Neue Gesetze, neue Anforderungen: Ein Landkreis aus Hessen will das nicht mehr hinnehmen.
Wer soll das bezahlen? Ein Landkreis in Hessen fordert eine Neuordnung der kommunalen Finanzen.
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Kommunale Finanzen

Brandbrief der Bürgermeister zu Finanzen - so reagiert der Bund

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, immer neue Standards: Die Kommunen aus dem Rheingau-Taunus-Kreis in Hessen forderten in einer Resolution, dass die kommunalen Finanzen neu geordnet werden. Landrat Sandro Zehner befürchtet, dass die Städte und Gemeinden ihre Aufgaben bald nicht mehr erledigen können. Und er sieht die Demokratie in Gefahr. Jetzt gibt es Antworten vom Bund dazu.

Darin waren und sind sich alle 17 Bürgermeister aus dem Rheingau-Taunus-Kreis mit Landrat Sandro Zehner einig: Die kommunalen Finanzen müssen neu geordnet werden. Dafür haben sie sich zusammengesetzt und im Mai eine gemeinsame Resolution verfasst. Die sogenannte Rheingau-Taunus-Resolution ging an die hessische Landesregierung, an das hessische Innenministerium und an die Bundesregierung.

Bürgermeister-Brandbrief zu Finanzen - so regiert der Bund

Jetzt haben sie Antworten bekommen. Zunächst einmal - wie zu erwarten - eher unverbindlicher Art. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat schrieb im Auftrag von Innenministerin Nancy Faeser:  "Zunächst möchte ich betonen, dass mir die Herausforderungen, vor denen Kommunen stehen, sehr bewusst sind. ... Für die strukturell ausreichende Finanzierung der Kommunen ist aber nicht der Bund, sondern zuvörderst das Land verantwortlich. Der Bund hat aufgrund seiner gesamtwirtschaftlichen Verantwortung in den vergangenen Jahren seine Unterstützungsleistungen für die Kommunen dennoch ausgeweitet. Angesichts der angespannten Haushaltslage, in der auch der Bund sich befindet, sind weitere Ausweitungen derzeit schwer vorstellbar."

Martin Rabanus, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Kreistags, sieht Handlungsbedarf: "Problematisch wird es regelmäßig dann, wenn sich die tatsächlichen Kosten anders entwickeln als zu der Zeit der Finanzierungsvereinbarung und die Mehrkosten dann bei der Kommune hängenbleibt, weil Bund und Länder ihre Finanzierungsanteile nicht entsprechend der Kostenentwicklung anheben. Hierfür plädiere ich nachdrücklich. Wir müssen hier zu einer neuen Logik finden, die die kommunale Ebene nicht im Regen stehen lässt."  

Wer bestellt, bezahlt auch

Die CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete Petra Nicolaisen, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik, kritisiert:  Weitere Belastungen der Kommunalfinanzen seien schon absehbar, ohne dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen gegensteuern würden. Dagegen helfe auch nicht, dass das Bundesfinanzministerium kurz vor der parlamentarischen Sommerpause eine lange angekündigte Fachkonferenz angesetzt habe, um über zukunftsfähige Kommunalfinanzen zu beraten.  Die Unionsfraktion begrüße, dass die Ampelkoalition endlich die Finanzierung der kommunalen Ebene in den Blick nehme. Der Austausch komme allerdings spät und die zu erwartenden Folgen seien völlig offen.

Resolution: Die Kommunen gehen am Stock

Die Bürgermeister kritisierte in ihrer Resolution, es reiche nicht, neue Aufgaben für Kommunen in Gesetze zu fassen -  und es dann den Kommunen zu überlassen, woher sie das Geld für die praktische Umsetzung nehmen. Kostenlose Kitaplätze, Recht auf Ganztagsschule, Ausweitung des Wohngeldes, das 49-Euro-Ticket stellten die Kommunen vor immer neue Herausforderungen. Schon jetzt, hieß es aus dem Rheingau-Taunus-Kreis, betrage die strukturelle Unterfinanzierung durch Bund und Land alleine in diesem Kreis annähernd 100 Millionen Euro. Auf etwa 14,7 Millionen Euro belaufe sich die finanzielle Unterdeckung im Bereich Migration. Und der Ganztagesanspruch im Schulbereich ab 2026 fordere im Kreis ein Investitionsvolumen von etwa 57 Millionen Euro, von denen der Bund nur 6,5 Millionen zuschießt.

Landrat Sandro Zehner

Sandro Zehner sieht die eigentlichen Aufgaben der Kommunen stark gefährdet: "Für die Bürgerinnen und Bürger sind die Städte, Gemeinden und Landkreise der erste Ansprechpartner auf der staatlichen Ebene. Im Rathaus, in der Führerscheinstelle, beim Busverkehr oder in den Kitas und Schulen erleben sie ihren Staat. Die uns auferlegten Pflichtaufgaben, immer neue Vorgaben und höhere Standards sorgen aber dafür, dass wir gar nicht in dem Maß für die Menschen da sein können, wie es nötig wäre."   

Rheingau-Taunus-Resolution: Das sind die Forderungen

  • Eine Neuordnung der Verteilsystematik von Steuergeldern.
  • Eine Aussetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder - bis zur Klärung der Finanzierung.
  • Neue Standards nur bei vollständiger Kostenübernahme durch den Bund.
  • Jedes neue Gesetzesvorhaben muss die kommunale Ebene mitdenken.

Einig wie selten: 17 Bürgermeister und ein Landrat haben die Resolution unterschrieben.

Landrat sieht Demokratie in Gefahr

Landrat Zehner findet deutliche Worte für die Dringlichkeit der Forderungen: "Wenn Bund und Länder uns hier weiterhin allein lassen, müssen wir uns auf der kommunalen Ebene buchstäblich kaputtsparen und die Kommunen müssen die Grund- und Gewerbesteuer immer höherschrauben, für Ausgaben, auf die wir gar keinen Einfluss haben. Das vermindert unsere Leistungsfähigkeit und sorgt für sinkendes Vertrauen in den Staat als Ganzes - und das gefährdet unsere Demokratie. Deshalb fordern wir gemeinsam, dass die kommunale Selbstverwaltung nicht zur Farce werden darf. Der Gesetzgeber muss jetzt handeln und die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen beheben!"

Zur Rheingau-Taunus-Resolution.

Fotocredits: Rheingau-Taunus-Kreis