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Demografie
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Demografischer Wandel

Was macht ein Demografiemanager?

25. Juni 2022
Das Berufsbild ist relativ neu und sehr vielseitig. Von interkommunaler Zusammenarbeit bis zur Wirtschaftspolitik: Gerhard Faller-Walzer ist Demografiemanager in der Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land. Im KOMMUNAL-Gastbeitrag gibt er einen Einblick in seine tägliche Arbeit

Gerhard Faller-Walzer

Die Tätigkeiten eines Demografiemanagers sind vielfältig, das ‚Berufsbild’ relativ neu und  das Aufgabenfeld nicht in jeder Kommunalverwaltung identisch, sofern sie überhaupt einen Demografiemanager in ihrem Personal-Portfolie aufweisen. Über meine Tätigkeit in der Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalts schönem Norden lässt sich viel berichten.

Demografiemanager und das Entwicklungskonzept

Angefangen hatte es 2017 mit dem integrierten Entwicklungskonzept für die Verbandsgemeinde mit ihren sechs Mitgliedsgemeinden. Es ging um die Förderung im Rahmen des Programmes „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“.  Bekanntlich gehört zu solch einem Konzept immer auch eine Schwächen- und Stärken Analyse sowie ein Leitbild, Handlungsfelder und Schwerpunktthemen nebst Zukunftsstrategie und Aktionsprogramm. Die Räte der Mitgliedsgemeinden und der Verbandsgemeinderat beschlossen dann 2018 das Entwicklungskonzept.



Doch wer sollte das Entwicklungskonzept in der Verwaltung in Kooperation mit den Gemeinden umsetzen? Nun kommt der Demografiemanager ins Spiel. Bislang gab es eine solche Stelle im Landkreis noch nicht, es konnte keine ‚Blaupause’ zu Rate gezogen werden. Wie diese neu zu schaffende Stelle finanzieren? Welche Aufgaben sollte das Stellenprofil umfassen? Die Finanzierung konnte durch eine LEADER-Förderung für 18 Monate abgesichert werden.

Netzwerke unterstützen

In der ‚Theorie’ sollten unter anderem folgende Aufgaben umgesetzt werden: selbstständige Umsetzung des integrierten Entwicklungskonzeptes der Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land, vor allem Unterstützung der interkommunalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsgemeinden in den Bereichen Demografie, Wirtschaft und Brachflächen. Zudem sollten Organisationsformen zur Sicherung der Daseinsvorsorge initiiert und unterstützt werden und öffentlich-private Netzwerke, wie Unternehmerstammtische, Vereine/Ehrenamtliche, Kulturschaffende.

Vorausschauendes Demografie-Management

Weitere Schwerpunkte meiner Arbeit bilden die selbstständige Organisation von öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen und Aktionen zur Förderung des Zusammenwachsens der Verbandsgemeinde, die Schaffung einer Willkommenskultur zur Einbindung von Rückkehrern und Neubürgern und die Übernahme einer aktiven Rolle in der Wirtschafsförderung durch Initiativen zur Neuansiedlung von Unternehmen und Gründung von Start-ups. Last but not least  soll ein Demografiemanager die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren und wirtschaftliche und gesellschaftliche Stakeholder für den demografischen Veränderungsprozess gewinnen. Wichtig ist ein vorausschauendes Demografie-Management.



Wegen Corona lief einiges auf Sparflamme. Weder konnte der bereits organisierte Unternehmerstammtisch, der Tag des Ehrenamtes, Projektvorstellungen in den Mitgliedsgemeinden noch Netzwerktreffen stattfinden. So lag der Fokus auf weniger Kontakt intensiven Bereichen. Der Runde Tisch Jugendpolitik, das Partizipations-Café „Jugendbeteiligung – wie anfangen?“, Kultur macht stark und Chancen von Digitalisierung, fanden wie die Fachkonferenz Elektromobilität online statt.

Demografiemanager Gerhard Faller-Walzer
Demografiemanager Gerhard Faller-Walzer hat zahlreiche Aufgaben.



