Stimmzettel Bundestagswahl 2021
Die Wahlzettel waren nicht überall richtig geliefert.
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Bundestagswahl

Erfolge, Pannen, Kritik aus Kommunen

Bei den Bundestagswahlen 2021 lief nicht alles so wie geplant. Ein Überblick über die größten Pannen, unvermutete Hindernisse und die Kritik an der neuen Bundeswahlordnung aus kleinen Kommunen. In Berlin führte das Wahl-Chaos sogar zu einem Rücktritt.
Aktualisiert am 29. September 2021

In den meisten Städten und Gemeinden Deutschlands hat bei der Bundestagswahl 2021 alles bestens geklappt. Rund eine Stunde nach Schließung der Wahllokale meldeten bereits die ersten Gemeinden am Wahlsonntag, 26. September, die Ergebnisse. Allerdings lief nicht überall alles so ab wie sonst: Erfolgreich verlief die Stimmabgabe aber auch im Ahrtal, das noch immer unter den Folgen der Hochwasserkatastrophe vom Juli leidet. Weil die Flut viele Wahllokale zerstörte, war Improvisation gefragt: Die Menschen konnten dort in Wahl-Bussen und in Zelten wählen. Allerdings war vielfach Geduld gefragt. 

Bundestagswahl: Kommunen setzen Wahlbusse ein

Am Wahltag wurden für Bad Neuenahr-Ahrweiler dieses Mal nur zwei Wahllokale eingerichtet. Vor dem Zelt auf einem Supermarkt-Parkplatz in Ahrweiler hatte sich eine lange Warteschlange gebildet. Das Wahllokal dort bestand aus Tischen für den Wahlvorstand, Wahlkabinen und der Wahlurne. Zusätzlich gab es aber auch die Möglichkeit,  die Stimme direkt in erweiterten Außenstellen der Stadtverwaltung abzugeben. Dazu wurden  mobile Wahlbusse eingesetzt, die zwei Wochen vor der Wahl bis zum Wahltag zu bestimmten Zeiten an festgelegten Orten Station machen. Vor der Wahl waren die Menschen aufgefordert, ihre Stimmen möglichst per Briefwahl abzugeben.

In der Verbandsgemeinde Ahrweiler hatten rund 67 Prozent der Wahlberechtigten Briefwahl beantragt, teilte der Landeswahlleiter mit. Im gesamten Kreis waren es nach Angaben der Verwaltung mehr als die Hälfte, berichtet der SWR. Der Zusammenhalt war wieder groß: Die Stadt Koblenz und die Gemeinde Grafschaft unterstützten die zerstörten Regionen, halfen bei der Vorbereitung der Wahlen. Die benachbarten Gemeinden entsandten außerdem Wahlhelferinnen und Wahlhelfer.

Bombenentschärfung in Wuppertal während Bundestagswahl

Auch in Wuppertal gaben einige Wähler ihre Stimmen in Zelten ab. Denn am Sonnabend vor der Bundestagswahl war eine Weltkriegsbombe entdeckt worden. Daraufhin rief die Stadt die Bewohner des betroffenen Wohnviertels auf, vorerst nicht zur Wahl zu gehen. Sie sollten dringend in ihren Wohnungen bleiben. Damit trotzdem schon vor Ort gewählt werden konnte, bauten bereits am Sonnabend Helfer des Technischen Hilfswerkes Zelte auf - in jedem Zelt gab es zehn Wahlkabinen. Die Entwarnung kam mittags, die Bombe war entschärft.

Kommunen kritisieren Bundeswahlordnung

Für Ärger sorgte in den Kommunen eine Neuerung in der Bundeswahlordnung, über die KOMMUNAL bereits ausführlich berichtete. Sie ist auch juristisch umstritten. Die darin gefassten neuen Regeln haben in den betroffenen Orten für Protest gesorgt – vor allem auf den Halligen Hooge und Gröde oder dem Küstenort Grothusenkoog. Der neu eingeführte Paragraph 68, Absatz 2 der Bundeswahlordnung (BWO) schreibt vor:  Wenn in einem Wahllokal unter 50 Stimmen abgegeben wurden, dürfen sie nicht mehr vor Ort ausgezählt werden. Statt dessen müssen sie in den Nachbarbezirk gebracht werden.

Das neue Prozedere hat in vielen kleinen Orten  für Unmut gesorgt, ganz besonders auf den Halligen Hooge und Gröde oder dem Nordsee-Küstenort Grothusenkoog. „Diese Regelung ist mehr als unglücklich“, sagte Dirk Bienenscholt, Wahlleiter auf Hallig Hooge den Lübecker Nachrichten. Nicht nur, dass man dadurch kein eigenes Stimmungsbild mehr bekomme, auch das Verfahren sei sehr umständlich. „Wir müssen nach Schließung des Wahllokals um 18 Uhr zur Stimmenauszählung mit dem Feuerwehrboot rüber nach Langeneß. Wenn Windstärke acht oder neun ist, ist das gar nicht möglich“, betonte der Wahlleiter. Außerdem gehe nach 18 Uhr von Hooge keine Fähre mehr.

