Recycling einfach gemacht
Zweites Leben für Elektroschrott
In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 850.000 Tonnen Elektroschrott gesammelt. Andere Quellen beziffern den Berg sogar auf 1,7 Millionen Tonnen. Davon werden derzeit 40 Prozent recycelt. Die Quote hält die Stadt Dresden für ausbaufähig. Ihre Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen hat daher ein Projekt für ein "zweites Leben für Smartphone und Co" geschaffen. Dabei nutzt sie Spielräume, die Kommunen in diesem Bereich haben. Im Gespräch erklärt sie uns, welche Möglichkeiten das sind.
KOMMUNAL: Frau Jähnigen, in Ihrer Kommune ist in das Pilotprojekt "Elektroschrott" an den Start gegangen. Worum geht es?
Eva Jähnigen: Wir wollen uns als Kommune im Bereich Elektroschrott neue Handlungsmöglichkeiten erschließen, um die Kreislaufwirtschaft mit unseren Möglichkeiten voranzubringen. Seit Juni können Großgeräte wie Waschmaschinen, aber auch Kleingeräten wie Mixer oder Staubsauger von den Bürgerinnen und Bürgern in zwei Wertstoffhöfen abgegeben werden. Die Geräte werden dort überprüft, notfalls instandgesetzt und danach zurück in den Kreislauf gebracht. Dafür arbeiten wir - wie auch in anderen Bereichen - mit der Lebenshilfe und dem Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk zusammen. Eine Konkurrenzsituation zu ortsansässigen Unternehmen oder Initiativen wollen und können wir als Kommune natürlich nicht aufbauen.
Prüfungen und Instandsetzungen kosten Geld und geschultes Personal. Wie groß ist der finanzielle Aufwand für die Stadt?
Was dieses Engagement der Stadt dauerhaft kosten wird, ist noch völlig offen. Kurzfristige Lösungen wie die aktuelle sind sicherlich teurer als eine dauerhafte. Wir wollen das Projekt erst einmal in erprobten Zusammenhängen anschieben und dann schauen, wie es sich dauerhaft - auch finanziell - umsetzen lassen könnte. Wichtig wird sein, zu schauen, wie wir in den Bringehöfen den benötigten Platz schaffen können. Das Personal haben wir bereits aufgestockt, um die Zusatzarbeit bewältigen zu können.
Von welchen Mengen an Elektroschrott sprechen wir?
Wie hoch das Aufkommen sein wird, können wir jetzt noch gar nicht abschätzen. Bislang bekommen wir ja nur die Geräte in die Hände, die die Bürger falsch im Restmüll entsorgen oder freiwillig zu den Wertstoffhöfen bringen. Für das Ende des Modellprojektes erhoffen wir uns belastbare Zahlen, was das Aufkommen an Elektroschrott in Dresden betrifft. Bislang landet das meiste ja im gewerblichen Markt, für den wir natürlich keine Zahlen haben.
Wie wird der Neupreis für Altgeräte berechnet?
Das überlassen wir unseren beiden Partnern, die für die Geräte, je nach Alter und Zustand, sicherlich einen eher symbolischen Preis veranschlagen werden. Derzeit läuft die Abnahme sehr gut, weil wir sehr viele Ukraine-Flüchtlinge in Dresden haben, für die wir Wohnungen - nicht nur mit Elektrogeräten - einrichten helfen.
Was sind die Zielvorgaben?
Wir wollen als Kommune erreichen, dass es einen einzigen Ort gibt, wo Bürger alle Altgeräte abgeben können. Denn die Erfahrung zeigt: Je umständlicher und zeitintensiver das Abgeben , desto weniger geschieht es. Ein Ort, wo konsequent danach gehandelt wird: Was wieder verwendbar ist, wird auch wieder verwendet.
Mit welchen Maßnahmen versuchen Sie, die Dresdener Bürger mit ins Boot zu holen?
Unsere Abfallwirtschaft macht, zusammen mit externen Auftraggebern, bereits viele umweltpädagogische Angebote an die Bevölkerung. Dabei setzen wir vorrangig auf Kinder und Jugendliche, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Kreislaufwirtschaft zu stärken. Generell muss man aber sagen, dass es in Dresden bereits viele bürgerschaftliche Initiativen in der Richtung gibt: etwa Tauschbörsen und Repaircafés. Auch das Angebot an Sharing-Optionen wächst stetig. Ich selbst habe kein eigenes Auto mehr. Die Zukunft gehört, dass ist meine Meinung, auch in anderen Bereichen dem Mieten und Teilen.
Einen vergleichbaren Ansatz hat es in Dresden bereits in den Jahren 2019/2020 gegeben. Woran ist das Projekt damals gescheitert?
Ganz einfach: an mangelnden Kapazitäten, fehlendem Personal und an einer zu umständlichen Organisation. Aus den damaligen Fehlern wollen wir lernen und es besser machen.
In Altgeräten stecken wertvolle Edelmetalle, etwa Gold oder seltene Materialien wie Indium oder Palladium. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür, dass nur etwa 40 Prozent der Geräte recycelt werden?
An mangelndem wirtschaftlichem Interesse. Die derzeitigen Krisen und die steigenden Lieferengpässe sorgen da hoffentlich für ein Umdenken. Wir können es uns als Gesellschaft einfach nicht mehr leisten, derartig achtlos mit den in Altgeräten gebundenen Ressourcen umzugehen. Gleichzeitig brauchen wir wieder mehr Elektronikfachleute, die fähig sind, kostengünstig zu reparieren und die dafür notwendigen Ersatzteile im Markt vorfinden. Generell sollte gelten: Reparaturen dürfen nicht teurer sein als Neugeräte.
Als Kommune sind Ihnen in diesen Bereichen ja die Hände weitgehend gebunden. Was fordern Sie als Umweltbürgermeisterin von Politik und Wirtschaft?
Auf jeden Fall neue Rahmenbedingungen, damit neue kommunale Handlungsspielräume in den Bereichen Wiederverwertung und Recycling entstehen. Als Kommunen können wir mit zwei wesentlichen Faktoren punkten: Wir haben die Nähe zu den Bürgern und wir haben eine hohe Kompetenz im Bereich Organisation. Was fehlt, sind politische Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize, die Länder und Bund setzen müssen, damit das Bewusstsein für die enormen Chancen, die in der Kreislaufwirtschaft liegen, wächst, und die Wirtschaft die damit verbundenen Chancen für sich entdeckt.