Zu meinen Aufgaben gehört auch die Antragstellung für Förderprogramme für öffentliches und kostenfrei nutzbares WLAN,, „Engagiertes Land“ der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt und etwa Projektanträge für „Pilotvorhaben Kommunale Kinder- und Jugendförderung“ beim Landeszentrum Jugend und Kommune. Ich kümmere mich um das „WIR!- Programm Elbe Valley“ und die Neugestaltung der Website der Verbandsgemeinde. Außerdem unterstütze ich eine kommunale Immobilienplattform.

Jugendliche einbinden

Ein Herzensthema: In der Studie „Altmärkische Jugend zwischen Gehen und Bleiben“ der Hochschule Magdeburg-Stendal und Kinderstärken e.V. zeigte sich, dass Jugendliche, die an schulischen und kommunalen Entscheidungsprozessen mitwirken können, eher in der Region bleiben beziehungsweise wieder kommen und weniger oft weggehen als „nicht mitbestimmende Jugendliche“. Die Einbindung in die Region durch Mitbestimmung, Engagement, Freizeitmöglichkeiten und eine Ermöglichungskultur und Struktur für selbstorganisierte Freizeitaktivitäten wird bei uns daher deutlich verbessert.

Und was bietet sich mehr an, dem negativen demografischen Trend entgegenzuwirken, als Kinder und Jugendliche auf die Möglichkeiten und Potentiale in ihrer Heimatregion hinzuweisen und ja, sie zu begeistern? Verlassen die jungen Menschen dauerhaft die - strukturschwache - Region bedeutet dies einen Verlust an künftigem demografischem und wirtschaftlichem Potenzial. Es gilt, wertschätzende und unterstützende Haltungen zu fördern, Dialoge zu verbessern, um die Abwärtsspirale zu unterbrechen. Gelingt es an der Stellschraube Ab-/Zuwanderung/Rückkehrer zu drehen, kann dieser Verlust minimiert oder idealerweise in einen Zugewinn umgekehrt werden.

Wenn Jugendliche mitbestimmen dürfen, bleiben sie eher in der Region.“

Demografiemanager Gerhard Faller-Walzer

Um die Situation der Kinder und Jugendlichen speziell in unserer Verbandsgemeinde zu erfahren, entwickelten wir zusammen mit Jugendlichen, dem Verein Kinderstärken und dem Förderverein Jugendzentrum Havelberg, der auch die Jugendclubs in unserer Kommune betreut, den Fragebogen „Du und Deine Verbandsgemeinde“. Es stellte sich heraus, dass von 45 teilnehmenden Kinder und Jugendlichen 35 Prozent den Bürgermeister nicht kannten und 20 Teilnehmer ihren Gemeinde-/Stadtrat nicht kannten, 77 Prozent konnten sich nicht vorstellen, in einem dieser Gremien mitzuarbeiten, gefragt nach ihren eigenen Ideen, Gedanken und Wünschen machten 33 Teilnehmer keine Angaben.

"Meet the Bürgermeister"

So wurde zunächst das Format „Meet the Bürgermeister“ geschaffen. Die Kinder und Jugendlichen sollten die Möglichkeit bekommen, in jeder der sechs Mitgliedsgemeinden den jeweiligen Bürgermeister und die Verbandsgemeindebürgermeisterin in einem persönlichen Treffen kennen zu lernen, aber auch ihre Probleme zu thematisieren und Wünsche einzubringen.

Kommune kann Jugendparlament einsetzen

Das Land Sachsen-Anhalt hat in seinem Kommunalverfassungsgesetz mit dem § 80a festgelegt, dass Kommunen Kinder und Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die deren spezifische Interessen berühren, zu beteiligen sind. Die Ausgestaltung, etwa die Schaffung eines Jugendparlaments oder eines Beirats, kann die Kommune in einer Satzung selbst festlegen. So gesehen war „Meet the Bürgermeister“ erst der Auftakt, um die Kinder und Jugendlichen mehr für die kommunale Selbstverwaltung und ihre Protagonisten zu interessieren. Welche Möglichkeiten sie haben, selbst mitzugestalten, ihre Interessen und Wünsche einzubringen, zu konkretisieren und dann auch umzusetzen soll gemeinsam in einem Pilotprojekt für kommunale Kinder- und Jugendförderung „Kein Bock auf Politik!?“ ausgelotet und etabliert werden.