Dorfkind-Kampagne
So hat das Dorfleben wieder eine Zukunft
Liest man in diesen Tagen die Reaktionen auf die #Dorfkind-Kampagne von Ministerin Klöckner, so entsteht im etwa folgender Eindruck vom Landleben: „trostlos, langweilig, muffig und homophob“. Das Maximum an kultureller Diversität findet demnach auf dem Schützenfest statt. Ein blödsinnigeres Bild mit Assoziationen von Hirschgeweih und Kuckucksuhr lässt sich wohl kaum zeichnen. Überhaupt scheinen fast alle Deutschen in den von Gentrifizierung bedrohten Großstädten aufgewachsen zu sein. Was rein statistisch schon mal Unsinn ist. Die große Mehrheit der Deutschen wohnt nämlich auf dem Land. Umfragen zeigen zudem, dass gerade mal elf Prozent der Deutschen gerne in der Großstadt leben wollen. Aber aller Orten steht halt die Großstadt im Mittelpunkt. Das ist der Mainstream, etwa auch auf der aktuellen Platte der erfolgreichen Hip-Hop Band „Antilopengang“. Dort heißt es im Refrain: „Das Zentrum des Bösen ist der Dorfplatz, wo vor Jahren die Zeit stehen blieb.“ Wirklich?
Ja, es gibt Probleme. Zu häufig haben wir schon über den Erstklässler berichtet, der 45 Minuten mit dem Bus zur Grundschule fahren muss, um nur ein Beispiel zu nennen. Genau hier liegt der eigentliche Fehler in der Dorfkind-Kampagne. der Ministerin. Nicht die Kampagne an sich ist das Problem, sondern die Umsetzung. Die Bilder suggerieren, als gäbe es keine Probleme auf dem Land. Die Fotos sind austauschbar, könnten genauso gut in einer Großstadt gemacht worden sein. Die elementaren Vorteile des Landlebens wie „Freiheit“ oder „Natur“ kommen faktisch nicht vor. Vor allem aber hilft es nicht, die Probleme mit dem goldenen Pinsel über zu lackieren, Aufgabe der Bundesregierung ist es, die Probleme anzupacken.
Die Revolte der Dorfkinder zeigt, wie es richtig gehen kann
Wenig erstaunlich, dass die Revolte der Dorfkinder nicht lange ausblieb. Eine Art Gegenbewegung hat Tim Hartmann gestartet. Er ist selbst in einem kleinen Dorf bei Hannover großgeworden und bloggt seit langem auf „Dorf statt Stadt“ über das Leben im ländlichen Raum. Auch er findet den Ansatz der Kampagne im Grunde gut, sie spiegelt seiner Meinung nach aber das Leben eines Dorfkindes nicht wider. Entsprechend hat er Motive mit realistischeren Bildern und passenderen Texten geschaffen. Dort heißt es nun etwa in Anspielung auf schlechte Verkehrsanbindungen: „Dorfkinder müssen zehn Kilometer nach Hause laufen“ oder mit Blick auf die Schließungswelle bei Schwimmbädern: „Dorfkinder müssen den Bach als Schwimmbad nutzen“. Nachwuchsprobleme bei der Feuerwehr verarbeitet er mit dem Spruch: „Dorfkinder müssen ums Ehrenamt kämpfen“.
Selbst Großstädter wären oftmals lieber Dorfkinder
Dabei spricht eigentlich alles fürs Land: Umfragen sagen, dass selbst 45 Prozent der Großstadtbewohner lieber im ländlichen Raum leben würden. Ein großes Potential, von dem Forscher überzeugt sind, dass es in den nächsten Jahren weiter gehoben wird. Denn die mobile Arbeitswelt entkoppelt Wohn- und Arbeitsort künftig weiter. Eine andere Studie der Hochschule Landshut zeigt, dass StartUp Gründer, die nicht in Großstädten leben, deutlich zufriedener sind. Was also tun, um das eigentlich gute Anliegen des Ministeriums, den ländlichen Raum zu stärken, umzusetzen?
Das beginnt bei den beiden Hauptproblemen kleiner Dörfer und Städte. 1. Zu wenig Anerkennung und 2. Zu wenig gestalterische Spielräume. Inzwischen werden mehr als 90 Prozent aller Aufgaben durch staatliche Gesetze und Verordnungen bestimmt. Vor Ort kann nur noch umgesetzt werden, was „von oben“ verordnet wird.
Bayern geht den richtigen Weg - das Landwirtschaftsministerium macht das Gegenteil
Zudem muss die Konzentration auf die Großstadt endlich aufhören. Bayern geht hier den richtigen Weg und verlegt Landesbehörden bewusst in strukturschwache Regionen des Landes nach Franken und in die Oberpfalz. Auch Ministerin Klöckner hat ja bereits ein „Nationales Forum für ländliche Räume“ ins Leben gerufen. Aber jetzt raten Sie mal, wo die erste Sitzung stattfand: Natürlich in Berlin! Aus dem Elfenbeinturm heraus lässt es sich natürlich lässig über die Probleme reden.
Für kleine Kommunen ist das Signal aber klar: Kommunen, die eine Rettung von außen oder von oben erwarten, werden den Wettbewerb zwischen Kommunen verlieren. Wir brauchen vor Ort Bürgermeister und Kommunalpolitiker, die sich auf den Wandel einlassen und ihn positiv gestalten. Und so manchem Großstädter sei gesagt: Fahren Sie doch einfach mal wieder in ihre alte Heimat und schauen Sie nach, wie es wirklich aussieht!