Kanzler Scholz und Jusitziminister Buschmann im Bundestag zur Corona-Politik - am Mittwoch findet die erste Lesung statt
Kanzler Scholz und Jusitziminister Buschmann im Bundestag zur Corona-Politik - am Mittwoch findet die erste Lesung statt

Bundestags-Debatte

Corona-Politik: Was ab kommender Woche noch möglich ist und was nicht...

Am Mittwoch fand im Bundestag die erste Lesung des Gesetzesentwurfs zum neuen Infektionsschutzgesetz statt. KOMMUNAL hatte den Entwurf schon vor einer Woche veröffentlicht - seither diskutiert Deutschland: Was ist überhaupt möglich und was nicht? Ein spannendes Rechtsgutachten gibt den Rahmen vor. Und der ist deutlich enger, als die meisten Politiker wahrhaben wollen. Ein Überbick.

Wer die erste Lesung der Bundestagsdebatte verfolgt hat, kommt zu dem Schluss: KEINER, aber wirklich keiner ist mit dem Gesetzesentwurf glücklich. Und doch wollen alle, allen voran die Ampelkoalition, möglichst geräuscharm den Entwurf am Freitag beschließen. Vor allem die Grünen machten deutlich, dass sie eigentlich die Maskenpflicht in Innenräumen unbedingt beibehalten wollen. "Es handelt sich um einen Entwurf, der uns Grüne nicht zufriedenstellt", so Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink. Auch in der SPD halten viele die Abkehr von der Maskenpflicht für einen Fehler. Die FDP hingegen würde am Liebsten weitgehend zur Normalität zurückkehren, nennt die Beibehaltung der Maskenpflicht im Nah- Fern- und Flugverkehr aber einen Kompromiss. Und die Opposition drischt vor allem auf Gesundheitsminister Lauterbach ein, der zudem wegen anderer Termine zu spät zur Diskussion in den Bundestag kam. Die CDU liess ihn in den Plenarsaal zitieren. Lauterbach sei schon "nach einem Vierteljahr k.o." heißt es auch von der Linken. 

Ein Rechtsgutachten gibt den Rahmen vor... 

Jetzt liegt ein Gutachten aus dem Hause des Jusitziministeriums vor: Der Inhalt: Gesundheitsminister Lauterbach hat mit seinen Plänen kaum eine Chance. Das Papier liegt der Tageszeitung Welt vor, KOMMUNAL hat es noch nicht im Original gelesen. Die veröffentlichten Zitate daraus sprechen aber eine eindeutige Sprache.

Entscheidend für die Corona-Politik ist die Frage der Überlastung der Krankenhäuser 

Inzidenzzahlen, so zitiert die Welt aus der Analyse, sind künftig überhaupt kein Gradmesser mehr, um irgendwelche Maßnahmen zu begründen. Einzig und allein die Frage, ob eine Überlastung der Krankenhäuser droht, ist demnach ein Kriterium. Das vierseitige Papier weist immer wieder auf den "Ausnahmecharakter" hin und auf "Hotspot-Regelungen" - übersetzt heißt das: Restriktionen, auch etwa die Maskenpflicht, sind überhaupt nur sehr regional möglich, sind zudem die absolute Ausnahme und können nur verhängt werden, wenn in der Region die Krankenhäuser überlastet sind und es keine Ausweichmöglichkeiten gibt. So zumindest die Lesart des Justizministeriums. 

Wichtig: Das Verhindern von Ansteckungen begründet keine Maßnahmen mehr, lediglich das Funktionieren des öffentlichen Gesundheitssystems. 

Corona-Politik braucht mildere Mittel

Die Gutachter sagen sogar: Selbst wenn die Krankenhäuser etwa in einem Landkreis überfüllt sind, müssen die Behörden zunächst prüfen, ob im Nachbarkreis nicht etwa Plätze frei sind. Genau das dürfte in der aktuellen Situation übrigens fast immer der Fall sein. Die Bild-Zeitung hatte zu dem Thema vor wenigen Tagen aus einem Brief von Gesundheitsminister Lauterbach zitiert, in dem er sich an Krankenhausvertreter gewandt hatte. Zitat: "Unter Berücksichtigung der stabilen Situation auf den Intensivstationen ist aktuell eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr zu erwarten.“

An einer Stelle schränkt das Papier des Jusitziministeriums aber ein. Möglich sei natürlich, dass eine neue Variante des Corona-Virus auftritt, das wieder deutlich tödlicher verläuft als die aktuelle Omikron-Variante. Dann müsse neu bewertet werden. Absehbar sei das derzeit aber nicht. 





Das Fazit in dem Papier ist laut Welt daher eindeutig. Zitat:  „Die Festlegung von Gebietskörperschaften als Hotspot durch einen Landtag dürfte voraussichtlich allenfalls in sehr begrenztem Umfang erfolgen.“ Ob die Voraussetzungen für einen „Hotspot“ vorliegen, könne und müsse von den Gerichten vollständig überprüft werden.

