Das Zentrum von Steinach am Brenner - hier tritt ein 96 jähriger als Bürgermeister an
Das Zentrum von Steinach am Brenner - hier tritt ein 96 jähriger als Bürgermeister an

Das schönste Amt der Welt

Bürgermeister-Kandidat mit 96 Jahren

Von einer Gemeinde, die jährlich einen Bürgermeister wählt, obwohl sie keinerlei Gemeinderechte mehr hat. Über die erste Frau im Bürgermeisteramt in Deutschland und den weltweit ältesten Bürgermeister. Ein kleiner Ausflug in "das schönste Amt der Welt" - das Bürgermeisteramt.

Er war 25 Jahre lang Bürgermeister in Steinach am Brenner. Jetzt will er es wieder werden, mehr als 30 Jahre nach seinem Abtritt: Walfried Reimeir ist Tiroler und fährt aktuell mit seinem Rollator durch sein Dorf. Mit 96 Jahren. Denn die Politik der letzten Jahre im Ort gefällt ihm nicht. Also ist der 96 jährige überzeugt, dass er selbst noch mal "ran muss". Seine Themen: Die Straßenbeleuchtung, die modernisiert werden muss, vor allem um stromsparender zu werden und die Gemeindestraßen, die in einem schlechten Zustand sind. Und dann waren da noch gleich 13 Brücken im Ort, die reparaturbedürftig sind, wie der 96 jährige sich sicher ist. Und noch ein Thema hat Reimeir dem österreichischen Sender ORF in dieser Woche als wichtig mit auf den Weg gegeben: "Es werden Wohnungen gebaut, die sich die Einheimischen nicht leisten können."  Als er selbst früher Bürgermeister war, habe er mehr als 200 Wohnungen errichten lassen, sodass auch weniger wohlhabende Gemeindebürger Wohnraum als Eigentum erwerben konnten.

Von 1959 bis 1986 war Reimeir bereits Bürgermeister der gut 3.600 Einwohner-Gemeinde. Im Jahr 2016, damals mit 91 Jahren, trat er schon einmal wieder an, mit nur 13 Prozent der Stimmen unterlag er damals aber Josef Hautz, der sich gegen 3 Kandidaten mit satten 76 Prozent im ersten Wahlgang durchsetzte. Dieses Mal will Reimeir antreten um bei der gleichzeitig stattfindenden Gemeinderatswahl zumindest einen Sitz zu bekommen. 

UPDATE VOM 01.03.2022: Reimier hat in seiner Gemeinde das Vertrauen der Bürger nicht bekommen. Er errang als Bürgermeisterkandidat "nur" 3,8 Prozent der Stimmen und wurde auch nicht in den Gemeinderat gewählt. Neuer Bürgermeister mit gut 60 Prozent der Stimmen wurde der 44 jährige Florian Riedl. Seine "Heimatliste" erhielt auch 8 der 15 Sitze im Gemeindeparlament.

Deutschlands älteste Bürgermeister 

Den Ehrgeiz, noch einmal ins Gemeindeparlament gewählt zu werden, hat Josef Rüddel nicht mehr. Der heute 97 jährige war bis vor drei Jahren Deutschlands ältester Bürgermeister. Mit 94 Jahren trat er in Windhagen im Landkreis Neuwied jedoch nicht mehr an. Er hatte Ende des Jahres 2019 in der 4200 Einwohner-Gemeinde einen Nachfolger gefunden und seine Amtsgeschäfte übergeben. Rüddel war gelernter Landwirt und arbeitete hauptberuflich bis zu seinem Ruhestand als Rinderzüchter. 

Rüddel war im Jahr 2017 übrigens der zweite Bürgermeister, den KOMMUNAL portraitierte. Der Beginn unserer Bürgermeister-Serie, die heute als "Bürgermeister des Monats" in jeder Printausgabe zu finden ist. 

Rüdel ist verwittwet und hat drei Söhne. Einen davon zog es übrigens auch in die Politik. Sohn Erwin Josef Rüddel ist heute Mitglied im Deutschen Bundestag. 

Frauenanteil unter den Bürgermeistern war immer gering 

Auch heute noch beträgt der Anteil der Frauen in dem Amt weniger als 10 Prozent, wie jüngste Umfragen von KOMMUNAL belegen. Dabei haben Freuen durchaus auch in der jungen Bundesrepublik schon das Amt übernommen. Die erste Frau kam bereits im Jahr 1948 ins Amt - Erika Keck wurde 1948 in Ahrensburg gewählt. Die Stadt in Schleswig-Holstein hat sich seither prächtig entwickelt. So hatte die Stadt bei Amtsantritt von Erika Keck "nur" 17.000 Einwohner, heute sind es mehr als doppelt so viele. Wobei Eine Eingemeindung in den 60er Jahren auf einen Schwung rund 5000 neue Einwohner brachte. Nach Erika Keck ist im Ort übrigens heute noch eine Straße benannt, sie starb 1990 im Alter von 90 Jahren in Würselen, NRW.

