Die Bevölkerungsentwicklung wird in Deutschland immer mehr Auseinanderdriften, zeigt eine Studie - unterm Strich bleibt die Einwohnerzahl nahezu konstant
Die Bevölkerungsentwicklung wird in Deutschland immer mehr Auseinanderdriften, zeigt eine Studie - unterm Strich bleibt die Einwohnerzahl aber nahezu konstant
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Prognose für 2040

Bevölkerungsentwicklung: Märchen vom aussterbenden Deutschland

Deutschland stirbt aus heißt es gerne mal in Stammtischreden. Eine neue Studie hat die Entwicklung für die nächsten 20 Jahre jetzt mal genauer untersucht. Demnach liegen die Probleme ganz woanders. Denn einige Regionen werden Überaltern. Aber auch das ist in den Landkreisen sehr unterschiedlich. Klares Signal: Es ist nur ein einziger Faktor, der entscheidend ist, ob ein Landkreis vital bleibt.

Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland gibt immer wieder Anlass zur Mahnung durch die Politik. Doch unterm Strich sieht es gar nicht so schlecht aus, wie gerne behauptet wird. Es sind vielmehr einige Regionen in Deutschland, die sich darauf einstellen müssen, zum Seniorenheim der Republik zu werden. Landkreise, die diese Entwicklung stoppen wollen, müssen an einer einzigen Stellschraube drehen. So zeigt es die Bevölkerungsprognose 2040 des Bundesinstituts für Bau- Stadt- und Raumforschung.

Bevölkerungsentwicklung zeigt: Die Ungleichheiten werden größer

Es wird nicht das eine Deutschland sein, das grauer, älter und ärmer wird. Vielmehr teilt sich Deutschland mehr und mehr in drei Teile auf. Da sind die Wachstumsregionen, dynamisch, jung und wirtschaftlich erfolgreich. Sie liegen vor allem in Oberbayern und Baden-Württemberg, im Rhein-Main Gebiet sowie auffallend stark im Münsterland und im Großraum Köln-Bonn. Im Osten der Republik können - auf niedrigerem Niveau die Regionen rund um Leipzig und Dresden profitieren. 

Vor allem in Ostdeutschland gibt es aber auch die größte Polarisierung. Während neben Dresden und Leipzig nur ganze zwei Landkreise in Ostdeutschland, nämlich die Kreise Oberhavel und das Havelland, im direkten Umfeld von Berlin, einen hohen Anteil von jungen Menschen erwarten dürfen ist der Rest der ehemaligen DDR in tiefes grau gehüllt, rein demographisch zumindest. Einzelne Kreise entwickeln sich nicht so negativ, wie andere. Das gilt meist nur für die Landkreise, die direkt an die größeren Städte wie Erfurt, Leipzig, Berlin und Potsdam angrenzen. Besonders viele alte Menschen (über 65 Jahre) wird es demnach in einem großen Streifen vom Erzgebirge bis kurz vor Erfurt in Thüringen geben, noch tiefer grau die Regionen rund um Magdeburg. In Westdeutschland hingegen sind es nur einige wenige kleine Streifen etwa im Saarland. Und in Bayern wird nur für den Landkreis Garmisch-Partenkirchen eine entsprechende Altersstruktur erwartet. 

Das dritte Deutschland steht auf der Kippe, hier geht die Entwicklung ebenfalls hin zu einer Alterung, aber nicht so stark. Hier ist teils noch unklar, ob sich die Regionen in die eine oder in die andere Richtung bewegt. Die Regionen liegen vor allen im nördlichen Niedersachsen, in weiten Teilen des Rheinlandes und in Mittelfranken. Alles Regionen, die bisher gewachsen sind, aber vermutlich unterm Strich künftig stagnieren werden. Die einen mehr, die anderen weniger. 

Das ist der EINZIGE Indikator für Bevölkerungswachstum 

Der Schlüssel ist sehr einfach. Die Studie zeigt, dass die Regionen gewinnen, denen es gelingt, junge Menschen in die Region zu ziehen. Je höher der Anteil junger Menschen in einem Landkreis ist, desto erfreulicher auch die Bevölkerungsentwicklung. Dort, wo junge Menschen wegziehen, altert die Bevölkerung. Was am Ende logisch ist, weil junge Frauen wieder mehr Kinder bekommen. Das ist vor allem der Schlüssel zum Erfolg. Landkreisen muss es also gelingen, junge Frauen und Familien in die Region zu locken. Dann ist auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Kinder später in der Region bleiben. Vorausgesetzt die Infrastruktur ist entsprechend und es gibt genügend Arbeitsplätze. 

