Greensill-Pleite bedroht Kommunen
Geht die Greensill-Bank insolvent, müssen sich Kommunen mit schweren Konsequenzen rechnen.
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Experte zu Haftungsrisiken

Bei Greensill-Pleite drohen Kommunen Verluste

Erst Wirecard, jetzt Greensill: Wieder eine Blamage für die Finanzaufsicht? Die drohende Greensill-Insolvenz könnte vielen Kommunen hohe Verluste bescheren. Unser KOMMUNAL-Gastautor, Rechtsanwalt Marius Klotz über Haftungsrisiken für die Vertreter der betroffenen Städte.

Am 3. März 2021 machte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin die in Schieflage geratene Greensill Bank AG dicht. Von einer möglichen Insolvenz ist bereits die Rede. Unter den möglichen Betroffenen der Greensill-Insolvenz sind nach Presseberichten auch rund 50 deutsche Kommunen, darunter die Stadt Monheim. Ihnen droht ein Totalausfall.

Greensill: Kommunen drohen Haftungsfolgen

Bei nicht wenigen Kommunen könnten sich die verantwortlichen Akteure früher oder später mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, gegen geltende Anlagerichtlinien oder allgemeine Haushaltsgrundsäte verstoßen zu haben. Die betroffenen Kommunen sollten daher frühzeitig aktiv werden, um für sie nachteilige haftungs- und versicherungsrechtliche Folgen zu vermeiden.

Greensill Bank lockte mit hohen Zinsen

Was ist passiert? Die Greensill Bank lockte Kunden über Jahre mit hohen Zinsversprechen. Dieser Versuchung erlagen – wie nun bekannt wird – auch zahlreiche Kommunen, die der Bank zum Teil erhebliche Sparguthaben anvertrauten. Zuletzt ergaben sich jedoch Anhaltspunkte, dass in den Bilanzen der Greensill Bank nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Deshalb ordnete die BaFin eine forensische Sonderprüfung an. Hierbei kam heraus, dass die Greensill Bank AG nicht in der Lage ist, den Nachweis über die Existenz von bilanzierten Forderungen zu erbringen. Daher schloss die BaFin die Bank am 3. März kurzerhand. Ferner verhängte sie wegen drohender Überschuldung ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot.

Insolvenz der Greensill-Bank immer wahrscheinlicher

Die Bank darf also keine Gelder mehr auszahlen und Zahlungen nur entgegennehmen, wenn diese zur Tilgung von Schulden bestimmt sind. Da inzwischen offenbar auch die Muttergesellschaft der Bank in finanzielle Bedrängnis geraten ist, wird eine Insolvenz der Bank immer wahrscheinlicher.

Kein Schutz der Kommunen über die Einlagensicherung des BdB

Für die von der drohenden Greensill-Pleite betroffenen Kommunen und ihre Vertreter ist die Lage brisant. Zwar ist die Greensill Bank Mitglied des freiwilligen Einlagesicherungsfonds des Bundesverbands Deutscher Banken (BdB). Der Einlagesicherungsfonds schützt die Guthaben von Kunden bei den beteiligten Banken auch über die gesetzliche Einlagensicherung nach dem Einlagensicherungsgesetz (EinSig) hinaus. Der BdB hatte die Einlagensicherung jedoch mit Wirkung zum 1. Oktober 2017 reformiert. Weil Kommunen nach Einschätzung des BdB als professionelle Investoren über die notwendigen Kenntnisse verfügen, um Anlagerisiken einschätzen zu können, wurden sie fortan vom der Einlagensicherung ausgenommen.

Verstoß bei Kommunen gegen Anlagerichtlinien?

Die den betroffenen Kommunen drohenden finanziellen Verluste werden früher oder später die Frage nach einer haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit aufwerfen. Viele der investierten Städte haben spezielle Anlagerichtlinien erlassen, die vorsehen, dass freie Mittel nur bei Banken angelegt werden dürfen, die der Einlagensicherung unterliegen. Auch losgelöst von konkreten Anlagerichtlinien stellt sich die Frage, ob die von den Kommunen eingegangenen Anlagerisiken mit kommunalrechtlichen Haushaltsgrundsätzen vereinbar sind. Zahlreiche Kommunen hatten ihre Vermögensanlagen seinerzeit bewusst auf die öffentlich-rechtlichen Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken umgeschichtet, die – anders als die im BdB organisierten Privatbanken – an einer Einlagensicherung für Kommunen festgehalten hatten; wenngleich für den Preis von Negativzinsen.

Betroffenen droht im Greensill-Fall persönliche Haftung

Die causa „Greensill“ könnte in den Kommunen auch zu persönlichen Haftungsfolgen führen. Zwar genießen die Vertreter einer Kommune im Innenverhältnis Haftungsprivilegien. Eine Pflicht zum Schadensersatz setzt regelmäßig zumindest grob fahrlässiges Handeln voraus. Fälle wie die Inanspruchnahme der früheren Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn Dieckmann zeigen aber, dass auch im öffentlichen Bereich die Bereitschaft wächst (ehemalige) Vertreter auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

Das Verwaltungsgericht Köln hatte Dieckmann und andere ehemalige Vertreter der Stadt Bonn wegen des Fiaskos rund um das Bonner Kongresszentrum WCCB im September 2020 zu einer Schadensersatzzahlung von 1 Million Euro verurteilt (Urteil vom 10. September 2020). Die Bereitschaft zur Verfolgung solcher Ansprüche ist insbesondere dann groß, wenn das Leitungspersonal sich nicht (mehr) auf gesicherte Ratsmehrheiten stützen kann.

Versicherungsschutz der Kommunen lückenhaft

Kurzsichtig wäre es, wenn sich die Kommunen hinsichtlich der drohenden Schäden auf eine Regulierung durch kommunale Versicherungen verlassen. Denn hierbei muss mit erheblichem Widerstand seitens der Versicherer gerechnet werden, soweit Versicherungsschutz überhaupt besteht. Die im kommunalen Bereich verbreiteten „Vermögensschadeneigenversicherungen“ dürften vorliegend zwar greifen, Deren Versicherungssumme liegt jedoch meist lediglich im sechsstelligen Bereich.

Der kommunale Schadenausgleich, in dem zahlreiche Kommunen organisiert sind, bietet zwar unbegrenzte Deckungssummen; er erstreckt sich aber nur auf die Haftung der Kommune und ihrer Vertreter gegenüber Dritten und greift somit nicht bei der hier im Raum stehenden Innenhaftung. Und auch die Deckung über Haftpflichtversicherungen der handelnden Akteure (in der Regel besteht eine Absicherung über die Kommune) steht auf wackeligen Füßen.

Der Versicherungsschutz ist nach den Vertragsbedingungen regelmäßig ausgeschlossen, wenn der Schaden auf einem „bewussten Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder auf einer sonstigen bewussten Pflichtverletzung“ beruht. Dieser Ausschluss ist für Versicherer ein beliebtes Einfalltor, um den in Anspruch genommenen den Versicherungsschutz zu versagen, so geschehen auch im Fall Dieckmann. Kurzum: Die Betroffenen sind gut beraten, sich frühzeitig rechtlich abzusichern.

Dr. Marius Klotz, LL.M. ist Rechtsanwalt der Kanzlei Dr. Ganteführer, Marquardt & Partner mbB (Düsseldorf). Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Themen des Haftungs- und Versicherungsrechts.

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