Ein Alter, in dem Ellen Wisniewski noch amtierende Bürgermeisterin war. Sie gilt bis heute als die Frau, die "älteste Bürgermeisterin in Deutschland war". Noch mit 90 Jahren war sie Ortsvorsteherin von Zauchwitz, übrigens 40 Jahre lang. Nach ihrem Abtritt als Ortsvorsteherin kandidierte sie mit 92 Jahren erneut für die Stadtverordnetenversammlung von Beelitz in Brandenburg. Natürlich erfolgreich. Im Jahr 2020 starb sie im Alter von 93 Jahren. 

DAS ist der älteste Bürgermeister der Welt

Auch 93 Jahre sind noch immer nichts im Vergleich zu Vito Perillo. Der US-Weltkriegsveteran wurde Ende des Jahres als Bürgermeister von Tinton Falls in New Jersey wiedergewählt. Im stolzen Alter von 97 Jahren. 

"Ich kümmere mich mit Herzblut um die Stadt und die Menschen, die hier wohnen", sagt Perillo, der drei Kandidaten hinter sich liess. Dabei ist er ein "spätberufener Bürgermeister". Denn erstmals trat er im Jahr 2017 für das Amt an - damals schon stolze 93 Jahre und ohne jegliche politische Erfahrung. Allein mit dem Versprechen, verantwortungsvoll mit öffentlichen Geldern umzugehen und die Lebensqualität in der Kleinstadt mit den 18.000 Einwohnern zu verbessern. "Er ist ihr Held, die Motivation, mit der er jeden Tag zur Arbeit fährt, inspiriert die Leute" sagte seine Tochter Anna Perillo Ende des Jahres nach der Wiederwahl der "Washington Post".

Wenn der Bürgermeister abtreten muss 

Doch nicht jedem ist es vergönnt, bis ins hohe Alter Bürgermeister seiner Stadt bleiben zu dürfen. Aktuell etwa ist der Bürgermeister von Olbernhau "sauer", weil er nicht erneut antreten darf. Dabei ist Heinz-Peter Haustein gerade mal 67 Jahre alt. Doch in Sachsen steht in der Gemeindeordnung, dass man nicht erneut kandidieren darf, wenn man älter als 65 Jahre ist. "Altersdiskriminierung" nennt Haustein das, schließlich sei selbst Wolfgang Schäuble mit 79 Jahren noch Bundestagspräsident gewesen. 

Und dann waren da noch die zahlreichen Gemeinden, die zwangseingemeindet wurden. Tausende Bürgermeister verloren im Laufe der Jahrzehnte auf diese Weise ihren Job, beziehungsweise ihr Ehrenamt. Das allerdings nicht überall. Es gibt in Deutschland einen Ort, der schon seit 500 Jahren gar keine Gemeinderecht mehr hat - dafür aber  jedes Jahr einen Bürgermeister wählt. Immer am 2. Mai ist es traditionell soweit. Und das seit über 500 Jahren.

Der Ort heißt Schönstheim und liegt in der Nähe von Würzburg. Zugegeben: Zu "regieren" gibt es dort nicht viel, die "Gemeinde" besteht nämlich aus einem gut 300 Hektar großen Waldstück. Sprich: der Ort hat keinen einzigen Bürger, sondern nur Bäume. 

Und das kam so: Schönstheim war einst ein kleines Dorf mit 16 Höfen. Um 1500 jedoch haben die Bürger das Dorf verlassen. Heute sind die Höfe Waldkörperschaften und gehören rund 170 Grundstückseigentümern. Unter ihnen wählt der Ort - der ganz offiziell zur Gemeinde Röttingen in Unterfranken gehört - einen Bürgermeister. Im Gemeindehaus steht sogar ein eigener Amtsschrank. Für diesen Schrank gibt es zwar nicht einmal einen Schlüssel, aber das ist nebensächlich, es geht ums Symbol. Und finanziell ist die "Gemeinde" auch gut ausgestattet - denn ganz offiziell bekommt die Verwaltung des Waldstückes von der Gemeinde einen monatlichen Zuschuss für die "Selbstverwaltung" - etwas mehr als 38 Euro. 

Und was hat der Bürgermeister dann in Schönstheim zu tun? 22 Hektar des Eichenwaldes gehört allen Schönstheimern. Die jeweiligen Bürgermeister bewirtschaften die Fläche. Außerdem verteilt er die Einnahmen aus der Jagdpacht und aus dem Holzverkauf und schlichtet Streit, falls es welchen gibt. Klassische Bürgermeisteraufgaben halt...