EXKLUSIVE UMFRAGE zu den Folgen von Corona unter 2300 Bürgermeistern - KOMMUNAL und Forsa mit der größten Analyse zu den Auswirkungen der Corona Pandemie
EXKLUSIVE UMFRAGE zu den Folgen von Corona unter 2300 Bürgermeistern - KOMMUNAL und Forsa mit der größten Analyse zu den Auswirkungen der Corona Pandemie
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Kaum Notfallpläne

Corona: Virus traf Deutschlands Kommunen unvorbereitet

Gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa haben wir von KOMMUNAL in der vergangenen Woche bei Ihnen in den Rathäusern nachgefragt: 2309 Bürgermeister haben sich an der größten Umfrage Deutschlands zum Thema Corona und den Folgen beteiligt. Die Ergebnisse machen Mut! Alle Zahlen und Ergebnisse im Überblick!

Corona und die Folgen - was bedeutet die Epidemie für Deutschlands Rathäuser? Das wollten wir von Ihnen in der Zeit vom 20. bis zum 26. März wissen. Unser Partner einmal mehr das Meinungsforschungsinstitut Forsa, die alle Daten repräsentativ zusammengestellt haben, so dass wir nun den genauesten Überblick über alle Regionen in Deutschland haben und sehr genau sagen können, wo in Sachen Corona der Schuh drückt und auch, was auffallend gut funktioniert hat.

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Notfallpläne gab es vor Corona kaum - und die wenigen haben häufig nicht funktioniert 

Die Umfrage hat ergeben, dass nur jedes fünftes Rathaus in den Zeiten vor Corona einen Notfallplan in der Tasche hatte. In Großstädten gab es zwar in den meisten Fällen (79 Prozent) Pläne für den Fall einer Epidemie, vor allem auf den Dörfern jedoch nur selten (12 Prozent in Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern). Doch zum Nachteil ist das den kleinen Gemeinden nicht gereicht - denn wie heißt es so schön: "Grau ist jede Theorie" und so waren die Pläne, wo sie denn in der Schublade lagen, nur in 24 Prozent dieser Kommunen weitgehend anwendbar. Sechs Prozent der Kommunen, die einen Notfallplan hatten, haben uns in der Umfrage sogar erklärt, dass dieser reine Makulatur war und nicht im geringsten angewendet werden konnte.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen ist eben jede Epidemie anders. Einige hatten ihre Notfallpläne auf Hochwassersituationen oder Großbrände ausgelegt. In anderen vor allem größeren Städten stammen die Pläne aus Zeiten von Vogelgrippe oder Schweinepest. Inzwischen aber ist eine Zeit vergangen, Abteilungen wurden verändert, Zuständigkeiten verlagert und vieles mehr. Kurzum: Die Pläne passten in der Realität nicht zur Situation, in die der Corona Virus uns alle gebracht hat. 

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Das sind die größten Herausforderungen bei der Bewältigung der Corona Folgen: 

Pläne hin oder her - wichtig für die Bürgermeister in Deutschland war von Anfang an, wie sie die Probleme, die durch die plötzliche und unerwartete Situation - spätestens mit Verkündung der Einschränkungen im öffentlichen Leben - einherging, angegangen werden können. 21 Prozent der Bürgermeister nannten uns daher auch als wichtigste Herausforderung, zunächst einmal die Verwaltung aufrechtzuerhalten. Denn gerade Ordnungsämter und Gesundheitsämter (meist auf Landkreisebene) müssen schließlich jetzt erst recht auf Hochtouren arbeiten. 

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Auffallend übrigens: "Fehlende digitale Strukturen" nannten uns nur 2 Prozent aller Bürgermeister als eine der größten Herausforderungen. Entsprechend wenig verwunderlich ist es, wie schnell es gelungen ist, zumindest einen Teil der Mitarbeiter zur eigenen Sicherheit ins Home-Office zu beordern. 97 Prozent der Kommunen haben Mitarbeiter im Home-Office, die meisten davon "nur" einen Teil der Mitarbeiter (78 Prozent der Kommunen), immerhin jede fünfte Kommune hat beschlossen, die Arbeit komplett aus dem Home-Office zu organisieren (19 %). Zwischen großen und kleinen Städten sind die Unterschiede hier eher gering. 

Der Publikumsverkehr ist seit der Corona Epidemie weitgehend zum Erliegen gekommen 



 

Natürlich hat das Home-Office massive Auswirkungen auf die Öffnung der Rathäuser für den Publikumsverkehr. 40 Prozent aller Kommunen haben für den Publikumsverkehr gar nicht mehr geöffnet, 55 Prozent nur sehr eingeschränkt. Immerhin jedes 20. Rathaus (5 %) gab an, dass es für Bürger bisher keine Einschränkungen gebe. Die Umfrage haben wir in der Zeit vom 20. bis zum 26. März durchgeführt. 

