Frau mit  Kind am Bahnsteig - die Menschen verlassen die Ukraine, viele suchen in Deutschland Zuflucht.
Mehr als zehn Millionen von Menschen flüchten wegen des Kriegs aus der Ukraine, mehrere Hunderttausend suchen in Deutschland Zuflucht.
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Ukraine-Hilfe

Chaos um Verteilung der Ukraine-Flüchtlinge

Die Kommunen beklagen die fehlende Flüchtlingsverteilung. Ein Landrat will deshalb vorübergehend keine Geflüchteten aus der Ukraine mehr aufnehmen. Er sagt: "Diese chaotischen Umstände gefährden die Motivation der haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in höchstem Maße." Was die Kommunen fordern, was die Bundesinnenministerin verspricht.
Aktualisiert am 30. März 2022

Eine solche Situation erleben die politisch Verantwortlichen, die Verwaltung und die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer derzeit in vielen Städten und Gemeinden quer durch Deutschland: Im Landratsamt Donau-Ries war die Ankunft von drei Bussen mit 150 Geflüchteten aus der Ukraine angekündigt worden. Alles war vorbereitet. Doch angekommen ist im bayerischen Donauwörth dann nur ein Bus mit 50 Menschen. Einige Tage später wurden 100 Menschen erwartet, schließlich kam die Nachricht, dass nur ein Bus ankommen wird - gegen 22 Uhr. Nach zwei Stunden Warten fuhr der Bus dann erst um Mitternacht vor - und es  stiegen nur elf Geflüchtete aus.

Ukraine-Flüchtlinge: Chaotische Zustände?

"Aufgrund der Erfahrungen der letzten Tage muss ich zum Schutz meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern – bei allem Verständnis für die Situation – darauf verweisen, dass wir unter diesen Umständen weitere Zuweisungen an den Landkreis Donau-Ries ablehnen werden", sagte Landrat Stefan Rößle zu KOMMUNAL. Ein drastischer Schritt. Der Landrat spricht aber wohl vielen Kommunalpolitikern aus der Seele, wenn er sagt:  "Diese chaotischen Umstände bei der Zuweisung der Flüchtlinge aus der Ukraine gefährden die Motivation der haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in höchstem Maße."

Landrat kritisiert Organisation

Der Landrat  schrieb an den Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann und an Regierungspräsident Erwin Lohner und forderte dringende Unterstützung, "dass diese unberechenbaren angekündigten Bustransfers so nicht weitergeführt werden". Weitere Zuweisungen an den Landkreis Donau-Ries lehne er daher vorerst ab. Als regionale Lösung schlägt er vor, dass Busse, die aus Berlin oder einem sonstigen außerbayerischen Standort angekündigt werden, zunächst im ANKER Augsburg, der Aufnahmestelle für Asylbewerber, ankommen, und von dort ein Weitertransfer zu üblichen Geschäftszeiten organisiert wird. Die Registrierung der Flüchtlinge sei mittlerweile bereits vor Ort im Landratsamt möglich. 

Bundesamt für Güterverkehr zuständig

Zudem kritisiert Landrat Rößle, dass für die Organisation der Verteilung der Schutzsuchenden von Berlin aus das Bundesamt für Güterverkehr zuständig ist, obwohl es doch um Menschen in Not geht.  Das Bundesamt habe wiederum die Deutsche Bahn beauftragt, die sich Subunternehmern bedient, die dann die Transporte durchführen. "Die Busfahrer sind nicht in der Lage, den Kreisverwaltungsbehörden, die sie ansteuern, verlässliche Informationen zur Anzahl der Personen oder zur Ankunftszeit zu geben. Dies ist eine Situation, die man sie sich in einem Land wie Deutschland, das weltweit in vielen Bereichen eine Spitzenposition einnimmt, eigentlich gar nicht vorstellen kann", heißt es in dem Schreiben des Landrats.

