Blick in die Schildergasse in Köln, eine Fußgängerzone.
Die Schildergasse in Köln gehört zu den beliebtesten Einkaufsstraßen Deutschlands. Damit das so bleibt, beteiligt sich die Stadt am Projekt "Stadtlabore für Deutschland".
© KölnBusiness/ S. Trägner

Wirtschaftsförderung

Stadtlabore gegen Leerstand in den Innenstädten

Frühzeitig von leerstehenden Gewerbeflächen erfahren und geeignete Interessenten und Immobilienbesitzer zusammenführen – mit einer vorausschauenden Nachvermietungsstrategie lassen sich Innenstädte lebendig halten. Wie eine digitale Plattform dabei helfen kann, will das Projekt „Stadtlabore für Deutschland: Leerstand und Ansiedlung“ in Zusammenarbeit mit 14 Beispielstädten zeigen.

In den Innenstädten wird es stiller und Ansiedlungsmanagement wird immer schwerer, das weiß man in den Kommunen nicht erst seit den Lockdowns und Hygieneregeln der Coronazeit. Die Pandemie führte den Onlinehandel zu Rekordhöhen, trieb aber viele innerstädtischen Geschäfte an den Rand des Ruins. Doch das Problem schwelt schon länger und bereits in den kommenden drei Jahren ist mit der Schließung von 80.000 Geschäften zu rechnen. Höchste Zeit also für die Städte, sich dem Problem mit hoher Energie zu widmen.

Stadtlabore schaffen Werkzeug für proaktives Ansiedlungsmanagement

Angeschoben von einer Förderung durch das Bundesministerium von Wirtschaft und Energie mit einem Volumen von knapp 12 Millionen Euro startete jetzt das Projekt „Stadtlabore für Deutschland: Leerstand und Ansiedlung“. Bis Ende 2022 baut das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) die digitale Plattform „LeAn“ auf, die den Verantwortlichen in den Städten „durch einen ganzheitlichen Überblick zu Leerständen, Immobilienstruktur, angebotenen Gewerbeflächen und möglichen Anbietern ein proaktives Ansiedlungsmanagement auf Basis eines Innenstadtkonzeptes“ bieten soll.

Im Rahmen des Projekts werden die Forscherinnen und Forscher auf Basis der Erfahrungen von 14 unterschiedlich großen Projektstädten standardisierte Abläufe, Prozesse und digitale Werkzeuge entwickeln. Die Daten und Konzepte stehen dann auf „LeAn“ nicht nur anderen Städten und Kommunen mit ihren Wirtschaftsförderungen zur Verfügung, sondern auch Immobilienbesitzerinnen und Immobilienbesitzern sowie Interessierten aus der Maklerbranche, Handel, Gastronomie oder auch Bildung und Kultur. „Leerstand zu erfassen und zu managen ist die Pflicht, dabei mit neuen Ansiedlungsstrategien örtliche Vielfalt zu entwickeln, die Kür“, fasst es IFH-Geschäftsführer Boris Hedde zusammen.  

Hanau beschloss Vorkaufsrechtsatzung

Im hessischen Hanau, einer der Modellstädte, bastelt man an dieser „Kür“ schon seit einigen Jahren. „Im schlechtesten Fall erfahren wir von Geschäftsaufgaben, wenn die Schaufenster ausgeräumt sind“, beschreibt der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky das Problem. Will eine Stadt handlungsfähig sein und kreative Lösungen vorbereiten, braucht sie also sehr zeitnahe Informationen darüber, was Gewerbetreibende und Immobilienbesitzer planen. An diese Daten zu kommen, gelingt in Hanau seit 2019 besser. Damals verabschiedete die Stadt eine Vorkaufsrechtssatzung - und kann seither aktiv Einfluss auf das Immobiliengeschäft der City nehmen. "Immoblien sind der Schlüssel für eine gedeihliche Entwicklung der Innenstadt", erklärt Martin Bieberle, Geschäftsführer der Hanau Marketing GmbH. "Unser Ziel ist es, Unternehmer mit Herzblut und Immoblienbesitzer zusammenzubringen."

Hanau setze damit aber nicht auf Konflikt, sondern auf Dialog. Es gehe darum, mit den Eigentümerinnen und Eigentümern Ideen zu entwickeln, wie ihre Immobilie und damit die Innenstadt aufgewertet werden könne, so die Stadt. Man appelliere an die Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung der Innenstadt. Inzwischen hat man alle gewerblichen Immobilien in der Innen- und der Altstadt in einer Datenbank erfasst. Damit werden man „die ersten Testversuche mit Ansiedlungswilligen auf der Suche nach den richtigen Locations“ starten. Da alle Kommunen vor den gleichen Herausforderungen stünden, sei es sinnvoll wie während des Stadtlabore-Projekts voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen.