Trotz der schlechteren Öffnungszeiten erreichen die Bürgermeister natürlich gerade in diesen Tagen besonders viele Anrufe und Meldungen besorgter Bürger. Allen voran stand in den ersten Tagen nach dem Shutdown das Thema Kinderbetreuung bei den Sorgen der Bürger ganz oben an. Aber die Bürgermeister in Deutschland haben auch unzählige Anrufe besorgter Bürger bekommen, die sich um ihre finanzielle Situation Sorgen machten oder konkret nach möglichen finanziellen Hilfen fragten. 58 Prozent der Bürgermeister wurden wegen der Kinderbetreuung persönlich kontaktiert, 57 Prozent wegen finanzieller Fragen.

 

Besonders groß sind die finanziellen Sorgen der Bürger in NRW (72 %), am seltensten werden Bürgermeister nach konkreten Hilfen in Bayern gefragt (44 %). Das liegt vor allem an einem deutlichen Stadt-Land-Gefälle. Bürger in kleineren Gemeinden haben seltener Sorge um die finanzielle Situation (47 % in Orten unter 5000 Einwohner) als Bürger in Großstädten (89 % in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern). 

 

Weiterhin beschäftigt die Bürger die Sorge um geschlossene Geschäfte und Versorgungsengpässe (38 %) und rund um Fragen zum Corona Virus selbst, etwa Ansteckungsmöglichkeiten, Verhaltensregeln oder Schutzmaßnahmen (36 %).

Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz machen sich - zumindest in Gesprächen mit den Bürgermeistern - 31 Prozent der Bürger. Auch hier liegen NRW und die ostdeutschen Bundesländer (44 % beziehungsweise 37 %) vorn, in Bayern und Baden-Württembemberg ist die Sorge um den Arbeitsplatz deutlich geringer (26 beziehungsweise 28 &).

 

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Was bedeutet die Corona Epidemie langfristig für die Arbeit in den Städten und Gemeinden?

Die Bürgermeister selbst machen sich derweil vor allem Sorgen um die finanzielle Zukunft ihrer Gemeinde. Bei der Fragen ach den langfristigen Folgen stand dieses Thema mit 33 Prozent der Nennungen ganz oben auf der Liste der Themen, die den Stadtoberhäuptern Sorgenfalten ins Gesicht zeichnen. Direkt dahinter steht die Antwort "allgemeiner finanzieller Schaden" (30 %) vor der konkreten Sorge, Geschäfte und Lokale in der Stadt könnten Insolvenz anmelden, was ja wiederum die Steuereinnahmen der Stadt senken würde. Keine großen Sorgen haben die Bürgermeister vor einem Stillstand der Verwaltung (11 Prozent machen sich Sorgen) oder vor zivilem Ungehorsam (8 Prozent), auch Versorgungsengpässe fürchten nur 5 %.

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In Grenzen hält sich derweil noch die Sorge über Probleme mit Bürgern, die amtlichen Anweisungen nicht Folge leisten. Gerade in den ersten Tagen nach dem Shutdown hatten ja einige mit sogenannten Corona-Partys zu kämpfen. Doch das scheint sich - insbesondere in kleineren Gemeinden - sehr schnell erledigt zu haben. 30 Prozent der Bürgermeister meldeten zwar Probleme, aber hier gilt: Je größer die Kommune, desto größer die Probleme mit Bürgern, die sich nicht an Regeln halten. In kleinen Gemeinden (unter 5000 Einwohner) lag der Anteil bei 23 Prozent, in Großstädten (über 100.000 Einwohner) bei 68 Prozent.  

Allerdings hatten bis zum 26. März auch erst 7 Prozent der Kommunen Bußgelder und Strafen verhängt. Vor allem in kleineren Gemeinden berichteten Bürgermeister, dass ihr persönliches Einschreiten umgehend Wirkung zeigte und sich von da an Bürger meist an die Anweisungen hielten. In Großstädten hingegen berichten 62 Prozent der Bürgermeister von verhängten Bußgeldern und Strafen. 

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Was bedeuten die Ergebnisse für die Politik? Was muss jetzt passieren?

Bund und Länder müssen sich nach Meinung der Bürgermeister zwei Dinge unbedingt anhören. 

1. Es braucht dringend mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern für die Kommunen. Die ostdeutschen Bürgermeister fordern das sogar zu 60 Prozent. Bürgermeister in NRW zu 58 Prozent, hingegen "nur" jeder dritte Bürgermeister in Bayern (35 Prozent). Das Land Bayern hatte zum Zeitpunkt der Umfrage die höchsten Hilfssummen aller Länder angekündigt. 