Kanzlerkandidat wählt nicht geheim

Zu einer sehr ungewöhnlichen Panne kam es bei der Stimmabgabe in Aachen. Kanzlerkandidat Armin Laschet warf seinen Wahlzettel falsch gefaltet in die Wahlurne. Was er angegekreuzt hat, war deutlich zu sehen. Offenbar wollte der CDU-Kanzlerkandait damit demonstrieren, dass er seine Partei auch gewählt hat - und womöglich dafür werben. Auf Twitter schrieb der Bundeswahlleiter nach veröffentlichten Fotos, dass die Vorschriften eindeutig seien: "Der Wahlvorstand hat Wählerinnen und Wähler zurückzuweisen, die den Stimmzettel so gefaltet haben, dass die Stimmabgabe erkennbar ist. Dies dient dazu, dass andere Wählende nicht beeinflusst werden." Er schrieb aber auch: Da der Stimmzettel aber in die Wahlurne gelangt sei, könne er nicht mehr aussortiert werden und sei gültig. Der Bundeswahlleiter sieht auch keine Wählerbeeinflussung in dem offenen Wahlzettel.

Ex-Verfassungsgerichts-Präsident: Laschet-Stimmabgabe ungültig

Der frühere Präsident der NRW-Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, hält die Stimmabgabe hingegen für ungültig. Die Sichtbarkeit seiner Entscheidung bei Abgabe des Stimmzettels verstoße gegen das Wahlgeheimnis so seine Einschätzung. Bertrams weist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin, wonach die Geheimheit der Wahl „den wichtigsten institutionellen Schutz der Wahlfreiheit darstellt“. Sie schütze vor der Offenbarung, wie jemand wählen will, wählt oder gewählt hat. Die Offenlegung durch den Wähler selbst sei zwar vor und nach der Wahl zulässig, nicht aber bei der Stimmabgabe, hob Bertrams gegegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hervor. „Laschets offener Wahlzettel hätte deshalb vom Wahlvorstand zurückgewiesen werden müssen.“ Da dies nicht geschehen sei, dürfte der erkennbar fehlerhaft – weil offen gefaltet – eingeworfene Stimmzettel nicht mitgezählt werden.

Wahlpannen in Wuppertal

In mehreren Städten kam es zu ärgerlichen Wahlpannen. In einem Stimmbezirk in Wuppertal waren etwa Stimmzettel des benachbarten Wahlkreises mit den falschen Direktkandidaten ausgegeben worden. Es handelte sich um Stimmzettel, bei denen die Erststimmen  für ungültig erklärt worden seien. Da das Ergebnis aber klar ausfiel, musste in dem Stimmbezirk nicht nachgewählt werden.

Berlin Hauptstadt der Pannen

Berlin erwies sich einmal mehr als Hauptstadt der Pannen. Die Hauptstadt wählte nicht nur den Bundestag, die Wähler stimmten auch ein neues Abgeordnetenhaus und über die zwölfBezirksverordnetenversammlungen ab. Außerdem gaben sie ihre Stimme zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ ab.

Jeder Berliner Wahlberechtigte durfte bis zu sechs Kreuze machen. Der Umgang mit den vielen Wahlzetteln ist den meisten wohl auch gelungen. Doch die Schlangen vor den Wahllokalen schienen kein Ende zu nehmen, so dass die letzten Menschen nach 19.30 Uhr noch wählten. Alle, die sich eingereiht hatten, durften auch nach 18 Uhr ihre Stimme abgeben.

In manchen Wahllokalen waren die Stimmzettel ausgegangen, Nachschub traf wegen des gleichzeitig laufenden Marathons und der damit verbundenen Straßensperren nicht ein. Landeswahlleiterin Petra Michaelis sagte bei einer ersten Auswertung, dass eigentlich genügend Stimmzettel  zur Verfügung standen. Alle Wahllokale seien zunächst mit einer Grundausstattung an Wahlzetteln versorgt worden. Geplant war, dass im Laufe des Tages nachgeliefert werde.

Falsche Wahlzettel

Manche Wahllokale hatten aber auch falsche Wahlzettel aus anderen Wahlkreisen beziehunsgweise Bezirken erhalten und offenbar auch verwendet.

Am Mittwoch, 29. September, zog die Landeswahlleiterin dann persönliche Konsequenzen und kündigte ihren Rücktritt an. Hier finden Sie ihre Erklärung!