Stadt der Zukunft
Demografischer Wandel: Tipps für Kommunen
Ganz gleich ob große Metropole oder Dorf am Lande: In mehr oder weniger starker Form betrifft der demografische Wandel jede Kommune, und seine Auswirkungen werden in den nächsten Jahrzehnten erst recht spürbar werden. Umso wichtiger ist es, schon jetzt vorzubauen und Kommunen „demografiefest“ zu machen, sagt David Menn, Programmmanager im Bereich „Alter und Demografie“ der Körber Stiftung.
Vision einer demografiefesten Stadt
Wie sieht sie aus, die demografie-feste Stadt, in der sich alle Generationen wohl fühlen? „Das Ziel ist eine Stadt für alle, die inklusiv ist und in der die Menschen möglichst lange zuhause leben und ihren Alltag selbstständig bewältigen können mit raschem Zugang zur Infrastruktur“, sagt Menn. Damit sich eine Kommune in diese Richtung entwickelt, müssen laut Menn vom Quartiersmanagement über die Bauplanung bis hin zur Sozialpolitik ganz unterschiedliche Handlungsfelder in den Blick genommen werden, amtsübergreifend und unter Einbindung verschiedener gesellschaftlicher Akteure.
Was Kommunen tun können
- Thema auf die politische Agenda setzen
„Alterspolitik ist kein Selbstläufer, der von alleine passiert“, sagt Menn. Seine Erfahrung ist: Wenn keine Schlüsselpersonen dahinter stehen und das Thema nicht auch auf Führungsebene verfolgt wird, passiert oft nicht viel.
- Demografie-Strategie als Maßstab für Bestehendes und Zukünftiges erarbeiten
Wie wollen wir alt werden, wie wollen wir zusammen leben? Das sind laut Menn die Kernfragen, mit denen sich die Kommune idealerweise im Rahmen der Entwicklung einer Demografie-Strategie befassen soll. Besonders wichtig hierbei: je heterogener die Gruppen, die mitarbeiten, desto besser. Das Ergebnis sollten schließlich möglichst konkrete Maßnahmen mit klarem Kosten- und Personalressourcen-Plan umfassen, die stetig angepasst werden können an die neuen Gegebenheiten.
- Barrierefreiheit beim Zugang zur Verwaltung schaffen
Alle kommunalen Serviceeinrichtungen und Dienstleistungen müssen barrierefrei zugänglich werden. Die Digitalisierung kann hierbei zwar helfen, ist laut Menn aber keinesfalls die alleinige Lösung. „Nicht jeder Hochaltrige hat Zugang zu und Kenntnis von digitalen Medien“, so der Experte, von daher muss auch der analoge Weg erhalten bleiben.
- Barrierefreiheit auch in den Außenanlagen gewährleisten
Damit ältere Mitbürger möglichst lange auch am Freizeitleben teilnehmen können, müssen Park- und Freiflächen in den Blick genommen werden. Diese sind mit genügend Sitzgelegenheiten auszustatten, Stufen sind rückzubauen, Wege rollstuhltauglich zu gestalten.
- Bewusstes Quartiersmanagement
Quartiersgestaltung ist im besten Falle Demografiepolitik. „Damit Menschen möglichst lange in ihrem Zuhause wohnen bleiben können, braucht es eine gut erreichbare Infrastruktur in ihrem Quartier, also ausreichend Ärzte, eine umfassende Nahversorgung und einen funktionierenden ÖPNV. Diese Aspekte müssen bei jeder Bauplanung mitbedacht werden“, so der Experte.
- Sensibilisierung und Aufklärung der Bürger
Auch jeder Einzelne kann vorsorgen für das Leben im Alter – sofern er sich damit auseinandersetzt. Hier braucht es Aufklärungsarbeit von kommunaler Seite, etwa was Möglichkeiten der Umgestaltung der Wohnungen anbelangt. „79 Prozent aller über 64-Jährigen haben keinen stufenlosen Zugang zu ihrer Wohnung und den meisten ist überhaupt nicht bewusst, was sie im Alter wirklich brauchen werden“, so Menn. Infovorträge und Beratungen vor Ort können hier helfen.