2. Die Informationspolitik von Bund und Ländern muss besser werden. Jede fünfte Kommune (19 %) fühlt sich durch Bund und Länder nicht ausreichend informiert. Vor allem seien Informationen nicht eindeutig (27 %) oder sie kommen nicht frühzeitig genug (22 %). Jedes sechste Rathaus bemängelt zudem, dass konkrete Umsetzungsstrategien beziehungsweise Ausführungsvorschriften zur Umsetzung fehlen. Nur jeder siebte Bürgermeister (13 Prozent) wünscht sich hingegen ein einheitlicheres Vorgehen in Deutschland. Mehr Zentralismus wäre also die komplett falsche Antwort auf die Corona Epidemie. 

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Die Welt am Sonntag hat vorab einen Teil der Zahlen exklusiv von uns bekommen. Gegenüber Welt am Sonntag erläuterte KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt die wichtigsten Ergebnisse wie folgt: 

 

"Nur 20% der Gemeinden hatten vor Corona Notfallpläne für eine Epidemie, wo vorhanden, war diese nur in jeder vierten Gemeinde weitgehend anwendbar. Die Corona-Epidemie hat die Kommunen also nahezu unvorbereitet getroffen“. 

„Die Arbeit in den Rathäusern wurde durch Corona völlig auf den Kopf gestellt. Nur 1 Prozent der Kommunen haben noch vollständig geöffnet. Umso mehr erstaunt es, wie schnell die Städte und Gemeinden reagieren konnten. Vier von 5 Kommunen haben kurzfristig Home-Office Arbeitsplätze ermöglicht, vor dem Hintergrund der hohen Datenschutzstandards ein gigantischer Wert“. 

„In Ostdeutschland spielt die Notbetreuung von Kindern eine erheblich größere Rolle als in den alten Bundesländern. Die Bürger wenden sich hier auffallend häufiger wegen Problemen und Sorgen rund um ihre Kinder an den Bürgermeister als etwa in Nordhrein-Westfalen oder Bayern“. 

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte einige Zahlen vorab von uns erhalten. Im Rahmen der Berichterstattung erläuterte Christian Erhardt diese Zahlen wie folgt: 



 

„An einem Schutzschirm für Kommunen führt kein Weg vorbei. Die große Mehrheit der Bürgermeister sieht schon jetzt enorme Steuerausfälle auf seine Gemeinde zukommen. Auch das Veröden der Innenstädte durch das Sterben weiterer Geschäfte und Kneipen wird absehbar weiter zunehmen. Jeder zweite Bürgermeister fordert daher konkret mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern. Das gilt vor allem für die strukturschwachen ostdeutschen Bundesländer. Einzig die Landesregierung in Bayern konnte ihre Bürgermeister offenbar mit den finanziellen Hilfsangeboten überzeugen. Hier fordert nur jeder dritte Bürgermeister mehr Hilfen“. 

„Zwei von drei Bürgermeistern wünschen sich klare Anweisungen und Vorlagen zur Umsetzung der Bestimmungen. Die Informationspolitik von Bund und Ländern lässt nach Ansicht der Kommunen zu wünschen übrig. Die Informationen sind oftmals nicht eindeutig oder kommen nicht rechtzeitig. Hier müssen Bund und Länder besser kommunizieren“.

„Trotz der völlig unvorbereiteten Corona-Krise ist es auffallend, dass sich kaum ein Rathaus-Chef bisher mit der Situation überfordert fühlt. Die dezentrale Struktur mit Kompetenzen für Kommunen vor Ort hat sich also bewährt. Die Gesundheits- und Ordnungsämter arbeiten zwar am Limit, sind den Aufgaben aber gewachsen. Mehr Zentralismus wäre das absolut falsche Signal und kontraproduktiv. Wenig verwunderlich, dass sich nur jeder siebte Bürgermeister ein einheitlicheres Vorgehen in Deutschland wünscht“. 

Hintergrund: 

KOMMUNAL hat gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa in der Zeit vom 20. bis zum 26. März diese Umfrage durchgeführt. Es haben sich insgesamt 2309 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beteiligt. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern an dieser Stelle ganz herzlich. So geben Sie uns einen wichtigen Einblick in Ihre Sorgen und Hoffnungen. Und nur so können wir Ihre politischen Forderungen an Bund und Länder weitergeben und den Druck auf die Politik erhöhen, die Kommunen zu hören und zu fördern! DANKE - getreu unserem Slogan bei KOMMUNAL: WIR GESTALTEN DEUTSCHLAND - GEMEINSAM MIT IHNEN!