Spatenstich für das neue Bürgerhaus in Münsing
Spatenstich für das neue Bürgerhaus in Münsing.
© Gemeinde Münsing

Beispiele

Ein Bürgerhaus belebt das Dorfzentrum

Sie können sozialer Treffpunkt und Dienstleistungsstelle sein, Veranstaltungszentrum und Aufenthaltsplatz: Gerade in kleineren Kommunen können Bürgerhäuser dazu beitragen, die Ortsmitte zu beleben. KOMMUNAL hat beeindruckende Beispiele ausfindig gemacht.

Zeilarn, eine Gemeinde mit rund 2.200 Einwohnern im Landkreis Rottal-Inn. Die Struktur des Straßendorfs ist ländlich geprägt und die Infrastruktur von einst aufgrund des demografischen Wandels stark zusammengeschrumpft. „Zeilarn war dabei, ein Schlafdorf zu werden“, beschreibt Bürgermeister Werner Lechl diesen Prozess. Mittelfristig wäre der Ortskern zum Sterben verurteilt gewesen. Dieser Entwicklung wollte die Gemeinde tatkräftig etwas entgegenstellen. So wurde 2014 der Prozess einer umfassenden Dorferneuerung gestartet, der von verschiedenen Arbeitsgemeinschaften mitgetragen wird. Das Ziel sollte ein lebendiger, attraktiver Wohn- und Lebensort sein. „Zeilarn soll als Dorf zukunftsfähig werden“, so Lechl. „Die Leute sollen hier nicht nur wohnen und schlafen, sondern gerne leben und zusammen kommen.“

Bürgerhaus statt leerstehendes Gebäude

Schon bald entstand in diesem Kontext auch die Vision von einem Bürgerhaus als sozialem Treffpunkt zum Einkaufen, Essen und für Veranstaltungen aller Art. So sollte unter dem Dach des Bürgerhauses auch ein Dorfcafé untergebracht werden, zudem sollte der noch bestehende Dorfladen in das neue Haus umziehen und erweitert werden. Außerdem wurde ein multifunktional nutzbarer Gemeindesaal für 200 Leute angedacht. Und auch der Ort war schnell gefunden – so hatte die Gemeinde bereits ein leerstehendes altes Gebäude im Herzen Zeilarns erworben, an dessen Stelle nun das Bürgerhaus entstehen sollte.



Nach der Initialzündung begann ein längerer Prozess der Planung und Auseinandersetzung. „Die größte Hürde ist es, die Leute vom Konzept zu überzeugen“, so Lechl, und spielentscheidend war in Zeilarn letztlich die intensive Einbindung der Bewohner von Anfang an. Zudem sollte laut Lechl rechtzeitig die Frage der Finanzierung geklärt sein, denn nur so könne man belegen, dass das Risiko überschaubar sei.

Dorfladen trägt sich selbst

In Zeilarn fielen für den Bau des Bürgerhauses insgesamt knapp 3 Millionen Euro an, wobei die Gemeinde verschiedene Förderungen in Anspruch nehmen konnte und letztlich nur 900.000 Euro selbst finanzieren muss. Der Betrieb des Dorfladens trägt sich dabei selbst, zudem hat die Gemeinde Zeilarn Einnahmen über die Vermietung des neuen Gemeindesaals. 2016 wurde mit dem Bau schließlich begonnen, die letzten Arbeiten wurden im Herbst 2021 fertig gestellt.

Eingang Bürgerhaus Zeitlarn
Der Eingang zum Bürgerhaus in Zeitlarn.

Was die umfassende Dorferneuerung anbelangt, ist das Bürgerhaus nur einer, aber fraglos der gewichtigste Teil des Gesamtkonzepts, ergänzt um den gerade eben erst erweiterten Kindergarten ums Eck und ein geplantes generationenübergreifendes Wohnprojekt direkt nebenan. „Letztlich geht es um eine längerfristige strategische Entwicklung der gesamten Gemeinde über Generationen hinweg“, sagt Lechl.

Es gibt Kunden, die kommen dreimal am Tag ins Bürgerhaus.“

Werner Lechl, Bürgermeister der Gemeinde Zeilarn



Wie kann ein lebendiger Dorfmittelpunkt geschaffen werden, der Bürger quer durch alle Altersklassen anspricht und verbindet? Diese Frage stand auch am Beginn verschiedener Bemühungen in der Osnabrücker Samtgemeinde Neuenkirchen. Mit ihren etwa 10.000 Mitgliedern und drei Mitgliedsgemeinden liegt die Flächenkommune in einer typisch dörflich geprägten und schwach besiedelten Region, in der man sich um eine ebenso familien- wie seniorenfreundliche Ausrichtung für die Zukunft bemüht. So hat man sich in der Samtgemeinde bereits vor Jahren daran gemacht, in den verschiedenen Gemeindeteilen über neue Dorfmittelpunkte nachzudenken. Hierzu sei es der Kommune ein großes Anliegen gewesen, erst einmal „den Bedarf zu ermitteln und zu schauen, was wirklich wichtig ist“, wie die Fachbereichsleiterin Ruth Klaus-Karwisch berichtet.

