Ranga Yogeshwar beim MINT-Festival der Bibliothek Köln.
Ranga Yogeshwar beim MINT-Festival der Stadtbibliothek Köln.
© Stadtbibliothek Köln

Bibliothek der Zukunft: Vom Lernort bis zum Maker-Space

Ein Buch aus dem Regal nehmen, beim Bibliothekar ausleihen und nach Hause gehen – So sah einmal der übliche Besuch in einer öffentlichen Bibliothek aus. Heute verbringen Besucher ihren Nachmittag hier, tauschen sich aus, probieren Neues und besuchen Veranstaltungen.

Wenn sie die neu eröffnete Stadtteilbibliothek betritt, läuft sie an Kindern vorbei, die auf einem überlebensgroßen Stoffhasen turnen, Jugendlichen, die an einem interaktiven Großbildschirm Designs entwickeln und hier und dort in Ohrensessel gekuschelten Besuchern, mit dem Kopf im Buch versunken. Das Servicepersonal hat frei, aber mit dem Bibliotheksausweis können sich die Besucher selbst reinlassen. 

Die Bibliothek als "dritter Ort" neben Zuhause und Arbeit

Die liebevoll als „Kalker Wohnzimmer“ bezeichnete Stadtteilbibliothek in Köln, durch die Direktorin Hannelore Vogt hier schlendert, ist eine der modernsten Bibliotheken Deutschlands. Sie ist als „dritter Ort“ gestaltet. Mit dem Wandel, der sich durch die Digitalisierung in den Bibliotheken vollzieht, hat sich auch die Art verändert, wie die Institution genutzt wird. Die Menschen verbringen hier deutlich mehr Zeit – lesen, surfen im Internet, tauschen sich mit anderen Besuchern aus und erwarten über das Lesen hinaus weitere Erfahrungsmöglichkeiten. Die Bibliothek ist nach der Theorie des amerikanischen Stadtsoziologen Ray Oldenburg ein dritter Ort neben dem zu Hause und dem Arbeitsplatz geworden. Damit ist die Bibliothek ein alltäglicher Ort der Begegnung, der kulturellen und sozialen Interaktion.  

„Die Aufenthaltsdauer in unseren Stadtteilbüchereien hat sich stark erhöht. Die Menschen wollen nicht alles digital von zu Hause machen, sie möchten auch mit anderen Menschen in Kontakt kommen und etwas erleben“, sagt Ingo Tschepe, Leiter der Stadtbücherei Norderstedt. „Damit hat der Raum eine neue Bedeutung bekommen. Die Menschen möchten hier lesen, sich treffen und chillen. Die Qualität des Aufenthalts hat damit eine viel höhere Relevanz bekommen.“ Es reicht nicht mehr aus Räume mit deckenhohen Bücherregalen zu füllen. Eine moderne Bibliothek braucht eine angenehme Beleuchtung und Dekoration. Es muss Zonen zum ruhigen Lesen und Zonen zum Austausch geben, es braucht gemütliche Sitzecken und WLAN-Arbeitsplätze.

Es gibt eklatante Unterschiede zwischen Bibliotheken, die gut ausgestattet sind und moderne Räume bieten und den Stiefkindern der Kommunalverwaltung, die seit vielen Jahrzehnten ohne Renovierung und Modernisierung auskommen müssen. Die einen gewinnen neue Nutzer, die anderen werden weniger und weniger besucht.

Barbara Lison, Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands
Barbara Lison, Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliothek sverbands (c)Jan Meier

Maker Spaces geben die Möglichkeit zu experimentieren

Zur neuen Gestaltung der Bibliothek gehört es auch, den Besuchern die Möglichkeit zu geben aktiv zu werden. Dies können sie zum Beispiel in sogenannten Maker Spaces. Das Konzept kommt aus den Vereinigten Staaten, wird jedoch mittlerweile auch in einigen europäischen Bibliotheken, wie der Stadtbibliothek Köln adaptiert. In der Zentralbibliothek gibt es einen Maker Space und in der Stadtteilbibliothek Kalk steht ein Maker Mobil, das überall eingesetzt werden kann, wo es gebraucht wird. Zum Maker Space gehört eine Vinylbar zum Digitalisieren von Schallplatten, verschiedenste Musikinstrumente, ein 3D-Drucker, eine Nähmaschine, Virtual Reality-Brillen und viele weitere Geräte und Instrumente. Hier können Besucher in der Bibliothek aktiv arbeiten und Neues lernen. Rund um das Angebot des Maker Space gibt es viele Veranstaltungen. Die Bibliothek motiviert auch die Besucher selbst Veranstaltungen anzubieten. „Die Kölner sollen bei uns selbst aktiv werden“, sagt Vogt. „So haben wir ein Gymnasium dessen Schüler bei uns regelmäßig Unterricht im Umgang mit digitalen Medien geben.“ Interessierten Besuchern zeigen sie etwa wie man am Tablet komponieren oder am Smartphone Filme schneiden kann.

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Stadtbibliothek Köln organisiert eigenes Festival

Veranstaltungen wie diese sind wichtig, um den Raum Bibliothek zu beleben. In Köln hat man im letzten Jahr viele Veranstaltungen rund um die MINT-Fächer organisiert. Um das Interesse an diesen Fächern zu erhöhen, die einen erheblichen Fachkräftemangel erfahren. Im letzten Jahr veranstaltete sie in den Herbstferien sogar das Festival MINTKöln, das einen so großen Andrang erfuhr, dass es nun jährlich stattfinden soll. Zudem gibt es eine MINT-Vorleseinitiative, bei der Kindern naturwissenschaftliche und technische Phänomene über Geschichten näher gebracht werden sollen. Und besonders der NAO-Roboter erfreut sich besonderer Beliebtheit bei den Besuchern. Einige IT-Bewanderte Schüler konnten mit ihm sogar schon einen Programmierwettbewerb gewinnen. 

Bibliothek Köln

Darüber hinaus ist es wichtig, dass Bibliotheken mit anderen Kultureinrichtungen zusammenarbeiten. Die Angebote können sinnvoll vernetzt werden und sich gegenseitig befruchten. So geschieht es derzeit auch in Norderstedt. Die Stadtteilbücherei Garstedt soll gemeinsam mit dem Stadtarchiv und der VHS zu einem Bildungshaus vereint werden. Hier werden die Angebote der drei Kultureinrichtungen nicht räumlich voneinander getrennt, sondern sollen eine Einheit bilden und Synergieeffekte schaffen. „Wir möchten hier einen zentralen Kommunikationspunkt für die Norderstedter schaffen“, sagt Ingo Tschepe. „Jegliche kulturellen Bedürfnisse der Besucher sollen hier abgebildet sein.“