Bürgerbeteiligung und Jugendbeteiligung in der Kommune
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Bürgerbeteiligung? Ganz easy!

12. Dezember 2018
Immer wieder klagen Kommunen über mangelnde Beteiligung der Bürger. In Erfurt ist auf diesem Gebiet ein Durchbruch gelungen: Der Stadtjugendring hat eine „Beteiligungsstruktur“ durchgesetzt, die einstimmig vom gesamten Stadtrat beschlossen wurde. Im KOMMUNAL-Interview macht Robert Richter vom Stadtjugendring Erfurt auch anderen Kommunen Mut, ähnliche Schritte zu gehen.

Ein Interview zum Thema Bürgerbeteiligung von Ronald Ziepke

KOMMUNAL: Sind Kinder und Jugendliche politisch desinteressiert?

Robert Richter: Es gibt keine Politikverdrossenheit, sondern Politiker- und Parteienverdruss. Bei der ersten Jugendkonferenz der Beteiligungsstruktur nahmen 130 Leute unter 25 Jahren teil. Jugendliche kommen freiwillig, wenn man sie richtig anspricht.

Jugendbeteiligung Politik
Robert Richter ist Geschäftsführer des Stadtjugendrings Erfurt, Dachverband und Interessenvertreter für Kinder und Jugendliche der Landeshauptstadt Thüringens.

Wie funktioniert das aus Ihrer Erfahrung am besten?

Es geht darum, durch neue Strukturen andere Räume zu öffnen. Die Option, Mitglied einer Partei zu werden, ist für politisches Engagement zu eindimensional. Es muss daneben vielfältigere Möglichkeiten geben, sich gesellschaftlich zu beteiligen. Ein Beispiel: Ein Spielplatz wird gebaut. Kinder schauen sich die Flächen an, malen ihre Ideen auf und daraus entstehen kleine Modelle – damit können die Erwachsenen arbeiten. Das wirkt. Ich finde es wichtig, nicht nur die Fleißigen und Engagierten anzusprechen, die sich sehr schnell mit dem bestehenden System verweben, sondern auch die abzuholen, die nicht vorne stehen, nicht redegewandt sind, aber ja auch eine eigene Meinung haben.

Wie lassen sich die weniger Interessierten denn erreichen?

Durch Online-Befragungen. Oder wenn Zettel zu politischen Themen bei Konzerten ausliegen würden. Nötig ist es, dass ein Bürgermeister zum Beispiel in einen Musik-Club geht und dort das Gespräch sucht. Junge Menschen wollen gehört werden und ihre Meinungen in der Politik wiederfinden – dafür braucht es Begegnungsorte.

Bürgerbeteiligung: Was kann man aus der Erfahrung lernen?

Und was lief bisher schief?

Jugendbeteiligungsversuche gibt es seit 20 Jahren. Es kam aber nicht genug dabei heraus. Sporadische Jugendparlamente ohne Entscheidungsmacht bringen nichts. Es fehlte bisher an Strukturen, in denen sich die Vielfältigkeit der Jugend wiederfindet. Einige Vorhaben sind zwar durch Befragungen entstanden, aber die wurden dann im Prozess nicht mehr weiter besprochen. Bürgerbeteiligung ist anstrengend, ein Lernprozess.

Wie gestaltet sich denn im Gegensatz dazu Ihre große Errungenschaft, die Bürgerbeteiligung in der Praxis?

Wir sind zu allen Stadtratsfraktionen gegangen, haben Konzepte vorgeschlagen, Türen geöffnet. Wir arbeiten etwa seit vier Jahren daran. Alle sollen in dem Modellprojekt eingebunden sein: Verwaltung, Politik und die Jugend - mit manchen Ämtern klappt es, mit anderen nicht. Mit einem Dezernat haben wir in diesem Sommer bis ins kleinste Detail dekliniert, wie das aussehen sollte – auch für die Verwaltung ist das Neuland, da müssen erst die Kriterien geschaffen werden. Je konkreter desto wirksamer. Das Ergebnis ist eine Dokumentation der Zusammenarbeit: Wenn junge Menschen vom Handeln der Verwaltung betroffen sind, was muss dann passieren und wer angesprochen werden?

Wie sieht es denn mit der Beteiligung speziell von Jugendlichen in anderen Städten und Gemeinden aus?

Erfurt ist im Vergleich sehr weit, was die Rahmenbedingungen für politische Beteiligungen von Kindern und Jugendlichen angeht. Vorbildstädte mit engagierten Jugendringen sind auch Mannheim mit „68DEiNS!“ oder Nürnberg mit „laut!“ – die haben sogar ein fest verankertes Budget, mit dem sie arbeiten können. Sich mit anderen Städten zu vergleichen, voneinander zu lernen und gemeinsam Modelle zu entwickeln - das hilft. Gesellschaftliche Themen sollten miteinander besprochen werden. Jugendlichen muss man dabei klarmachen: Es kann sich auch in deinem Leben etwas ändern.