
Wie Kommunen reagieren
Anti-Terror-Maßnahmen zu teuer: Frühjahrs-Kirmes abgesagt
Die Planungen für die Frühjahrskirmes in Lage im Kreis Lippe in NRW waren schon weit fortgeschritten - inklusive der Anti-Terror-Maßnahmen - es gab regelmässige Abstimmungen mit dem Ordnungsamt und auch mit der Polizei - doch jetzt die Kehrtwende: Die massiven Sicherheitsvorkehrungen sind einfach nicht mehr finanzierbar. Die traditionelle Frühjahrskirmes in der 35.000 Einwohner-Stadt wurde nun abgesagt.
Hauptgrund für die Absage ist die Anforderung, mindestens 30 schwere Lastwagen mit einem Gewicht von je mindestens 3,5 Tonnen zu organisieren. Damit sollten sämtliche Zufahrtsstraßen zur Kirmes abgesichert werden. Außerdem sollten einige Fahrzeuge mit jeweils zwei Fahrern besetzt sein. Einer, der den LKW steuern kann und diesen bei Bedarf für Rettungsfahrzeuge bewegen kann. Der andere sollte den Verkehr regeln und das Fahrzeug einweisen. Adolf Steuer, langjähriger Organisator der Veranstaltung, erklärt dazu im WDR: „Kurzfristig 30 LKW und 20 Fahrer zu organisieren, das ist einfach zu teuer. Ohne kann die Sicherheit der Kirmes aber nicht garantiert werden. Deshalb musste sie kurzerhand abgesagt werden.“
Stadtverwaltung bedauert die Absage - Anti-Terror-Maßnahmen nicht bezahlbar
Bei der Stadt Lage hat man Verständnis für die Absage, auch wenn man sie bedauert. Die Sensibilität gegenüber Sicherheitsrisiken sei nach den jüngsten Anschlägen noch einmal gestiegen, begründet der Bürgermeister der Stadt Matthias Kalkreuter die Situation. Daher werde nun an einem Alternativprogramm gearbeitet, um zumindest den verkaufsoffenen Sonntag noch stattfinden lassen zu können. Denn der ist an ein Großereignis gekoppelt, sonst dürfen die Geschäfte laut Gesetz in NRW an einem Sonntag nicht öffnen. Die Händler haben sich aber schon darauf eingestellt, rechnen an diesem Tag mit besonders hohen Umsätzen.
Hart trifft die Absage der Veranstaltung wirtschaftlich auch die rund 60 Schaustellerfamilien, die nun nicht an der traditionellen Kirmes verdienen können. Gerade im Frühjahr kommen viele Kosten auf sie zu. Versicherungen und der TÜV für die Karussells sind fällig. Und für die Frühjahrskirmes in Lage sind sie schon in Vorleistung gegangen. Übernachtungen wurden gebucht und Personal eingestellt. Viele sind verzweifelt und kommen jetzt in finanzielle Not.
Und es kommt noch härter für die Schausteller und die Händler in Lage: Auch die Martinikirmes im Oktober wird nicht stattfinden können. Auch hier sind die Kosten für das Sicherheitskonzept nicht mehr finanzierbar. Anders der Reinholdi-Markt im Oktober - er findet auf einem anderen, weit kleineren Gelände statt und kann einfacher abgesichert werden.
Flohmarkt bei München ebenfalls abgesagt - Sicherheitskonzept ist nicht umsetzbar
Ganz ähnlich geht es an diesem Montag den Menschen in Schongau, einer 12.000 Einwohner Gemeinde im Landkreis Weilheim-Schongau in Oberbayern. Dort wurde heute früh der Bürgersteigflohmarkt, der für den 5. April geplant war, abgesagt. Organisiert wird er traditionell von der Werbegemeinschaft vor Ort. Der Altstadtflohmarkt ist ein Publikumsmagnet und zieht viele Menschen an. Nach Rücksprache mit dem Bürgerservice der Stadt habe man nun aber entschieden, die Veranstaltung abzusagen, heißt es von den Organisatoren. Man könne die Innenstadt nicht komplett absichern. Problematisch sei vor allem der Marienplatz. Er müsste so gesperrt werden, dass ein Verrückter nicht mit dem Auto reinfahren und Leute umnieten kann. Gleichzeitig müsse aber die Zufahrt für Feuerwehr oder Sanka möglich bleiben. Als kleiner Veranstalter oder Verein könne man es sich jedoch nicht leisten, die Feuerwehr mit einer mobilen Straßensperre zu beauftragen, wie dies zuletzt am Faschingssonntag geschehen sei.
Schon vor 2 Wochen wurde in Wismar die dortige Veranstaltung "Wismar blüht auf", die für April geplant war, wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Zwar waren rund um den Marktplatz schon zahlreiche Poller installiert - offenbar aber nicht genug für die Veranstaltung. Zusätzliche Maßnahmen hätten die Veranstalter aber finanziell überfordert.
