Angela Merkel
Kanzlerin Angela Merkel setzt strenge Corona-Maßnahmen durch

Die neuen Corona-Regeln von Bund und Ländern

So sieht der Lockdown-Light aus

Bei einer Videokonferenz haben Kanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs jetzt noch strengere Corona-Regeln beschlossen. Wegen der rasant steigenden Corona-Infektionen in Deutschland sollen die Kontakte auf ein Minimum reduziert werden. Vorerst bis Ende November werden ab kommenden Montag, 2. November, Gastronomiebetriebe wie Bars, Diskotheken und Kneipen geschlossen. Es kommt also zum erneuten Lockdown, wenn auch in abgeschwächter Form.

Schon vor der Beratung mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer hatte Kanzlerin Angela Merkel signalisiert: Die Lage ist ernst, sie ist bedrohlich. Aktuell werde alle sieben Tage eine Verdoppelung der Infektionszahlen registriert, die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus reichten nicht aus. Die Gesundheitsämter könnten die Infektionsketten nicht mehr nachvollziehen. In ihrem jüngsten Video-Podcast appellierte sie an die Bürger, die Kontakte zu reduzieren.

Doch allein der Appell reicht nach Ansicht der Bundesregierung sowie der Länderchefs nicht mehr aus. Die  besorgniserregende Entwicklung durch massiv steigende Corona-Infektionszahlen soll nun mit drastischen Einschnitten und weiteren Kontaktbeschränkungen gebremst werden. Das Robert-Koch-Institut meldete mit 14.964 Neuinfektionen einen neuen Höchstwert in Deutschland. Die Kanzlerin sagte nach der Beratung von Bund und Ländern: "Wir müssen handeln, um eine nationale Gesundheitsnotlage vermeiden."  Eine Nachverfolgung der Infektionsketten sei nicht mehr möglich, weil die Gesundheitsämter an ihre Grenze gekommen seien.

"Die Infektionsketten können nicht mehr unterbrochen  werden. Damit geht die Kontrolle über die Ausbreitung des Virus verloren."  Sie betonte weiter: "Wir brauchen im Monat November eine nationale, befristetete Kraftanstrengung." Bundeskanzlerin Merkel kündigte an, dass die Bundesregierung den Unternehmen, die besonders von den neuen Corona-Maßnahmen betroffen sind, bis zu 75 Prozent der Umsatzausfälle bezahlen wolle. Dazu sollen auch Solo-Selbständige gehören. Laut Finanzminister Olaf Scholz sind dafür bis zu 10 Milliarden Euro im Haushalt vorgesehen.

Das sind die Beschlüsse, insgesamt umfassen sie 16 Punkte:

  • Gastronomiebetriebe wie Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen, werden bereits ab kommenden Montag,  2. November, geschlossen - Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause sind erlaubt. Kantinen bleiben geöffnet.
  • Touristische Übernachtungsangebote im Inland sind vorerst verboten. Übernachtungsangebote dürften nur noch für notwendige Zwecke wie Dienstreisen gemacht werden.
  • In der Öffentlichkeit dürfen sich nur noch Angehörige des eigenen sowie eines weiteren Haushaltes mit maximal zehn Personen treffen. Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen sollen von den Ordnungsbehörden sanktioniert werden. Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen seien inakzeptabel.

Veranstaltungen sollen untersagt werden

  • Außerdem will der Bund Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, deutschlandweit untersagen. In Berlin waren an diesem Mittwoch Vertreter der Veranstaltungsbranche durch die Straßen gezogen. Tausende demonstrierten für stärkere staatliche Hilfen.
  • Theater, Opern oder Konzerthäuser müssen vom 2. November an bis Ende des Monats schließen.
  • Die Regelung betrifft auch den Freizeit- und Amateursportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbädern sowie Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen. Auch Messen, Kinos und Freizeitparks dürfen nicht geöffnet haben.
  • Profisport darf nur noch ohne Zuschauer stattfinden.
  • Demonstrationen und Gottesdienste  sind unter Auflagen erlaubt.

Schulen und Kitas bleiben offen

  • Dagegen will der Bund Schulen und Kindergärten verlässlich offen halten. Die Länder sollen dafür weitere Schutzmaßnahmen in diesen Bereichen einführen.

Einzelhandel bleibt geöffnet

  • Der Einzelhandel soll  unter Auflagen zur Hygiene bei Steuerung des Zutritts geöffnet bleiben. Es soll sichergestellt sein, dass sich pro zehn Quadratmeter nicht mehr als ein Kunde aufhält.
  • Kosmetikstudios, Massagepraxen oder Tattoostudios müssen im November für dreieinhalb Wochen schließen. Friseursalons sollen unter den bestehenden Hygienevorgaben geöffnet bleiben. Medizinisch notwendige Behandlungen wie Physiotherapien bleiben ebenfalls möglich.

Der Bund will zudem Risikogruppen wie Kranke, Pflegebedürftige, Senioren und Behinderte noch mehr schützen. Die verfügbaren Corona-Schnelltests "sollen jetzt zügig und prioritär in diesem Bereich eingesetzt werden", damit sichere Kontakte ermöglicht werden könnten, heißt es in dem Entwurf der Beschlussvorlage.

Allerdings hat man aus den Erfahrungen während der ersten Corona-Welle gelernt: Der besondere Schutz von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Senioren- und Behinderteneinrichtungen dürfe nicht zu einer vollständigen sozialen Isolation führen, heißt es.

Nach zwei Wochen - also etwa um den 11. November - wollen die Kanzlerin und die Regierungschef erneut beraten, die  erreichten  Ziele bewerten und notwendige Anpassungen vornehmen.

Kritik an den Beschlüssen von Bund und Ländern

Die am Mittwoch gefassten Beschlüsse werden kontrovers diskutiert. Ist es tatsächlich nötig, die Gastronomie erneut lahmzulegen? Die Betreiber von Restaurants und Cafes haben massiv in Hygienemaßnahmen investiert. Außerdem haben sich die Gastronomiebetriebe und Hotels nicht als "Infektionsherde" herausgestellt. Auch innerhalb der Runde der Länderchefs  mit der Kanzlerin blieb dieser Punkt umstritten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und Thürigens  Regierungschef Bodo Ramelow äußerten sich dazu im Vorfeld kritisch. Die FDP droht mit einer Klage. Ärzte und Virologen sehen den Lockdown ebenfalls skeptisch. Er sei keine langfristige Strategie.

Allerdings gibt es auch Zustimmung angesichts der sich steigenden Infektionszahlen. Bundeskanzlerin Merkel verteidigte das beschlossene Vorgehen. "Wir sind an einem Punkt, an dem wir für 75 Prozent der Infektionen nicht mehr wissen, woher sie kommen." Die Infektionsketten seien weitgehend nicht mehr nachvollziehbar.

Hier geht es zum Bund-Länder-Beschluss im Wortlaut.