Flüchtlinge
Mehr als 300.000 Kriegsvertriebene aus der Ukraine haben bislang Schutz in Deutschland gesucht.
© Adobe Stock

Ukraine-Flüchtlinge

Bund zahlt Kommunen und Ländern zwei Milliarden Euro

Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen ab 1. Juni Grundsicherung beziehen können. Bei einem Treffen haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf die Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung und die Schritte zur Integration geeinigt. Der Bund unterstützt die Kommunen und Länder mit einer Pauschale von zwei Milliarden Euro in diesem Jahr. Außerdem gibt es weitere Zusagen. Der Beschluss im Wortlaut! Und: Was die Kommunen dazu sagen.
 Aktualisiert am 8. April 2022

Sechs Wochen nach Kriegsbeginn in der Ukraine haben sich Bund und Länder auf einen Fahrplan zur Finanzierung der Unterbringung und zur Integration der Kriegsvertriebenen verständigt. Die Kosten für die vereinbarte Grundsicherung trägt der Bund. Zudem bezahlt er zwei Milliarden Euro für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge. "Wir sorgen damit dafür, dass es für die Länder und Kommunen kein Drama wird, dass sie die Aufgaben finanziell schultern können", sagte Scholz bei der Pressekonferenz am späten Donnerstagabend. Im November werde man sich dann erneut verständigen und Rückschau halten und das kommende Jahr 2023  in den Blick nehmen. "Es ist nicht absehbar, wie lange der Krieg dauert und wie viele Flüchtlinge noch kommen werden, niemand kann sagen, wie lange der Krieg in der Ukraine dauert", betonte Scholz.

Die wichtigsten Punkte für die Kommunen, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben:

Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder halten es für unerlässlich, die in Deutschland aus der Ukraine Ankommenden rasch und unkompliziert zu registrieren. Die meisten Geflüchteten können für 90 Tage visumfrei einreisen. Die Registrierung durch die Ausländerbehörden, Erstaufnahmeeinrichtungen, Polizeien oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Ausländerzentralregister muss spätestens dann erfolgt sein, wenn staatliche Leistungen beantragt werden.

Registrierung der Flüchtlinge beschleunigen

Bund und Länder werden die Registrierung derjenigen, die in Deutschland bleiben, beschleunigen und optimieren. Dazu gehört auch, technische Probleme der IT schnellstmöglich zu beheben. Der Bund unterstützt die Länder bei der Registrierung personell und materiell. Die Länder informieren den Bund über die vorhandenen IT-Kapazitäten zur Registrierung. Der Bund beschafft weitere Personalisierungs-Infrastrukturkomponenten (Erfassungsterminals PIK). Registriert und erfasst werden müssen Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit wie auch Angehörige anderer Staaten. Es geht dabei auch um nationale Sicherheitsinteressen.  

Gerechtere Verteilung der Geflüchteten

Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder halten eine zügige und gerechte Verteilung der angekommenen Geflüchteten in Deutschland für notwendig. Das gilt auch für die Verteilung von den Städten in ländliche Regionen. Sie vereinbaren, dass die “Fachanwendung zur Registerführung, Erfassung und Erstverteilung zum vorübergehenden Schutz - FREE” daher zügig überall eingeführt und optimiert wird.

In den Ankunftszentren, Aufnahmeeinrichtungen und Ausländerbehörden können bundesweit von allen Ankommenden Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und weitere personenbezogene Daten erfasst werden. FREE ermöglicht damit bereits vor der Registrierung im Ausländerzentralregister eine individualisierte und nachvollziehbare Verteilung auf die Länder und Kommunen. Die Entscheidung zur Verteilung der Flüchtlinge sollen später nachvollzogen und Doppelanmeldungen und -verteilungen verhindert werden. Dies soll auch zur Vermeidung von Menschenhandel und Zwangsprostitution beitragen.

Verteilung nach Königsteiner Schlüssel

Die Flüchtlinge werden nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt. Der Bund ist für die Koordinierung zuständig und informiert die betreffenden Länder über die anstehenden Verteilungen. Die Länder werden sich solidarisch zeigen, um diejenigen Länder zu unterstützen, in denen besonders viele Geflüchtete Zuflucht gefunden haben. Die Bundesregierung wird sich auf europäischer Ebene weiterhin für die Solidarität der Mitgliedstaaten bei der Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten einsetzen.  

Ukraine-Geflüchtete können sofort arbeiten

Die Geflüchteten aus der Ukraine können unmittelbar eine Arbeit in Deutschland aufnehmen; die Ausländerbehörden erlauben entsprechend dem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Erwerbstätigkeit ausdrücklich. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist nicht notwendig.

Um eine zügige Vermittlung in Arbeitsplätze zu ermöglichen, die den Qualifikationen der Arbeitssuchenden entsprechen, soll bei nicht-reglementierten Berufen eine Selbsteinschätzung der Geflüchteten aus der Ukraine zu ihren beruflichen Qualifikationen ausreichen.

Bei reglementierten Berufen werden sich Bund und Länder für eine schnelle und einheitliche Anerkennung von ukrainischen Berufs- und Bildungsabschlüssen einsetzen. Durch ein einheitliches Vorgehen werden divergierende Einschätzungen – auch im Falle mehrfacher Antragstellung bei Wohnortwechsel – vermieden. Soweit europäische Vorgaben bestehen, setzt sich die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission für rasche Lösungen ein.