Lübeck will mehr als Einzelhandel in der Innenstadt

In Lübeck, einer weiteren Projektstadt weiter im Norden, hat man durch eine jährliche Einzelhandelsbegehung eine gute Datengrundlage für weitere Planungen. Die Leerstandquote der Einzelhandelsflächen schwankt um die 11 bis 14 Prozent, immer mehr Immobilien sind nicht mehr marktgängig und müssen renoviert werden. Die Auswirkungen der Coronapandemie haben viele der örtlichen Handeltreibenden kalt erwischt, denn auf einen Multi-Channel-Vertrieb war kaum jemand vorbereitet.  

Lübeck will die Innenstadt „als sozialen Erlebnisraum neu denken“. Leuchtturmprojekt ist der Ankauf des ehemaligen Karstadt-Warenhauses, in dem die Stadt nun in einem Mixed-Use-Konzept auf über 8.000 qm neben Startups und Pop Up Stores auch vier Gymnasien und drei Hochschulen unterbringt. „Gleichzeitig wollen wir an der Schaffung von neuen Standards mitwirken: mit Leerstandsmeldungen, schnellerer Reaktionszeit und der Einbindung von vorhandenen Schnittstellen“, heißt es. Seit dem Sommer 2021 experimentiert Lübeck mit einer Laser-Passantenfrequenzmessung an zehn Orten in der Innenstadt. „Frequenz ist noch kein Umsatz, aber das notwendige Potenzial dafür.“ In Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Lübeck erforscht man nun den Einfluss von Faktoren wie beispielsweise dem Wetter oder verkaufsoffenen Sonntagen auf die Besucherzahlen und will die Daten mit den Erhebungen des Einzelhandelsmonitoring verknüpfen.

Köln: hohe Ansiedlungsnachfrage, aber wenig Leerstand

Andere Probleme hat die Stadt Köln, die mit der Schildergasse und der Hohen Straße zwei der meistfrequentierten Einkaufsstraßen Deutschlands besitzt. Hier ist die Herausforderung, eine trotz Corona gleichbleibende, sehr hohe Nachfrage nach Ladenlokalen bei einer geringen Leerstandsquote zu managen.

Das Problem: Köln will auch in Zukunft attraktiv bleiben, hat aber durch die hohe Belegung kaum Flexibilität. „Durch die Knappheit an gewerblichen Flächen ist es schwierig, interessante neue Handels-, Dienstleistungs- und Gastronomiekonzepte in Köln anzusiedeln“, beschreibt es das städtische Tochterunternehmen KölnBusines Wirtschaftsförderungs-GmbH. Insbesondere ausländische Unternehmen hätten es schwer, in der Domstadt einen Fuß in die Tür zu bekommen.

„Die größte Herausforderung in Köln ist es, von der Verfügbarkeit der wenigen Flächen rechtszeitig zu erfahren, um Angebot und Nachfrage kurzfristig zusammenzubringen“, so die Wirtschaftsförderer. Grade, wenn man schnell sein muss, ist eine aktuelle Datenlage wichtig. Die Wirtschaftsförderungs-GmbH arbeitet deshalb seit 2020 an einer fundierten Datenbasis. Zurzeit sei man intensiv damit beschäftigt, kontinuierlich aktuelle Zahlen zur Erdgeschossnutzung und Ladenleerständen zu bekommen und digital darstellen zu können. Auch ergänzende Daten, wie Passantenfrequenzen oder Informationen zum Planungs- und Baurecht werden beschafft. Die Teilnahme am Projekt Stadtlabore und die damit zusammenhängende Förderung sei für Köln hilfreich, „um die Entwicklung der Kölner Handelslagen zusätzlich zu unterstützen und sich mit anderen Kommunen über das Thema auszutauschen“.

Relevante Daten erheben und aufbereiten

Neben dem Voneinander lernen der Modellstädte und der Entwicklung der digitalen Plattform geht es beim Stadtlabore-Deutschland-Projekt auch um das Generieren der relevanten Daten für die Zukunftsplanung der Städte. Dabei unterstützen die Initiatoren des IFH Köln mehr als 15 weitere Projektpartner. Sie helfen bei der Datenerfassung, dem Matching von Angebot und Nachfrage, der Erhebung von Passantenfrequenzen und der intelligenten Aufbereitung der Rohdaten. Ende des Jahres, so hofft man bei der IFH, sei dann "eine Basis für dialogorientiertes, standardisiertes Miteinander im Prozess der Vitalisierung von Stadtzentren gelegt".