Es mangelt dabei übrigens insgesamt nicht an jungen Menschen. Die Gesamtentwicklung zeigt, dass die Bevölkerungszahl, anders als oft vermutet wird, sich in den nächsten 10 Jahren faktisch überhaupt nicht verändern wird. 83,07 Millionen Menschen leben aktuell in Deutschland, im Jahr 2025 soll die Zahl sogar etwas höher bei 83,2 Millionen liegen, danach bis zum Jahr 2030 wieder leicht auf 82,9 Millionen sinken. In den darauffolgenden Jahren jedoch geht es dann - aufgrund der gealterten Bevölkerung deutlicher um rund eine Million nach unten auf knapp unter 82 Millionen Einwohner im Jahr 2040. Auffällig dabei, dass der Anteil der über 65 Jahren bis dahin um fast ein Viertel steigen soll. Das Durchschnittsalter von aktuell knapp 45 Jahren steigt dann auf knapp 46 Jahre. 

Hier werden besonders viele junge Menschen leben 

Schaut man auf die Karten mit dem Anteil junger Menschen unter 20 Jahren so fällt auf, dass es nicht nur die Großstädte sind, die eine junge Klientel anziehen. Entlang der holländischen Grenze in Niedersachsen und im Münsterland etwa ist der Anteil ebenso auffallend hoch wie in Baden-Württemberg in Regionen von Ravensburg bis zum Bodensee. Einzig in Stuttgart selbst gibt es der Prognose zufolge vergleichsweise weniger junge Menschen. Ganz ähnlich die Situation in Bayern. Von Ebersberg bis Pfaffenhofen wird sich der Kreis der jungen Bevölkerung ziehen, in München selbst altert die Bevölkerung. 

Ohne es explizit anzusprechen, zeigt die Studie auf, dass der Zuzug ein wichtiger Aspekt in der Planung der Landkreise werden muss, wenn die Region "jung" und attraktiv bleiben soll. Neben Möglichkeiten zur Gewinnung junger Menschen (KOMMUNAL hat immer wieder Initiativen wie etwa "Windeln gegen Leerstand) geht es dabei vor allem um die Attraktivität einer Region für Zuzug aus dem Ausland. Hier profitieren in der Tat vor allem die Städte, während Familien ohne Migrationshintergrund in hohem Maße die Großstädte verlassen und in die angrenzenden ländlicheren Regionen ziehen. Landkreise, die erfolgreich junge Menschen anwerben möchten und nicht in unmittelbarer Nähe einer Großstadt liegen, sollten sich also Gedanken machen, wie sie für Menschen aus dem Ausland attraktiver werden können. 

Bevölkerungsentwicklung: Die Wirtschaft folgt jungen Menschen

Aber auch die innerdeutsche Migration dürfte sich weiter beschleunigen. Denn Unternehmen siedeln sich immer seltener in Regionen an, in denen sie keine Mitarbeiter finden. Auch hier sind jüngere Arbeitskräfte gefragt, die dem Unternehmen möglichst lange erhalten bleiben. Wenn die gut ausgebildeten sich in den Umkreisen der Städte aufhalten bleibt auch den Firmen keine andere Wahl, als sich dort anzusiedeln. Das wiederum zieht aus strukturschwachen Regionen noch mehr junge Menschen ab. Immerhin wird sich aufgrund der Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten dieser Prozess nicht ganz so sehr beschleunigen. Trotzdem bekommen Regionen mit weniger Unternehmen dann im nächsten Zug noch größere Probleme, ihre öffentliche Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Wo Krankenhäuser schließen, will aber auch keine junge Mutter ihre Kinder gebären und großziehen. 

Im Ergebnis heißt das, dass die Umverteilung der Gelder stärker werden muss, sagen Ökonomen wie Jens Südekum, Marcel Henkel oder Tobias Seidel. Immer vollere und teurere Städte einerseits und verödete, menschenleere Landstriche andererseits wären kein attraktives Deutschland. Mit den jetzigen Methoden dürfte das kaum erreichbar sein. In der Kritik steht etwa immer wieder die Gewerbesteuer, die sich mehr und mehr auf einzelne Regionen konzentriert, die Fläche aber weniger erreicht. "Gleichwertige Lebensverhältnisse" sind aber nicht zuletzt auch politisch wichtig, damit neben dem Auseinanderdriften der Regionen nicht auch die Menschen sich immer weiter voneinander entfernen und entfremden.