Länder: Flüchtlingsverteilung organisieren

Mehrere Länder verlangen inzwischen immer vehementer eine bessere Organisation bei der Flüchtlingsverteilung. In Berlin wurde der Ruf zuerst laut, denn dort kommen die meisten Geflüchteten aus der Ukraine an. Was die Koordinierung aber erschwert, ist der Fakt, dass die Menschen aus der Ukraine sich bis zu 90 Tage in Deutschland visafrei aufhalten dürfen - und selbst entscheiden, bei wem sie unterkommen. Viele gehen zunächst zu Verwandten oder Bekannten.

Städte- und Gemeindebund fordert geordnetes Verfahren

Mehr als 240.000 Geflüchtete aus der Ukraine sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums inzwischen in Deutschland angekommen. Überwiegend Frauen und Kinder. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte auf Anfrage von KOMMUNAL:  "Wir müssen zu einem geordneten Verfahren kommen. Dabei sind drei Prinzipien vorrangig: Erstens registrieren, zweitens nach dem Königsteiner Schlüssel verteilen, drittens Versorgung und Integration organisieren und die dauerhafte Finanzierung durch Bund und Länder gewährleisten."

Verteilung nach Königsteiner Schlüssel

Mit dem sogenannten Königsteiner Schlüssel wird jedes Jahr neu auf der Basis von Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl festgelegt, wie viele Asylbewerber ein Bundesland aufnehmen muss. Damit soll eine möglichst gerechte Verteilung auf die Bundesländer sichergestellt werden. Die Asylsuchenden werden durch ein computergestütztes System (Easy)erfasst.

Bundesinnenministerin kündigt Entlastung an

Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte an, dass der Königsteiner Schlüssel auch für Geflüchtete aus der Ukraine angewandt werden soll. Es sollen diejenigen verstärkt danach verteilt werden, die nicht privat in Familien oder bei Bekannten untergebracht und versorgt werden. "Wir arbeiten engstens mit den Ländern und Kommunen zusammen, um schnell für Entlastung und Verteilung zu sorgen. Bund, Länder und Kommunen sind gemeinsam in der Verantwortung", sagte die Ministerin. Auf Anfrage von KOMMUNAL sagte jetzt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums: "Die Verteilung der Geflüchteten aus der Ukraine erfolgt seit MItte März nach dem Königsberger Schlüssel."

In ihrer Rede im Bundestag hob Faeser hervor: Die bestmögliche Versorgung, Unterbringung und Verteilung der Geflüchteten – in Deutschland und der gesamten EU – hat jetzt höchste Priorität." Dieses Ziel wolle sie erreichen, in dem die Menschen über zusätzliche Drehkreuze auch in andere EU-Staaten gebracht werden, um sie bestmöglich versorgen zu können." Der Deutsche Städtetag forderte jetzt ebenfalls Bund und Länder auf, sehr schnell die angekündigte bessere Registrierung und Verteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine umzusetzen. Außerdem müsse schon jetzt die Integration angepackt werden, etwa in Schulen und Kitas. Für die Kostenerstattung seien schnelle Entscheidungen nötig.

Gleichmäßige Verteilung gefordert

Auch wenn der Frust über die schwierige Organisation tief sitzt, zeigen Kommunen auch Verständnis für die Situation. So sagte der Sprecher der Stadt Nürnberg zu KOMMUNAL: "Es ist derzeit wohl für alle Beteiligten in Bund, Land und auf kommunaler Ebene schwierig vorherzusagen, wie viele Geflüchtete aus der Ukraine wann wo ankommen." Er fordert aber auch: "Wichtig ist aus unserer Sicht, dass Geflüchtete aus der Ukraine möglichst gleichmäßig verteilt werden. Im Moment tragen vor allem die größeren Städte die Hauptlast; auch, weil hierher bevorzugt Geflüchtete kommen, die selbst anreisen. Natürlich auch, weil sie hier häufig schon Verwandte, Bekannte oder Freunde haben oder generell die Städte gegenüber dem ländlichen Raum bevorzugen." Für die großen Städte sei es ein enormer Kraftakt. "Daher appellieren wir, dass auch die Kommunen und Landkreise im Umland der Großstädte Kapazitäten zur Unterbringung  - Notunterkünfte fürs erste, dann aber auch Anschlussunterkünfte - zur Verfügung zu  stellen", sagte der Stadtsprecher.