit einer Reichweite von rund 70 Kilometer und einem Tempo von 60 km/h enorm. Deshalb sei völlig klar: „Es wird auch in fernerer Zukunft nicht jede Praxis ihre eigene Drohne vor der Tür stehen haben, die dann zum Labor fliegt“, so Sauer. Stattdessen müsste man den Einsatz der Drohnen im Verbund planen und einbetten in das sonstige Transportsystem. Ist dies der Fall, könne die Drohne laut Sauer „eine wichtige Ergänzung zur Verbesserung der medizinischen Versorgung werden“.

Fotocredits: FORWISS Universität Passau