Menschen mit Behinderungen versorgen

Unter den Schutzsuchenden aus der Ukraine befinden sich auch viele Menschen mit Behinderungen und mit Pflegebedarf. Bei der pflegerischen Versorgung wird darauf geachtet, dass die Betroffenen möglichst bei ihren gegebenenfalls mitgeflüchteten Angehörigen beziehungsweise Betreuungspersonal verbleiben können.

Um eine gute Versorgung sicherzustellen und die Kommunen möglichst ausgewogen einzubeziehen, wird der Bund die Verteilung der Geflüchteten  über drei bundesweite Drehkreuze - Berlin, Cottbus und Hannover - gut koordinieren. Die Länder koordinieren im Bereich der Behindertenhilfe und Pflege und beziehen dabei die Leitungserbringer ein.

Kinder und Jugendliche  in Schulen und Kitas

Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder begrüßen die Anstrengungen der Kultusministerkonferenz, ukrainische Kinder und Jugendliche schnell in die Schulen und Hochschulen aufzunehmen. Auch der Zugang der Kinder zu Kindertagesbetreuungs-Angeboten soll weiterhin zügig ermöglicht werden. Eine Koordinierungsstelle des Bundes unterstützt die Länder bei der Koordinierung zur Versorgung und dem Schutz von Waisenkindern und ihrer Betreuer.

Impfangebote gegen Corona

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie bekräftigen der Bundeskanzler und die Länderchefs das gemeinsame Bemühen, auch Schutzsuchenden schnelle und einfache Impfangebote zu machen. Informationen über Test- und Impfangebote werden daher auch in ukrainischer Sprache zur Verfügung gestellt.

Leistungen nach SGB II

Hilfebedürftige Geflüchtete aus der Ukraine werden künftig wie anerkannte hilfsbedürftige Asylsuchende finanziell unterstützt. Sie erhalten nach positiver Entscheidung über ihren Asylantrag Leistungen nach dem Zweiten bzw. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.

Bei den Geflüchteten aus der Ukraine ist keine solche Entscheidung nötig, da sie direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes haben. Analog zu den anerkannten hilfsbedürftigen Asylsuchenden sollen die hilfsbedürftigen Geflüchteten aus der Ukraine in Zukunft ebenfalls diese Leistungen (SGB II bzw. SGB XII) erhalten.

Voraussetzung dafür wird eine Registrierung im Ausländerzentralregister und die Vorlage einer aufgrund der Registrierung ausgestellten Fiktionsbescheinigung oder eines Aufenthaltstitels  sein. Die notwendigen gesetzlichen Anpassungen werden unverzüglich umgesetzt, sie sollen zum 1. Juni 2022 in Kraft treten.

Finanzielle Unterstützung für Länder und Kommunen

Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen im Jahr 2022 darüber hinaus mit insgesamt zwei Milliarden Euro bei ihren Mehraufwendungen für die Geflüchteten aus der Ukraine. Die Summe setzt sich zusammen aus:

  • 500 Millionen Euro zur Unterstützung der Kommunen bei den Kosten der Unterkunft der Geflüchteten aus der Ukraine
  • 500 Millionen Euro zur Abgeltung der Kosten, die zur bisherigen Unterstützung der Geflüchteten aus der Ukraine im Bereich der Lebenshaltungskosten angefallen sind
  • 1 Milliarde Euro als Beteiligung an den übrigen Kosten der Länder im Zusammenhang mit den Geflüchteten aus der Ukraine, etwa für die Kinderbetreuung und Beschulung sowie Gesundheits- und Pflegekosten. Die Pauschale wird den Ländern über einen erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer zur Verfügung gestellt.
  • Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder kommen überein, Anfang November 2022 eine Regelung für das Jahr 2023 zu vereinbaren. Sie werden dabei auch über den Verlauf des Jahres 2022 und vor allem die Entwicklung der Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine beraten und bei einer signifikanten Veränderung der Lage auch für das laufende Jahr ergänzende Regelungen treffen.
  • Die Bundesregierung sagt zu, einvernehmlich mit den Ländern in diesem Jahr eine Regelung zur Verstetigung der Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbezogenen Kosten sowie den Aufwendungen für Integration der Länder und Kommunen zu finden. Sie soll rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 gelten.

Die Koordinierungsrunden zwischen Bund und Ländern werden fortgeführt. Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder werden spätestens bei hrer Besprechung am 2. Juni erneut über die Lage beraten; sofern notwendig, kommen sie früher zusammen.

Städte- und Gemeindebund begrüßt Beschlüsse

Der Städte- und Gemeindebund begrüßte die Bund-Länder-Einigung. "Sie zeigt richtige Ansätze", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Es sei unverzichtbar, dass die Ankommenden rasch und unkompliziert registriert werden. Zudem sei eine zügige und gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Aussicht gestellt worden. Landsberg hob hervor, dass der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung der Geflüchteten aus der Ukraine ausdrücklich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkannt haben und sich der Bund zu einer Mitverantwortung bei der Finanzierung bekennt. "Es wird jetzt darauf ankommen, dass die Länder unverzüglich die ihnen zugesagten Mittel an die Kommunen weitergeben", sagte Landsberg. "Ohne die entsprechende Finanzausstattung werden die Kommunen mittelfristig die große Herkulesaufgabe der Unterbringung, Versorgung und Integration der Vertriebenen nicht leisten können."

Hier finden Sie den Beschluss im WORTLAUT als PDF!