- Orte der Begegnung schaffen
Ebenso wichtig wie die baulichen Rahmenbedingungen sind die Möglichkeiten sozialer Teilhabe. Kommunen sollen deshalb soziale Räume und Begegnungs-Orte schaffen, an denen die Generationen in den Austausch kommen. „Das ist das beste Mittel gegen die Einsamkeit, die häufig ein großes Problem darstellt im Alter“, sagt Menn, zudem fördere es die demokratischen Prozesse. Dabei sei auch das Wording zu beachten: „Seniorentreff etwa ist kein gutes Wort, um die Leute abzuholen – das schreckt viele ab“, warnt der Experte.
- Demografie-Beauftragte als Stabstelle einrichten
„Die Umgestaltung der Kommune zur demografiefesten Stadt ist eine Querschnittsaufgabe“, sagt Menn, und entsprechend brauche es eine übergeordnete Stabstelle, die alle Bereiche überblicke und verbinde.
- Generation der Babyboomer einbinden
„Die Generation der Babyboomer macht fast 30 Prozent der Bevölkerung aus und verfügt über einen großen Erfahrungsschatz und viel Knowhow. Das sollte man nutzen als Kommune, gerade wenn es um die Anpassung des Ortes geht“, sagt Menn. So solle man die Älteren „mit ins Boot holen und in die Pflicht nehmen“, damit die Stadt auch für die Hochaltrigen ein attraktiver Lebensort bleibt.
- Mit anderen Kommunen und Experten austauschen
Oft haben die Kommunen ähnliche Probleme und Themen. Das Wichtigste ist es, genau zu verstehen, was passiert und offen zu bleiben für neue Lösungen. „Hier hilft es, sich Input von außen zu holen und sich anzuschauen, wie andere Kommunen den demografischen Wandel angehen.“
Als Mitglied des Teams „Demografische Zukunftschancen“ der Stiftung betreut David Menn unter anderem das Projekt „Stadtlabor“ und hat dort intensiven Einblick in die Prozesse in den Kommunen. Dabei stellt er fest, dass das Thema „demografischer Wandel“ zwar grundsätzlich angekommen sei in den Kommunen, viele aber noch keinen rechten Plan hätten, wie sie nun vorgehen sollen. Zudem gebe es kein flächendeckendes Bewusstsein, was der demografische Wandel wirklich bedeutet. „Obwohl die Zahlen eine klare Sprache sprechen, wird das Thema oft nur vage und eher theoretisch angegangen“, so Menn. Dabei sind die Folgen schon jetzt deutlich: „Der nun so drastisch spürbare Fachkräftemangel ist seit Jahrzehnten absehbar gewesen – trotzdem wirken viele Verwaltungen davon überrascht“, sagt er.
Demografischer Wandel: Anpassung als Kernaufgabe
Umso entscheidender ist es laut Menn, von der Theorie in die Praxis zu gehen und als Kommune möglichst konkret und in der Breite Maßnahmen zu erarbeiten, die auch den nächsten Generationen helfen. „Bei der Umgestaltung der Kommunen und ihrer Anpassung an den demografischen Wandel handelt es sich um DIE kommunalpolitische Aufgabe der nächsten Jahrzehnte“, sagt Menn. Dabei gehe es bei weitem nicht nur um die Interessen der älteren Bürger, sondern vielmehr um die komplette Lebensspanne. Ist eine Kommune altersfreundlich, steigere das letztlich auch die Attraktivität dieses Ortes für junge Familien. „Es ist gut zu wissen: hier kann man bleiben und alt werden“, so der Experte. „Die Verwaltung muss nicht alle Antworten liefern. Aber sie muss die richtigen und wichtigen Fragen stellen und dann alle miteinbeziehen.“
Verschiedene Projekte zum Thema "Alter und Demografie" der Körber-Stiftung