Drei Tote bei Stadtfest
Feste: Wie Kommunen auf den Anschlag in Solingen reagieren
Aktualisiert am 27. August 2024
Es sollte ein Fest mit ausgelassener Stimmung werden: Die Stadt Solingen will ihr 650-jähriges Bestehen mit den Bürgerinnen und Bürger bei einem Festival der Vielfalt feiern. Doch dann sticht am Freitag gegen 21.40 Uhr während eines Konzerts auf einem Marktplatz in der Innenstadt ein bislang Unbekannter wahllos mit dem Messer auf mehrere Menschen ein. Drei von ihnen sterben, mehrere schweben in Lebensgefahr. Dem Täter gelingt es, in der Menschenmenge zu fliehen. Inzwischen hat sich die Terrormiliz Islamischer Staat IS zu dem Anschlag bekannt. Ein Beleg dafür fehlt den Ermittlern bislang, heißt es. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, hat sich am Samstagabend auf einer Polizeiwache gestellt. Er hat in einer Flüchtlingsunterkunft gewohnt.
Auch die Kommunen um Solingen herum hatten auf den Anschlag reagiert. Hilden und Haan sagten geplante Feste ab. Aus Mitgefühl, aber auch aufgrund der Sicherheitslage. Andere Kommunen entschieden sich, die Feste dennoch abzuhalten, verschärften aber die Sicherheitsvorkehrungen, wie etwa das brandenburgische Eisenhüttenstadt. Dort fand am Wochenende das Stadtfest 2024 statt. Beim Oktoberfest in München vom 21. September bis 6. Oktober soll es zusätzliche Einlasskontrollen geben. Es würden Taschen kontrolliert. Das Sicherheitskonzept werde noch einmal überprüft, so Oberbürgermeister Dieter Reiter.
Wie sicher sind die Stadtfeste in Deutschland?
Wie sicher sind unsere Feste? Reichen die Vorkehrungen aus? Nach dem Anschlag eines islamistischen Attentäters auf den Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember 2021 sind in Deutschland die Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden. Mit seiner Lkw-Fahrt auf den Breitscheitplatz an der Gedächtniskirche im Dezember 2016 tötete Amis Amri 12 Menschen und verletzte fast 170 Besucher des Weihnachtsmarktes bei dem Attentat, teilweise schwer. Ein weiteres Opfer starb im Oktober 2021 an den Langzeitfolgen seiner Verletzungen. Auf dem Breitscheidtmarkt wurden danach Poller angebracht, damit kein Fahrzeug mehr ungebremst auf die Menschen zurasen kann. Doch auszuschließen ist damit ein Anschlag nicht.
Anschlag bei Taylor-Swift-Konzerten verhindert
Jüngst wurden in der österreichischen Hauptstadt Wien mehrere Taylor-Swift-Konzerte wegen Terrorgefahr abgesagt. 170.000 Menschen waren erwartet worden, das Ernst-Happel-Stadion hat rund 51.000 Plätze, doch es war damit gerechnet worden, dass weitaus mehr Fans sich rund um den Veranstaltungsort versammeln. Ein 19-jähriger Islamist wollte außerdem des Stadions ein Blutbad anrichten - mit Sprengstoff und Stichwaffen. Er hat den Anschlagsplan gestanden.
Solinger Anschlag mit Messer
Von dem Anschlag beim Solinger Stadtfest wurden die Behörden überrascht. Es soll keine Hinweise darauf gegeben haben. Alarmierend: In Deutschland nimmt die Zahl der Messer-Angriffe massiv zu. Im Jahr 2023 verzeichnete das Bundeskriminalamt fast 14.000 Fälle von Messergewalt. Der Wuppertaler Polizeipräsident Markus Röhrl sprach bei der Pressekonferenz von einer Einzeltat beim Stadtfest in Solingen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass in der Umgebung weitere Anschläge geplant sind.
Kommunen überprüfen Sicherheitskonzepte
Der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Andre Berghegger, kündigte gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" an, die Städte und Gemeinden werden überprüfen, ob sie die Sicherheitsvorkehrungen verbessern könnten. Es werde aber schon jetzt vor solchen Veranstaltungen immer zwischen bestmöglichem Schutz und größtmöglicher Freiheit abgewogen. Nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin und der zunehmenden Bedrohung hatten Kommunen in Deutschland bereits auf mögliche Terrorgefahren reagiert und in Kooperation mit der Polizei die Sicherheitsvorkehrungen vor Festen verschärft. Berghegger warnte davor, dass der Charakter der Feste komplett verändert wird. "Wichtig ist, dass wir uns von Terroristen unseren freiheitlichen Lebensstil nicht zerstören lassen, denn dann hätten sie ihr Ziel erreicht."
Videoüberwachung und Einlasskontrollen bei Stadtfesten?
Nach der Bluttat von Solingen wird erneut die Debatte um Videoüberwachung, Einlasskontrollen und Waffentrageverbote geführt. Der Ruf nach Konsequenzen wird immer lauter. Gefordert werden vor allem konsequente Abschiebungen. Der Asylantrag des jungen Syrers war abgelehnt worden, er hätte nach Angaben von Behörden bereits im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Doch dazu kam es nicht. Der Mann war über Bulgarien eingereist.
Kurzbach: Solingen darf nicht zum Symbol für politischen Streit werden
Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach warnte im ZDF: "Solingen darf nicht zum Symbol für einen politischen Streit werden." Er bat darum, den Respekt vor den Bürgern der Stadt zu wahren. "Solingen ist schon einmal missbraucht worden, um große Debatten zu führen. Das darf nicht wieder passieren", so Kurzbach. In Solingen waren im Mai 1993 fünf türkischstämmige Frauen und Mädchen bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag getötet worden. Allerdings forderte der Solinger Oberbürgermeister auch, dass die Kommunen bei der Flüchtlingspolitik mehr einbezogen werden sollten. Migration habe auch ihre Grenzen
Stadtfest Oldenburg - Sicherheit hat Priorität
Im niedersächsischen Oldenburg hat die Stadt ihre Ankündigung für das geplante dreitägige Stadtfest vom 29. bis 31. August überschrieben mit: "Safety first: Wie das Stadtfest mit Sicherheit über die Bühne geht". Erwartet werden rund 300.000 Besucher und Besucherinnen. Bei dem beliebten Stadtfest in der Oldenburger Fußgängerzone sind rund 100 Live-Bands und DJs angesagt. "Polizei und Veranstalter haben besonders die Zufahrts- und Rettungswege in den Blick genommen", heißt es in der Mitteilung. Geplant sind zahlreiche Sperrungen. Aus Sicherheitsgründen wird der Heiligengeistwall von 20 bis 1.30 Uhr für den Individualverkehr gesperrt.
Nach dem Anschlag beim Stadtfest in Solingen werden wohl nun alle Kommunen noch mehr Polizeipräsenz bei geplanten Festen anfordern. Über die bisherigen Sicherheitskonzepte wird diskutiert werden. Allerdings sind den Möglichkeiten Grenzen gesetzt, wie auch Wuppertals Polizeipräsident bei der Pressekonferenz nach dem Anschlag auf dem Solinger Fronhof deutlich machte.