Drehscheibe im Zentrum

Schon 2012 fanden hierzu erste Bürgergespräche statt, die in Folge mehrfach wiederholt wurden. „Wir wollten im Vorfeld gezielt auf die Bürger schauen und sie fest einbinden in den Beteiligungsprozess“, so die Fachbereichsleiterin. In den Folgejahren wurden verschiedene Dorfmittelpunkte in den einzelnen Gemeindebereichen auf den Weg gebracht. Einer davon ist die sogenannte „Drehscheibe“ im Zentrum von Neuenkirchen.

Drehscheibe -Bürgertreff in Neuenkirchen

Im August 2017 in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Ladenlokals eröffnet, hat sich die „Drehscheibe“ längst zu einem Ankerpunkt in der Gemeinde entwickelt, wie Klaus-Karwisch erzählt.

Das Besondere daran: Mit zwei Kräften a‘ 12 Stunden und einer 450-Euro-Kraft wird die „Drehscheibe“ von der Kommune selbst betrieben. Dabei ist das Multifunktionshaus heute Büro, Beratungsraum und Ladenlokal in einem und lockt Bürgerinnen und Bürger mit verschiedenen Angeboten von unterschiedlichen Institutionen an.

Die Drehscheibe soll Lust machen, zu stöbern und die Region zu erleben.“

Ruth Klaus-Karwisch, Fachbereichsleiterin der Samtgemeinde Neuenkirchen

Von der Hilfe beim Ausfüllen von Formularen über Informationen zur Rentenversicherung und Wiedereingliederung bis hin zu kostenlosen Hörtests und zur Schuldnerberatung reicht das breite Portfolio der „Drehscheibe“, darüber hinaus gibt es einen E-Bike-Verleih und einen Shop-In-Shop-Ansatz, bei dem Anbieter in dem Einkaufsladen Regale mieten und dort verschiedene regionale Produkte anbieten können. „Die Drehscheibe soll Lust machen, zu stöbern und die Region zu erleben“, betont Klaus-Karwisch, darüber hinaus sei sie ein lebendiger Treffpunkt bei Belangen aller Art.

Münsing: Der lange Weg zum Bürgerhaus

Was lange währt, wird endlich gut, könnte das Motto in der Starnberger Seegemeinde Münsing im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen lauten – auf jeden Fall mussten zahlreiche Hürden überwunden werden, bevor das geplante Bürgerhaus hier tatsächlich auf den Weg gebracht werden konnte. Bereits 2008 hatte die Gemeinde ein Grundstück mitten im Ortszentrum erworben, um dort als Ersatz für das zu klein gewordene Rathaus und die veralteten Bürgerräume ein neues Gebäude zu bauen, wie Bürgermeister Michael Grasl berichtet. Ein Teil der neu erworbenen Fläche wurde für ein innovatives Wohnquartier genutzt, das mittlerweile in Betrieb ist, auf dem restlichen Platz sollte ein Bürgerhaus verwirklicht werden, das sowohl die komplette Rathausverwaltung beheimatet als auch einen großen modernen Gemeindesaal sowie zusätzliche Nutzungsräume und eine Tiefgarage.

Die Entscheidung für das neue Bürgerhaus war längst getroffen worden, 2018 wurden im Rahmen eines Wettbewerbs verschiedene Vorschläge gesichtet und über eine endgültige Planung entschieden. Dann jedoch kam die Kommunalwahl und Bürgermeister Grasl wurde mit heftiger Kritik am Bürgerhaus konfrontiert - das Bürgerhaus wurde zum Politikum, führte zu Unterschriftenaktionen und Widerstand im Gemeinderat bis hin zur Planung eines Bürgerbegehrens.

Neues Bürgerhaus
Das neue Bürgerhaus in Münsing.

Etliche Auseinandersetzungen später konnten die Vorwürfe letztlich ausgeräumt werden und hielt der neu gewählte Gemeinderat nach einer internen Klausurtagung am Projekt fest. „Es war ein langer und mühsamer Weg“, erzählt Grasl, und um einen derartig fordernden Prozess durchzustehen brauche es Transparenz, Mut und Durchhaltevermögen.

„Man sollte sich als Bürgermeister durchaus auch Hilfe holen, wenn die Wogen so hoch schlagen.

Michael Grasl, Bürgermeister von Münsing

Diese Erfahrung hat Grasl gemacht. Er sagt: "Ein derartiges Großprojekt und ein solcher Entscheidungsprozess müssen moderiert werden, die Verwaltung alleine kann das unmöglich stemmen.“ Mittlerweile war Spatenstich in Münsing und spätestens 2024 soll das Bürgerhaus einzugsbereit sein. Läuft alles nach Plan, wird dann unweit von Kirche, Dorfwirtschaft und Maibaum ein modern ausgestattetes Gemeinde-und Bürgerhaus stehen, das „sinnvoll, nachhaltig und zukunftsorientiert zum soziokulturellen Zentrum für alle Altersgruppen werden soll“, wie Grasl sagt. Neben der Nutzung als Verwaltungsgebäude und Veranstaltungssaal für professionelle Veranstalter ebenso wie für die über 50 örtlichen Vereine sind für den Bürgermeister auch diverse andere Nutzungsformen denkbar, etwa die Einrichtung eines Seniorenbüros oder einer Poststelle. „Die Corona-Zeit hat gezeigt: Begegnung braucht Raum und darf nicht auf Kante genäht sein“, unterstreicht Grasl.

Fotocredits: Neues Bürgerhaus: Gemeinde Münsing, Eingang Bürgerhaus: Gemeinde Zeitlarn; Drehscheibe: Samtgemeinde Neuenkirchen