Diskussion um richtige Corona-Politik geht dennoch weiter

Dessen ungeachtet fordern vor allem Politiker von SPD und Grünen, aber auch wieder aus der CSU, deutlich schärfere Maßnahmen auch nach dem Ende der bisherigen Maßnahmen Anfang April (nach dem 20.3. gibt es eine Übergangsfrist, damit die Länder ihre Gesetze anpassen können). So fordert SPD-Chefin Saskia Esken weiter eine Regel zum Mund- und Nasenschutz etwa im Einzelhandel. Und auch im Öffentlichen Personen-Nahverkehr sowie im Fernverkehr fordert sie weiter mindestens eine 3G Regel - die Länder sollen zudem schärfere Maßnahmen beschließen dürfen. 

Corona-Politik: Twitter-Account von Karl Lauterbach
Corona-Politik: Twitter-Account von Karl Lauterbach

Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen forderte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ebenfalls Maßnahmen nach dem 20.3. Er halte es für "das wahrscheinlichste Szenario", dass es bis zum Herbst eine neue Variante, die gefährlicher als alle vorangegangenen Mutanten sei, gebe.

Und Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder twitterte gestern: "Nach den Plänen der Ampel gibt es gegen Corona keine echten Schutzmaßnahmen mehr. Damit stehen wir im Herbst neuen Mutationen schutz- und wehrlos gegenüber. So ist das weitgehende Weglassen der Maske verfrüht und kann z.b. in der Schule rasch zu einer sogenannten Durchseuchung führen". 

Brandenburg schert bei Corona-Politik komplett aus 

Was vor allem die Übergangsregelung regional bedeuten kann, zeichnet sich in Brandenburg ab. Dort meldet die Regierung am Montag den Corona-Hammer des Tages: Ausgerechnet in dem dünn besiedelten Flächenbundesland sollen erst mal alle Einschränkungen bleiben - teils soll es sogar Verschärfungen geben. Der Freedom-Day fällt damit in Brandenburg definitiv aus, denn die neue Verordnung soll schon ab diesem Freitag (18. März gelten). Konkret hat die dortige Gesundheitsministerin einen Entwurf vorgelegt, der FFP2 Maskenpflicht, 1,5 Meter Abstand und Zutrittsbeschränkungen in Geschäften, Bussen, Museen, Kinos, Freizeitparks und Kulturveranstaltungen vorsieht. Auch in der Schule bleibt es demnach bei der Maskenpflicht. In Restaurants soll weiter 3 G gelten, gleiches gilt in Sporteinrichtungen und bei Friseuren. Bei Großveranstaltungen soll sogar 2 G gelten, gleiches gilt in Diskotheken und Clubs. Und die Landkreise sollen je nach Situation vor Ort die Maßnahmen noch weiter verschärfen dürfen. Die neue Verordnung gilt dann übergangsweise bis zum 2. April. Für die Zeit danach muss die Landesregierung den Beschluss der Bundesregierung abwarten und welche Möglichkeiten sich daraus noch ergeben. 

Kurz nach der Ankündigung in Brandenburg haben zahlreiche weitere Bundesländer im Laufe der Woche ganz ähnliche Übergangsregelungen angekündigt. Es war der Wunsch von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, die beiden Wochen der Übergangsfrist, die im Gesetzesentwurf des Bundes vorgesehen sind, für eine möglichst vollständige Beibehaltung der bisherigen Maßnahmen zu nutzen. Der sogenannte Freedom-Day wird auf diese Weise um mindestens 2 Wochen verschoben. Was danach ist, ist aktuell noch unklar. Denn erst nach dem Beschluss am Freitag im Bundestag können die Länder ihre Maßnahmen für die Zeit ab dem 2. April offiziell besprechen und beschließen. So sie denn noch einen Spielraum haben. In jedem Fall scheint es wahrscheinlich, dass sich Gerichte mit möglichen Einschränkungen nach dem 2. April werden befassen müssen. 

Corona-Politik: Das passiert am Freitag im Bundestag

Am Mittwoch war die erste Lesung des Gesetzesentwurfs zum neuen Corona-Schutzgesetz. Das Papier hat KOMMUNAL Ihnen im Wortlaut zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. Sie finden es in diesem Artikel unter der Überschrift: "Welche Regeln ab dem 20. März fallen, welche nicht".

Am Freitag nun soll der Bundestag final entscheiden. Gegenüber dem ersten Entwurf gibt es bisher nur minimale Änderungen. War im ersten Entwurf noch nicht explizit von einer Maskenpflicht im Fernverkehr die Rede, wurde das nun nachgezogen. Neu hinzu gekommen ist die Ausweitung der Maskenpflicht auf Arztpraxen und Rettungsdienste. Ob es bis Freitag weitere Änderungen gibt ist unklar, aber durchaus unwahrscheinlich.