In den Karnevalswochen wurden zudem zahlreiche Veranstaltungen abegsagt, so etwa der Karnevalsumzug in Erfurt. Auch hier waren die Kosten für das Sicherheitskonzept zu hoch. „Bei großen Umzügen gehen diese Kosten in die Hunderttausende, bei kleineren sind sie fünfstellig. Das schnürt vielen ehrenamtlichen Vereinen den Atem ab“, erklärte Klaus-Ludwig Fess vom „Bund Deutscher Karneval“, dazu. Auch in Aschaffenburg etwa wurde der Zug abgesagt, ebenso in Kempten im Allgäu.
Wie andere Kommunen versuchen, Großveranstaltungen doch noch stattinden zu lassen - wie Anti-Terror-Maßnahmen aussehen
Nach jetzigem Stand ist das Leonhardifest in Siegertsbrunn im Landkreis München derweil nicht in Gefahr. Die Kleinstadt mit 11.000 Einwohnern zieht im Sommer jeweils einige Tausend Besucher mit dem Fest an. „Unser Sicherheitskonzept funktioniert und ist vollkommen ausreichend“, sagt Hans Loidl, Erster Vorstand des Leonhardi-Komitees in Siegertsbrunn dem Münchner Merkur. Es sei vielleicht „ein bisschen blauäugig“, gibt er zu, aber Auto-Anschläge beim Leonhardifest in Siegertsbrunn? „Bei uns könnte sowas nicht passieren, weil wir die Straßen durch quergestellte Fahrzeuge der Feuerwehr kategorisch absperren – bei uns kann niemand reinrauschen.“
Optimistisch ist man auch noch in Enger in Ostwestfalen. Dort kommen jedes Jahr im April rund 40.000 Menschen in die Innenstadt, um das Kirschblütenfest zu feiern. Das dortige Sicherheitskonzept wurde nun überarbeitet. Die Stadt soll für die mehrtägige Veranstaltung komplett abgeriegelt werden. Das Sicherheitskonzept sei deutlich verschärft worden, teilte Daniela Dembert, die Vorsitzende des Kultur- und Verkehrsvereins Enger heute morgen mit. Der Verein ist seit 45 Jahren Ausrichter des Stadtfestes. Es sieht unter anderem Absperrungen für Autos und LKW zum Festgelände vor.
Wie Städte ihre Sicherheitskonzepte überarbeiten - und wie der Bauhof selbst Vorrichten baut
In Starnberg hat jüngst der Hauptausschuss Grünes Licht für ein verschärftes Sicherheitskonzept bei städtischen Veranstaltungen gegeben. In der Beschlussvorlage der Verwaltung zum Tagesordnungspunkt „Sicherheitskonzepte für städtische Veranstaltungen“ sind auch Events wie der Christkindlmarkt, im Bucentaurpark oder die Nacht der langen Tafel in der Innenstadt erwähnt und man weist darauf hin, dass es bislang „keine gesetzlichen Regelungen“ gebe, nach denen Sicherheitskonzepte „für Veranstaltungen außerhalb von genehmigten Versammlungsstätten“ verpflichtend seien; umgekehrt seien diese aber „für Veranstaltungen auf öffentlichem Gelände der Stadt“ mittlerweile obligatorisch. Die Stadt will nun auf jeden Fall selbst handeln und beauftragte im Ausschuss einstimmig (13:0), sich „professionelle Sicherheitskonzepte“ ausarbeiten zu lassen. Der Stadtrat müsste das noch bestätigen.
Man sei sich bewusst, so Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik , „dass wir hundertprozentige Sicherheit niemals schaffen werden“. Man wolle sich aber Veranstaltungen "nicht mit Beton-Barrikaden zumörteln lassen", so Janik. Gerade am Kirchplatz müsse zum Beispiel die Zufahrt für die Feuerwehr oder Rettungsdienste offengehalten werden, erläuterte Janik.
Auch in Wangen im Allgäu hat sich die Stadt Gedanken über Sicherheitskonzepte gemacht. Um Amokfahrten zu verhindern, setzt man dort auf selbstgebaute Betonbarrieren. Sie wurden von Mitarbeitern des städtischen Bauhofs konzipiert und gebaut, um bei Veranstaltungen mögliche Amokfahrten zu verhindern. Bislang hatte die Stadt Zufahrtssperren gemietet. Doch das kostete jedes Mal bis zu 6.000 Euro. Die selbstgebauten Barrieren kosten pro Stück rund 5000 Euro pro Betonklotz. Rund 30 davon gibt es nun im Ort. Die Kosten sollen sicher aber innerhalb weniger Jahre amortisieren. Gebaut wurden sie von den örtlichen Mitarbeitern des Bauhofes. Es sind mit Beton gefüllte Metallwürfel.
Bei Notfällen können die Seile entfernt werden. Zudem haben die Barrieren Schlitze, damit sie per Gabelstapler transportiert werden können.
Andere Städte hätten bereits in Wangen angefragt und Interesse an den Zufahrtssperren Marke Eigenbau bekundet.
Eine Änderung gibt es nun auch in Magdeburg, wo kurz vor Weihnachten ein Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt für Entsetzen sorgte. Erstmals verlangt nun ein Verein Eintritt für sein Osterfeuer, um Schutzmaßnahmen wie Ordner und Absperrungen zu finanzieren. Das gab der Verein am Wochenende bekannt.