Großveranstaltung Fußball
Der Ball liegt bei der Politik. Sollen Großveranstaltungen wie Fußballspiele mit Zuschauern doch untersagt werden?
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Corona-Pandemie

Amtsärzte fordern: Großveranstaltungen stoppen

Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, fordert ein Verbot von Großveranstaltungen. "Neben dem Impfen ist es dringend erforderlich, die Kontakte massiv einzuschränken", sagte sie im Interview mit KOMMUNAL. "Es reicht nicht, Großveranstaltungen auf einige Tausend Teilnehmer zu begrenzen. Großveranstaltungen sollten vorerst bundesweit ausgesetzt werden."

KOMMUNAL: Frau Dr. Teichert, reichen die von der Ampelkoalition geplanten erneuten Änderungen am Infektionsschutzgesetz aus, um die vierte Welle zu brechen?

Ute Teichert:  Neben dem Impfen ist es dringend erforderlich, die Kontakte massiv einzuschränken. Es reicht daher nicht, Großveranstaltungen auf einige Tausend Teilnehmer zu begrenzen. Großveranstaltungen sollten vorerst bundesweit ausgesetzt werden. Zudem sollten alle Bars und Diskotheken vorübergehend geschlossen werden. Ich bin für eine temporäre Schließung von Einrichtungen überall dort, wo das Virus besonders schnell und häufig übertragen wird.

Betrifft das auch die Schulen?

Es ist der politische Wille, die Schulen offen zu halten. Das heißt aber auch, dass dort alle notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden. Dazu gehören die AHA + L-Regeln sowie regelmäßiges Testen

Wären Sie für einen erneuten Lockdown?

 Aus Infektionsschutzgründen wäre ein Lockdown die effektivste Möglichkeit, da damit Kontakte massiv minimiert werden könnten. Das würde die Gesundheitsämter entlasten. 

Können die Gesundheitsämter denn die Kontakte überhaupt noch nachverfolgen?

Die meisten Gesundheitsämter sind mit der Kontaktnachverfolgung bei den steigenden Inzidenzen überfordert. Sie kommen in dieser Pandemie mit ihren vielen Aufgaben personell und organisatorisch nicht mehr hinterher. Es hängt allerdings stark davon ab, wie sie aufgestellt sind und wie hoch die aktuelle Inzidenz vor Ort ist. Das wechselt also von Tag zu Tag. Ich schätze: Rund 30 Prozent können derzeit die Kontakte nicht mehr nachvollziehen.

Was hat die Luca-App gebracht? Sollen die Lizenzverträge nach Ablauf verlängert werden?

Die Luca-App macht genau das, was sie soll. Sie liefert die Kontaktdaten auf digitalem Weg an die Gesundheitsämter. Das bedeutet eine Arbeitserleichterung, da die Daten nicht mehr händisch erfasst werden müssen, Aber ich kann nur sagen: Auch wenn über die Luca-App Daten an die Gesundheitsämter gemeldet werden, fehlt momentan das Personal, sie zu verarbeiten. Bei den hohen Infektionszahlen derzeit interessiert nicht mehr, wo die Menschen sich angesteckt haben, im Restaurant oder im Club. Da greift das Konzept der Nachverfolgung leider nicht mehr.

Was fordern Sie von der neuen Regierung?

Die Gesundheitsämter müssen endlich dauerhaft personell aufgerüstet werden. Es ist kein Konzept, jedes Mal die Bundeswehr als Helfer in die Gesundheitsämter hineinzuschicken, wenn die Inzidenzen steigen. Wir brauchen langfristig Unterstützung. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP zugesichert, den Pakt für den Öffentlichen Dienst zu verlängern. Das ist begrüßenswert. Er muss aber erst einmal anlaufen. Das Personal reicht weiterhin nicht aus, vor allem nicht, wenn die Corona-Zahlen so hochschießen wie in den vergangenen Wochen. Die Personalstärke für den öffentlichen Gesundheitsdienst war voriges Jahr bei einer Inzidenz von 50 berechnet worden. Jetzt haben wir es mit Inzidenzen von 500 bis 1500 zu tun. Die Ausstattung der Gesundheitsämter reicht von vorne bis hinten nicht.

Sind Sie für die allgemeine Impfpflicht in Deutschland?

Ich bin für eine Impfpflicht. Denn Impfen ist die wirksamste präventive Maßnahme zur Verhinderung von Infektionskrankheiten. Wenn man über eine Impflicht diskutiert, dann müssen aber dafür auch die Strukturen aufgebaut werden.  Wir sind derzeit doch gar nicht in der Lage, alle Menschen zu impfen, die das wollen. Eine Impfpflicht wird aktuell nichts nützen, wenn man sie nicht umsetzen kann. Wir brauchen auch genügend Impfstoff, was derzeit nicht der Fall ist. Die Logistik muss schneller werden und wir brauchen dringend auch mehr Leute, die impfen. Meine Forderung: Die Impfzentren sollen wieder an die Gesundheitsämter angeschlossen werden. Wir benötigen eine zentrale Anlaufstelle für Impfungen. Denn Impfen ist eine klassische Aufgabe für den Öffentlichen Gesundheitsdienst.

Sollen die von Ihnen geforderten Impfzentren bei den Gesundheitsämtern dann über die Corona-Pandemie hinaus bestehen bleiben?

Die Impfstellen werden noch lange gebraucht. Das Corona-Virus wird uns weiterhin begleiten.