Teststation Rathaus Tübingen
Einer der Vorreiter in der Corona-Pandemie: Die Teststation vor dem Rathaus Tübingen.
© Gudrun Mallwitz

Neue Testverordnung

Das soll sich bei Corona-Teststationen ändern

Eine neue Testverordnung soll den Abrechnungsbetrug mit Corona-Tests verhindern helfen. Die kommunalen Spitzenverbände haben mit dem Bundesgesundheitsministerium, den Ländern und der Kassenärztlichen Vereinigung nicht nur darüber beraten, wer die Abrechnungen kontrolliert. Nach Informationen von KOMMUNAL war man sich einig, dass die Testverordnung künftig einen Missbrauch erschweren soll. Für die Tests soll es zudem weniger Geld geben. Im Streit um die Kontrolle der Abrechnungen hingegen wurde noch keine Einigung erzielt.

Sie schossen wie Pilze aus dem Boden: Die Corona-Teststationen. Tausende werden inzwischen auch privat betrieben. Vor Apotheken, bei Friseuren, vom Zeitschriftenladen und sogar von Besitzern von Shisha-Bars. Bürgerinnen und Bürger freuen sich über die vielen Testgelegenheiten, denn wer will nicht möglichst vor der Haustür zum Testen und dann am besten gleich drankommen, ohne Warteschlange. Der Bund übernimmt die Kosten für mindestens einen Schnelltest pro Bürger und Woche. Die Teststellen erhalten 18 Euro pro Test. Doch das soll sich ändern. Möglicherweise mit Übergangsfristen, da viele Tests noch teuerer einkauft worden waren. Die neue Testverordnung soll zudem auch die Kontrolle und andere Vorgaben verbindlich festlegen. Dies soll helfen, Abrechnungsbetrug mit Corona-Tests an den Teststationen möglichst zu verhindern. Auch soll noch stärker als bisher die Zulassung neuer Teststellen im Einzelfall geprüft werden.

Neue Testverordnung: Wer jetzt kontrolllieren soll

Nach mehreren aufgedeckten Betrugsfällen in Nordrhein-Westfalen und Bayern wurde der Ruf nach besserer Kontrolle laut. Doch wer soll sie leisten?  Dieser Streit konnte bei der  Beratung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums, der Länder und der Kassenärztlichen Vereinigung am  Freitag, 4. Juni, nach KOMMUNAL-Informationen nicht beendet werden.

Kritik: Bisherige Testverordnung lädt zu Missbrauch ein

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte den Gesundheitsämtern die Verantwortung für die Kontrolle der Corona-Testabrechnungen zugewiesen. Die Kommunen sehen aber ganz klar die Kassenärztliche Vereinigung in der Pflicht. Diese wiederrum wehrt sich weiterhin gegen den Mehraufwand. Für die Zertifizierung und Qualitätskontrollen seien die Gesundheitsämter verantwortlich, nicht aber für die Abrechnungen, argumentieren die Kommunen. Sie kritisieren die Testverordnung aus dem Hause Spahn scharf. Die Verordnung lade geradezu zu Missbrauch ein, da darin die Anforderungen an die Abrechnungen zu vage formuliert sind. Damit wollte das Bundesgesundheitsministerium wohl eine möglichst unbürokratische Abwicklung ermöglichen.

Das ist jetzt für die Corona-Teststationen geplant:

Die neue Testverordnung soll nun nach Informationen von KOMMUNAL ermöglichen, dass Schnelltestbetreiber stärker kontrolliert werden können. Außerdem sollen die Betreiber statt der bisherigen 18 Euro pro Antigen-Schnelltest weniger bekommen. Im Gespräch sind 12 Euro. Denn die Tests sind inzwischen im Einkauf günstiger geworden.

Auch wird heftig kritisiert, dass die Testzentren bislang keine Angaben über die Getesteten vorlegen müssen, sondern nur die Zahl der vorgenommenen Tests angeben müssen. In den mutmaßlichen Betrugsfällen waren offenbar viel mehr Tests abgerechnet worden als vorgenommen wurden. Künftig sollen Abrechnungsdaten für Tests von den Kassenärztlichen Vereinigungen zusätzlich abgeglichen werden und auch die Finanzämter einbezogen werden. Doch die KV bleibt offenbar bei ihrer Weigerung.

Seit Jahresbeginn bis Mitte Mai sind in Deutschland einem Bericht des "Redaktionsnetzwerk Deutschland" mehrere Hundert Millionen Euro in Zusammenhang mit Corona-Schnelltests abgerechnet worden. Rund 225 Millionen Euro entfielen auf Antigen-Schnelltests, weitere rund 338 Millionen Euro auf das Nehmen von Nasen- oder Rachenabstrichen, die für Schnell- und PCR-Tests nötig sind. Dies gehe aus Antworten des Gesundheitsministeriums auf Fragen der SPD-Bundestagsfraktion hervor. Die Zahlen beziehen sich aber nicht nur auf die sogenannten Bürgertests, sondern auf alle Corona-Tests.

