Klimaschutzmanager sollen Kommunen fit für den Klimawandel machen.
Kommunale Klimaschutzmanager: kein leichter Job in diesen Zeiten.
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Klimaschutz

Klimaschutzmanger kritisiert fehlende Strategie

Thomas Nonte blickt auf neun Jahre als Klimaschutzmanager der oberbergischen Gemeinde Engelskirchen zurück. Ende des Jahres 2022 ging er in Pension. KOMMUNAL sprach mit ihm über Erreichtes, falsche Narrative, fehlende Strategien und die Zukunft des Klimaschutzes. Der ehemalige Unternehmensberater sagt: Klimaschutz muss eine Pflichtaufgabe aller Kommunen werden.

Kommunal: Herr Nonte, wie haben Sie 2013 die ersten 100 Tage als Klimaschutzmanager erlebt?

Thomas Nonte: Nach anfänglicher Euphorie wie alle Klimaschutzmanager und -managerinnen als ein Tal der Tränen. Auch wenn ich zuvor schon zwei Jahre ehrenamtlich im Klimarat der Stadt gesessen habe. Klimaschutzmanager und -managerinnen sind ja im Regelfall Quereinsteiger. Als ehemaliger Unternehmensberater waren die eher langwierigen Entscheidungswege einer kommunalen Verwaltung sehr gewöhnungsbedürftig. Dazu kam die Situation im Allgemeinen. Der Oberbergische Kreis war damals kein Glanzlicht in Sachen Klimaschutz und eher ein NRW-Schlusslicht in Bezug auf Erneuerbare Energien. Zu meinem Glück hatte ich mit Dr. Gero Karthaus einen in ökologischen Fragen sehr engagierten Bürgermeister an meiner Seite und das war damals keine Selbstverständlichkeit. 

Warum?

Wie etwa 90 Prozent aller NRW-Kommunen war auch Engelskirchen damals in der Haushaltssicherung und Klimaschutz ließ sich nur mit Fördermitteln realisieren.

Aus eigener Kraft waren Klimaschutzmaßnahmen also kaum durchsetzbar?

Genau. Immerhin kannte ich mich durch meine frühere Beratertätigkeit für Unternehmen und Kommunen einigermaßen im deutschen und europäischen Förderdschungel aus. Dennoch stellten 1.200 bis 1.300 mögliche Fördertöpfe auch für mich eine Herausforderung dar. Förder-Navis gab es damals noch nicht. Heute gibt es sie, aber sie sind oftmals schlecht gepflegt und nur umständlich nutzbar. Ebenso wenig geändert hat sich die Tatsache, dass von einer Klimaschutzidee bis zur Fördermittelzusage noch immer ein bis anderthalb Jahre Zeit ins Land gehen. Ohne Erfahrungen in dem Bereich und ohne einen konstruktiven Austausch mit den Finanzgebern kann diese Zeit sogar noch überschritten werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die allermeisten Klimaschutzmanagerinnen und -manager nur befristet für zwei oder drei Jahre finanziert werden. Mehr als zwei oder drei investive Maßnahmen lassen sich in diesem kurzen Zeitraum also kaum umsetzen. 

 

Was konnten Sie in den neun Jahren in Engelskirchen erreichen?

Eine ganze Menge. Seit 2013 haben wir in Zusammenarbeit mit Schulen, Bürgerschaft und Unternehmen etwa 100 Klimaschutzmaßnahmen umsetzen können; 70 davon kamen aus dem öffentlich erarbeiteten Integrierten Klimaschutzkonzept. Meine Hauptaufgabe bestand tatsächlich darin, Überzeugungsarbeit zu leisten. Imponiert haben mir immer wieder die Kinder und Jugendlichen, die in Sachen Klimawandel und Klimaschutz zum Teil deutlich weiter sind als die Erwachsenen. Im Angesicht der Herausforderungen haben wir in Engelskirchen allerdings längst nicht genug erreicht. Auch wenn wir den CO2-Abdruck der Kommune - städtische Liegenschaften, Bürgerschaft und Unternehmen - um gut 22 Prozent senken konnten. Den großen Vorsprung, den manche württembergischen und bayerischen Kommunen in diesem Bereich haben, konnten wir zwar verringern, aber nicht ausgleichen. 

In vielen Fachgesetzen ist der Klima- und Umweltschutz längst verankert. Reicht das aus, um die Klimaziele der Bundesrepublik zu erreichen?

An der Gesetzeslage gibt es meines Erachtens eher wenig zu kritisieren. Es fehlt nicht an neuen Gesetzen, sondern an der Priorisierung. Die Wirtschaft braucht Planungssicherheit und die ist nicht wirklich gegeben, weil es an einer bundesdeutschen Gesamtstrategie fehlt. Meinens Erachtens haben wir nicht die Zeit, auf global verbindliche Standards zu warten. Wir müssen jetzt handeln - auch im Alleingang. Aber wir kommunizieren weiter das falsche Narrativ.

Welches meinen Sie?

Das Narrativ von Verzicht und Kostenexplosionen, das auch von Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier befördert wurde, als er davon sprach, dass die Energiewende uns 1 Billion Euro kosten würde. Leider hat er vergessen hinzuzufügen, wie viel Geld wir einsparen und welche Wettbewerbsvorteile wir als Land mit gelungener Energiewende global haben könnten. Hinzukommt, dass der Krieg in der Ukraine auch dem letzten Skeptiker deutlich machen sollte: Ein energieautarkes Deutschland ist weniger erpressbar. Nicht von Russland und nicht von den OPEC-Staaten. Ich bin eigentlich kein Freund von FPD-Positionen, aber die Wortschöpfung von Finanzminister Christian Lindner, der die regenerativen Energien als Freiheitsenergien bezeichnete, finde ich ziemlich gelungen.

Der Ukraine-Krieg macht deutlich: die Energiewende muss schneller vorankommen

Sie haben als scheidender Klimaschutzmanager gefordert, dass Klimaschutz längst eine Pflichtaufgabe und keine Wahlaufgabe in den Kommunen sein sollte. Das werden viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen ungern vernommen haben. 

Natürlich. Das ist verständlich, wenn man die finanziellen Situationen vieler Kommunen in NRW betrachtet. Dennoch bleibe ich dabei, weil der Klimaschutz deutlich schwerer gewichtet werden muss. Dafür müssen kommunale Klimaschutzmaßnamen - und die Festanstellung der Manager und Managerinnen - zukünftig mehrheitlich von Bund und Ländern übernommen werden. Letztendlich kommen wir doch nicht an der Erkenntnis vorbei, dass wir vor einer existentiell bedrohlichen Klimawende stehen: Starkregen und Stürme auf der einen Seite und Dürreperioden auf der anderen Seite. Jeder Euro, den wir heute nicht in den Klimaschutz investieren, werden wir - siehe Ahrtal - in Zukunft doppelt und dreifach ausgeben müssen. 

Wird Ihr Nachfolger ebenfalls - wie Sie in der Vergangenheit - Phasen der vorübergehenden Arbeitslosigkeit erleben, weil die Förderung der Stelle nicht rechtzeitig unter Dach und Fach gebracht werden konnte?

Nein und das ist eine gute Nachricht - nicht nur für Marcel Siebert, meinen Nachfolger, dem ich aktuell noch beratend zur Seite stehe. Die Kommune hat entschieden, dass die Stelle seit Jahresbeginn unbefristet ist. 

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