Tirschenreuth
Tirschenreuth bekam 2013 schon das Amt für Ländliche Entwicklung, das von Regensburg dorthin umzog.
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Studie

Wenn die Behörde aufs Land umzieht

Nur 6 Prozent der Bundesbeschäftigten arbeiteten im Jahr 2020 im peripheren, ländlichen Raum. Dort wohnt aber ein Viertel der Bundesbürger. Der Bund will nun mehr Behörden in Regionen mit Förderbedarf ansiedeln. Was notwendig ist damit ein Umzug erfolgreich verläuft - und welche Effekte für die Region entstehen, hat eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) untersucht.

Der Bund will strukturschwache Regionen stärken. Er verspricht, bis 2028 in strukturschwachen Regionen mindestens 5000 zusätzliche Arbeitsplätze in Behörden oder sonstigen Einrichtungen des Bundes einzurichten. Vorgesehen sind diese Arbeitsplätze in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen. Bis Ende dieses Jahres entsteht beispielsweise im brandenburgischen Cottbus ein neues Kompetenzzentrum Regionalentwicklung mit rund 60 Arbeitsplätze, langfristig sollen es 90 werden.

Behörden neu ansiedeln einfacher als verlagern

Ein Forschungsteam des ifo Instituts hat im Auftrag des Bau-, Stadt- und Raumforschungsinstitut BBSR untersucht, wie die Ansiedlung von Behörden in strukturschwachen Regionen erfolgreich verläuft.  "Die Fallstudien zeigen: "Es ist deutlich einfacher, Behörden neu anzusiedeln als zu verlagern", fast der Leiter des BBSR, Markus Eltges, das Ergebnis zusammen.  "Denn Verlagerungen brauchen einen langen Vorlauf. Denn nicht alle Mitarbeiter wollen umziehen.

Bei Ausbildung kooperieren

Die Studie ergab, Behörden mit wenig spezialisierten Aufgaben können in der Regel schneller und umfangreicher Mitarbeiter rekrutieren als Einrichtungen, die hochqualifizierte Beschäftigte benötigen. Am Beispiel des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle im sächsischen Weißwasser zeigte sich, dass eine gute Ausbildungsstrategie auch weniger qualifizierte Beschäftigte gewonnen werden könne und damit viele Stellen am neuen Standort innerhalb des ersten Jahres besetzt werden konnten, so der BBSR-Chef. Um qualifizierten Nachwuchs im ländlichen Raum zu gewinnen, sollte daher mit regionalen Ausbildungsstätten und Hochschulen kooperiert werden - etwa durch duale Studiengänge. Als Beispiel nennt Eltges die Kooperation des Amtes für Ländliche Entwicklung Oberpfalz mit der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden.

Gute Wohn- und Arbeitsbedingungen

Was nicht überrascht: Um Mitarbeiter zum Umzug an einen neuen Standort zu bewegen, sind attraktive Arbeits-und Standortbedingungen wesentlich. Dazu zählten Beschäftigungsmöglichkeiten für die Partner, unbefristete Arbeitsverträge, eine gute infrastrukturelle Anbindungen - und Möglichkeiten für mobile Arbeit. Wichtig sind auch gute Bildungseinrichtungen, schnelles Internet und ein vielfältiges Freizeit- und passendes Wohnungsangebot. "Eine Willkommenskultur am neuen Behördensitz ist ebenfalls essentiell."

Vier Ämter, vier Regionen, vier Beispiele

Wie gingen die Forscher vor? Sie sahen sich die Entwicklung des Amtes für Ländliche Entwicklung in Tirschenreuth in der Oberpfalz genauer an, dazu die Außenstelle des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Weißwasser und  des Umweltbundesamt in Dessau-Rosslau. Zudem beschäftigten sie sich in einer Fallstudie mit dem Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern, das mit 150 Mitarbeitern von München nach Mühldorf am Inn verlagert werden soll. Die vier ausgewählten Behördenansiedlungen von Behörden wurden auf Basis von 34 teilstrukturieren, leitfadenorientierten Interviews betrachtet.

Die Forscher befragten 27 Beschäftigte der Behörden aus verschiedenen Hierarchieebenen und sieben Stakeholder der jeweiligen Region. Ergänzend wurden Onlineumfragen unter insgesamt 652 Beschäftigten von zwei der untersuchten Behörden durchgeführt. Die Experten bemängeln jedoch, dass Daten zur geografischen Verteilung von Behörden und ihrer Beschäftigten kaum vorhanden seien. Sie kritisieren dies als wesentliches Hindernis für die Forschung zur Wirksamkeit von Dezentralisierungsstrategien in Deutschland und appellieren an die Politik, mehr Daten zu erfassen und somit regionalökonomische Forschung mit modernsten Methoden zu ermöglichen.

Erfolgreiche Ansiedlung: Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz

Das Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberpfalz war 2013 von Regensburg nach Tirschenreuth verlagert worden. Viele Mitarbeiter machten den Umzug in die 100 Kilometer entfernte Kleinstadt nicht mit. Langfristig habe die Verlagerung aber dazu geführt, dass das Personal deutlich jünger und diverser aufgestellt ist. Um Nachwuchskräfte zu rekrutieren, habe das ALE Oberpfalz nach 20 Jahren erstmals wieder Ausbildungsplätze geschaffen. In Ausbildungsmessen und durch den eigenen „Tag der offenen Tür“ wurden gezielt Bewerber aus der Region um Tirschenreuth angesprochen und gewonnen. So wurden durch die Ansiedlung am neuen Standort attraktive Arbeitsplätze für junge, heimatverbundene Menschen geschaffen. Ein weiterer positiver Effekt sei die enge Zusammenarbeit mit der lokalen Hochschule. "Mit dieser Strategie ist es dem ALE gelungen, der begrenzten Verfügbarkeit von Fachkräften in der strukturschwachen Region entgegenzuwirken", heißt es in der Studie. Die neue Behörde habe den Standort Tirschenreuth aufgewertet. Sie wirkte sich nach Aussage der regionalen Wirtschaftsvertretung auch positiv auf die Nachfrage von Investoren aus. 

Lokalpolitiker werben um Behörden

Was die Studie auch ergab: Die Entscheidung, an welchem Ort die Behörden angesiedelt werden, habe oft mit dem Engagement von Lokalpolitikern und Landespolitikern zu tun. "Welcher strukturschwache Standort zum Behördenstandort wird, geht häufig auf den Einsatz von Einzelpersonen zurück", so die Forscher.

Die Studie mit den Ergebnissen auch für die anderen Fallbeispiele finden Sie hier.