Deutscher Städte- und Gemeindebund: Datenschutz behindert Kontrolle

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, fordert, dass Bund und Länder rasch Kontrollmechanismen einführen müssen. Er warnt vor einem Generalverdacht gegen alle Teststationen. "Die Ereignisse zeigen aber, dass wir ein besseres und kontrollierteres Verfahren brauchen", betonte Landsberg. "Die Kommunen sind in diesem Verfahren nicht beteiligt. Es handele sich in den allermeisten Fällen um privatrechtliche Strukturen im Auftrag des Bundes. Soweit Kommunen selbst Teststationen betreiben, sind Auffälligkeiten nicht bekannt geworden." Die Kontrolle würde deutlich erleichtert, wenn nicht aus Datenschutzgründen die Daten alle getesteten Personen jeden Tag gelöscht werden müssten. "So kann man hinterher nicht mehr feststellen, wer eigentlich wirklich getestet wurde", betonte Landsberg.

Auf Anfrage von KOMMUNAL sagte Uwe Lübking, zuständiger Dezernent beim Städte- und Gemeindebund: "Uns ist sehr an einem Verfahren gelegen, das sicherstellt, Bürgern unbürokratisch Tests anbieten zu können. Auf der anderen Seite muss die öffentliche Hand aber dafür sorgen, dass mit den öffentlichen Mittel ordnungsgemäß umgegangen wird." Es müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, die "schwarzen Schafe" zu ermitteln. Lübking warnt: "Es dürfen jetzt nicht alle, die sich bemüht haben, Teststationen aufzubauen, in die Ecke von Betrügern gestellt werden."

Deutscher Städtetag: Abrechnung durch Kassenärztliche Vereinigung kontrolllieren

Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy wehrt sich dagegen, dass die Gesundheitsämter sich an der Abrechnungskontrolle beteiligen. "Die Abrechnungen der Tests laufen komplett über die Kassenärztlichen Vereinigungen. Die Gesundheitsämter sind daran nicht beteiligt", sagte Dedy in einem Interview mit der Saarbrückener Zeitung. Die Gesundheitsämter wiederum beauftragten die Testzentren mit der Aufgabe des Testens. Sie kontrollieren stichprobenartig die Einhaltung von Hygienestandards, wie sie das auch bei ambulanten Gesundheitseinrichtungen vor Ort tun, so Dedy. Er fordert: Die Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums müsse zügig geändert werden. Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Die Gesundheitsämter sind aber keine Buchprüfer."

Warum Teststationen schließen müssen

Inzwischen müssen immer wieder Teststationen schließen. So auch ein Schnelltestzentrum im Kreis Ortenau in Baden-Württemberg. Wie die Lahrer Zeitung  berichtet, bestehe der Verdacht der Mauscheleien zwischen Betreiber und Getesteten. Laut Landratsamt werden darüber hinaus an 149 Standorten Bürgertests angeboten.  Sprecher Kai Hockenjos sagte, es seien "schwerwiegende Mängel" festgestellt worden.

Berlin: Apotheke muss Teststation abbauen - wegen "Wahlkampfwerbung"

In Berlin muss im Bezirk Zehlendorf eine Teststation vor einer Apotheke zumachen. Dabei ging es nicht um einen etwaigen Abrechnungsbetrug. Ein Wahlkreisabgeordneter hatte der Apotheke einen Wahlkampfbus mit seinem Namen und seinem Gesicht als Teststation zur Verfügung gestellt. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci läßt der Apotheke die Zertifizierung entziehen. "Was mir missfallen hat, ist der parteipolitische Missbrauch dieser Testmöglichkeiten“, sagte Kalayci im Berliner Abgeordnetenhaus. Bürgertesten bedeute, dass die Stelle politisch, religiös neutral sein muss. Wenn auf dem Bus der Name eines Politikers stehe, dann sei diese Teststelle nicht neutral. Es stellt sich damit für viele aber die Frage: Ist es religiös neutral, wenn etwa die evangelische Kirchengemeinde am Weinberg Corona-Tests anbietet? Dann müssten zahlreiche auch solcher Teststellen schließen.

Berlin richtet Beschwerde-E-Mailadresse zu Corona-Teststationen ein

Die Gesundheitssenatsverwaltung hat jetzt eine E-Mail-Adresse eingerichtet, über die Bürger Auffälligkeiten an den Corona-Teststationen melden können. Seit 3. Juni steht allen Bürgerinnen und Bürgern der Hauptstadt eine E-Mail-Adresse zur Verfügung, an die Beschwerden gerichtet werden können: testtogo-beschwerde@sengpg.berlin.de. Mehr Informationen dazu.

Derzeit gibt es laut Senatsverwaltung in der Hauptstadt etwa 1.600 Covid-19-Teststellen, die insgesamt und 745.000 Tests täglich durchführen können. Die Qualitätskontrolle dieser Teststellen und das Beschwerdemanagement liege bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, heißt es in einer Mitteilung, und das "in enger Zusammenarbeit mit den Gesundheits- und Ordnungsämtern der zwölf Berliner Bezirke, mit der Polizeibehörde und dem Zollamt".

Hier geht es zur aktuellen Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums als pdf! Bundesgesundheitsminister Spahn will die neue Testverordnung so rasch wie möglich vorlegen.