Die EU ist nicht das größte Bürokratie-Monster - aber hier nimmt das "Schwarze Peter Spiel" zu Lasten der Kommunen seinen Anfang, meint Christian Erhardt
Die EU ist nicht das größte Bürokratie-Monster - aber hier nimmt das "Schwarze Peter Spiel" zu Lasten der Kommunen seinen Anfang, meint Christian Erhardt
© fotolia

Leitartikel

„Bürokratie-Monster und Schwarzer Peter: Warum die EU besser ist als ihr Ruf“

Politische Maßnahmen ohne Verlierer gibt es nicht. Das weiß man auch bei der EU, weshalb man Gesetze dort zwar für verbindlich erklärt. Die Ausführung aber wird auf die nachgelagerten Ebenen verschoben. „Nach dem Bund geht es auf die Länder über und die delegieren es gerne an die Kommunen. „Und mit der Delegierung übereichen sie auch den Schwarzen Peter“, kritisiert Christian Erhardt.

Vor wenigen Tagen ist die EU Gebäuderichtlinie in Kraft getreten. Zugegeben, schon der Name klingt nach Bürokratie-Monster. Sie ist aber vor allem ein Paradebeispiel dafür, was zwischen den verschiedenen Ebenen falsch läuft. Die EU lässt dabei den Ländern ziemlich viel Spielraum. Die Einsparung, so heißt es dort vereinfacht übersetzt, soll zustande kommen, indem Häuser in jedem Land mit der jeweils schlechtesten Energieeffizienz saniert werden. Die Richtlinie muss nun in nationales Recht umgesetzt werden. Und aus der Bundesregierung ist neben vielen anderen Forderungen auch schon zu hören: „Wir brauchen neue Vorgaben zu Mindestenergiestandards von Gebäuden“. Nur genau diese Mindeststandards waren aus dem EU-Gesetz zuvor bewusst gestrichen worden – daran drohte die Einigung nämlich zu scheitern. Gleichzeitig brauchte man auch in Brüssel einen Kompromiss und der lautete dann: „Wir erhöhen stattdessen die Vorgaben für den öffentlichen Sektor“. Laut der Richtlinie müsste nun in Deutschland rechnerisch jedes vierte Rathaus, jede vierte Schule saniert werden. Das bedeutet: Die Kommunen müssten das Tempo der Sanierung verdreifachen. In einer Situation, in der die Städte und Gemeinden bereits 170 Milliarden Euro Schulden angehäuft haben.

Wie Deutschland die Richtlinie zum Bürokratie-Monster aufblasen will 

Kurzum: Einmal mehr wälzt der Gesetzgeber die Verantwortung ab. Die Umsetzung in Deutschland könnte einmal mehr sehr viel strenger aussehen, als von der EU eigentlich gefordert. Das kennen wir schon von der Mehrwertsteuer-Richtlinie, die nun möglicherweise noch einmal um zwei Jahre verschoben wird. Einfach, weil sie nicht praktikabel ist. Leidtragende sind die Kommunen. Sie haben schon lange Personal gebunden, um die vielen Fallstricke der neuen Mehrwertsteuergesetze zu eruieren. Wie auch in diesem Fall hat die Bundesrepublik die europäischen Planungspflichten meist an die Länder weitergegeben. Und die reichen sie eben an die Kommunen weiter. Freilich, ohne das dafür nötige Geld zur Verfügung zu stellen.

Anders gesagt: Der Gesetzgeber handelt nach dem Motto: „Den letzten beißen die Hunde“. Die Vorteile für den Bund bei einer solchen Problemdelegation liegen auf der Hand: Nun müssen die Kommunen sicherstellen, dass etwa die Feinstaubbelastung im Stadtgebiet den EU-Grenzwerten oder darüber hinaus gehenden Grenzwerten entsprechen. Wenn der Prozess nicht erfolgreich ist, ermöglicht das Unionsrecht Klagen von Umweltverbänden zur Durchsetzung der Ziele. Klagen gegen die Kommunen.

Wenn Verwaltung zwangsweise Politik machen soll - das wahre Problem der Bürokratie!

Auf diese Weise wird zudem der Verwaltung politischer Gestaltungscharakter aufgebürdet. Die Exekutive soll politische Grundkonflikte – etwa beim Thema Fahrverbote – bewältigen, die der Gesetzgeber zuvor erfolgreich verdrängt hat. Die Verbandsklagen der Deutschen Umwelthilfe waren es, die zu Fahrverboten geführt haben, die die Kommunen anordnen mussten. Ohne Einbindung der Politik. Nun fällt den Kommunen die Konfliktbewältigung aber doch nicht leichter als der EU oder dem Bund. Auch ein Bauverbot wird ja nicht dadurch populärer, weil es von der Gemeinde verhängt wird. Qua Gesetz haben die Kommunen zudem nur sehr begrenzte ordnungsrechtliche Möglichkeiten.

Am Ende stellt sich die Frage, warum nicht mehr die Parlamente von Bund und Ländern oder auch der EU darüber entscheiden, welche politischen Konsequenzen etwa aus der Umweltproblematik gezogen werden, sondern die Verwaltungen vor Ort. Die EU oder der Bund wären – Stichwort CO2 Steuer und viele andere ökonomische Instrumente mehr – sehr viel besser in der Lage, die politischen Ziele umzusetzen. Wenn sich Bund und Länder in ihren Parlamenten nicht dazu durchringen können, werden auch Planverfahren der Kommunen keine Befriedung bringen.

Europa und die EU sind besser als ihr Ruf - trotzdem beginnt genau dort das "Schwarze Peter Spiel" zu Lasten der Kommunen 

Fazit nach dieser Europawahl: Die EU setzt häufig einen bürokratischen Rahmen, der sehr viel schlanker sein könnte. Doch oftmals sind es Bund und Länder, die noch einen drauf setzen und die Verantwortung dann nach unten weiter delegieren. Hängen bleibt beim Wähler: „Die EU lässt Bürokratiemonster wachsen“. Dabei sind es nicht selten Bund und Länder, die aus dem Bürokratie-Bären erst das Monster erschaffen. Und es dann -wie beim Schwarzer Peter Spiel – den Kommunen ins Nest legen.